Bundestagswahl

Hochrechnungen: Union bei Bundestagswahl klar vorn, SPD stürzt ab - FDP scheitert an Fünf-Prozent-Hürde

23.02.25 20:44 Uhr

Bundestagswahl: Union laut Hochrechnungen deutlich vorn, FDP scheitert an Fünf-Prozent-Hürde - SPD mit massivem Einbruch | finanzen.net

Machtwechsel in Deutschland: Die Union mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz hat die Bundestagswahl klar gewonnen.

Der CDU-Chef kündigte eine schnelle Regierungsbildung an. Bundeskanzler Olaf Scholz gestand die Niederlage seiner SPD ein. Sie liegt nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF hinter der AfD auf Platz drei. Dahinter folgen die Grünen. Die Linke schafft den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde und ist erneut im Bundestag vertreten. FDP und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) müssen dagegen um den Einzug ins Parlament bangen.

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Nach den Hochrechnungen verbessern sich CDU und CSU auf 28,4 bis 28,9 Prozent (Wahl 2021: 24,1 Prozent). Die AfD kann ihr Ergebnis quasi verdoppeln auf 19,9 bis 20,1 Prozent (10,4 Prozent). Die SPD von Kanzler Olaf Scholz stürzt dramatisch ab auf ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis seit 1949 und landet bei 16,2 bis 16,3 Prozent (25,7). Die Grünen mit Kanzlerkandidat Robert Habeck verlieren leicht und kommen auf 12,4 bis 13,0 Prozent (14,7). Die Linke steigert sich deutlich auf 8,5 bis 8,8 Prozent (4,9). Die FDP halbiert ihr Ergebnis und liegt bei 4,9 bis 5,0 Prozent (11,4). Das BSW, eine Abspaltung der Linken, kommt bei seiner ersten Bundestagswahl auf 4,8 bis 5,0 Prozent.

Laut ARD und ZDF erringen CDU und CSU 187 bis 210 Sitze im Parlament, die AfD kommt auf 131 bis 145 Sitze. Die SPD erhält 106 bis 118 Mandate, die Grünen 81 bis 94, die Linke 58 bis 62 und FDP und BSW jeweils 0 bis 33.

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Welche Koalitionen sind möglich?

Merz hat beste Chancen Kanzler zu werden, braucht für eine Regierungsbildung aber Partner. Ein Zusammengehen mit der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften AfD hat der CDU-Chef ausgeschlossen. Wenn neben der Linken auch FDP und BSW im Bundestag sitzen, muss Merz sich zwei Koalitionspartner suchen. Doch Dreierkoalitionen sind kompliziert, siehe die gescheiterte Ampel.

Denkbar wäre eine Koalition der Union mit SPD und FDP. Eine Alternative wäre ein Bündnis von Union, SPD und Grünen - allerdings hatte die CSU eine Koalition mit den Grünen vor der Wahl vehement abgelehnt.

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Begeisterung bei Union, bitterer Abend für SPD

Wahlsieger Merz will so schnell wie möglich eine handlungsfähige Bundesregierung bilden. "Ich weiß um die Verantwortung", sagte er. "Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird." Deutschland könne sich keine langwierige Regierungsbildung leisten: "Die Welt da draußen wartet nicht auf uns." CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt sagte, die Union werde eine neue Bundesregierung ohne die Grünen bilden.

Scholz sprach nach den ersten Hochrechnungen von einem bitteren Ergebnis und einer Niederlage seiner SPD, für die er auch Verantwortung trage. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte, bei der Regierungsbildung sei nun die Union am Zug. Ob die SPD noch einmal Regierungsverantwortung übernehme, sei offen: "Da gibt es überhaupt keinen Automatismus."

AfD-Chefin Alice Weidel sprach von einem historischen Ergebnis. "Man wollte uns halbieren, das Gegenteil ist eingetreten." Die AfD sei bereit zur Zusammenarbeit mit der Union. "Unsere Hand wird immer ausgestreckt sein für eine Regierungsbeteiligung, um den Willen des Volkes umzusetzen." Zugleich kündigte sie an: "Wir werden die anderen jagen, dass sie vernünftige Politik für unser Land machen."

Grünen-Kanzlerkandidat Habeck warnte vor dem Erstarken des rechten Populismus und gratulierte Merz. Seine Partei sei auch bereit, Verantwortung zu übernehmen, sagte er mit Blich auf die Regierungsbildung.

Linken-Chef und -Spitzenkandidat Jan van Aken äußerte sich begeistert über das Abschneiden seiner Partei. "Die Linke lebt", sagte er vor einer jubelnden Menge in Berlin. Co-Parteichefin Ines Schwerdtner sprach vom "Comeback des Jahres" und kündigte an, in den kommenden Jahren eine "Brandmauer" gegen rechts sein zu wollen.

Die Wahlbeteiligung lag mit 83 bis 84 Prozent höher als 2021 (76,4) und erreichte laut ARD und ZDF den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung. Zur Stimmabgabe aufgerufen waren 59,2 Millionen Menschen, davon gut 42 Prozent 60 Jahre oder älter.

Bundestag wird kleiner - rund 100 Abgeordnete weniger

Der neue Bundestag wird wegen einer Reform deutlich schlanker sein. Die Zahl der Abgeordneten wurde auf 630 begrenzt - mehr als 100 weniger als aktuell. Dafür fallen die sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate weg, die bisher das Parlament oft stark aufgebläht haben. Nun kommen mit Erststimme gewählte Kandidaten nur noch in den Bundestag, wenn ihre Partei auch genügend Zweitstimmen hat.

Die Wahl wurde um sieben Monate vorgezogen - das gab es bisher nur 1972, 1983 und 2005. Grund ist, dass die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im November zerbrochen war. Scholz schlug nach dem Nein des Bundestags zu seiner Vertrauensfrage die Auflösung des Parlaments vor - was Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier dann anordnete.

Wahlkampf kreiste um Migration und Wirtschaftsschwäche

Der kurze Winterwahlkampf war zuletzt geprägt von der Debatte über eine Begrenzung der Migration. Konkreter Auslöser war die Messerattacke von Aschaffenburg, wo ein Afghane, der als Flüchtling kam, einen zweijährigen Jungen und einen 41-jährigen Mann erstochen hatte. Merz hatte daraufhin gefordert, dass auch Asylbewerber an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden - was aus Sicht von Grünen und SPD gegen Europarecht verstoßen würde. Scharfe Kritik hatte Merz auf sich gezogen, nachdem die Union im Bundestag einen Antrag zur Migrationspolitik mit Stimmen der AfD durchgesetzt hatte.

Zweites Thema im Wahlkampf war die schwächelnde Wirtschaft. Merz hat Steuersenkungen und radikale Änderungen beim Bürgergeld angekündigt. So sollen diejenigen, die nicht arbeiten, aber arbeiten können, kein Bürgergeld mehr bekommen. Die SPD will über eine Reform der Schuldenbremse staatliche Investitionen erleichtern. Außerdem soll der Staat mit einem "Made in Germany"-Bonus Unternehmen bei Investitionen in Maschinen oder Fahrzeuge zehn Prozent der Kosten abnehmen.

FDP scheitert laut Hochrechnungen an Fünf-Prozent-Hürde

Die FDP schafft es nach den aktuellen Hochrechnungen von ARD und ZDF nicht über die Fünf-Prozent-Hürde. Demnach liegen die Freien Demokraten Stand 20.15 Uhr zwischen 4,7 und 4,8 Prozent und würden somit aus dem Bundestag fliegen. Es wäre das erste Mal seit der Wahl 2013, dass die Partei den Einzug in den Bundestag verpassen würde. Damals scheiterte die Partei ebenfalls knapp.

FDP-Chef Christian Lindner sagte am Wahlabend mit Blick auf das Ampel-Aus, die FDP sei vergangenen Herbst "in das volle politische Risiko gegangen" zum Wohle des Landes. "Wir zahlen selbst heute einen hohen Preis dafür, für Deutschland war diese Entscheidung aber richtig", fügte er hinzu.

Pistorius: Niederschmetterndes, katastrophales Ergebnis

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat enttäuscht auf das Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl reagiert. "Entscheidend ist, dass wir nüchtern festhalten müssen: Das ist ein niederschmetterndes, ein katastrophales Ergebnis. Da gibt es nichts daran zu beschönigen", sagte der SPD-Politiker. Eine AfD bei 20 Prozent könne insbesondere die Sozialdemokraten nicht ruhen lassen.

Es liege nun an Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, den Regierungsauftrag umzusetzen. "Wir waren immer gesprächsbereit, wir sind es. Es geht um Verantwortung, aber es ist nicht an uns, jetzt irgendwelche Schritte nach vorne zu machen", sagte Pistorius angesprochen auf mögliche Koalitionsgespräche mit CDU/CSU.

Im ZDF sagte Pistorius, die SPD müsse sich jetzt zusammensetzen. Dass es personelle Veränderungen gebe, organisatorische und inhaltliche, habe SPD-Chef Lars Klingbeil deutlich gesagt. Die Union habe den Regierungsauftrag. Die Frage sei, wann die Union auf die SPD zukomme: "Wenn das dann so weit ist, dann werden wir auch klar sagen können, wer dann die Verhandlung führt."

CDU-Politiker Frei: Politikwechsel mit Grünen schwierig

Eine Regierungskoalition unter Beteiligung der Grünen wäre aus Sicht der Union sehr schwierig. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, Thorsten Frei, sagte nach der Veröffentlichung von Hochrechnungen, die die Union bei um die 29 Prozent sahen, klar sei, dass es einen klaren Regierungsauftrag für den Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) gebe. Darüber hinaus sei festzustellen, "es sieht kompliziert aus, und es deutet darauf hin, dass die Fragmentierung, die wir in der Gesellschaft sehen, sich im Parlament fortsetzt". Sollten die Zahlen so bleiben, "dann wäre das jedenfalls ein klarer Auftrag an alle beteiligten Parteien, das Wohl des Landes über ihre eigenen Interessen zu stellen". Denn die aktuellen außen- und innenpolitischen Herausforderungen seien gewaltig.

Nach den Grünen gefragt, sagte der CDU-Politiker: "Am Ende des Tages muss man immer schauen, unter welchen Voraussetzung man eine stabile Regierung hinbekommt." Den von der Union angestrebten Politikwechsel zu erreichen, etwa in der Wirtschafts-, Energie- und Migrationspolitik wäre mit den Grünen "sicherlich kaum zu schaffen". Die FDP, deren Einzug in den Bundestag noch unsicher sei, wäre für die Union "immer ein Koalitionspartner". Ansonsten spreche die Union grundsätzlich mit allen, die in der Mitte für eine Mehrheitsbildung infrage kommen könnten.

Wulff: AfD und Linke werden Merz einen Blumenstrauß schicken

Der frühere Bundespräsident Christian Wulff hat den Wahlkampf der Union kritisiert. "Die Polarisierung, die insbesondere die CDU/CSU am Ende des Wahlkampfs gemacht hat, die war offenkundig falsch, denn die Ränder sind stärker geworden", sagte der frühere CDU-Spitzenpolitiker im NDR-Fernsehen. "AfD und die Linkspartei, die werden wahrscheinlich Friedrich Merz einen Blumenstrauß schicken."

Die Linkspartei drohte noch vor wenigen Wochen, den Einzug in den Bundestag zu verpassen. Hochrechnungen zufolge bekam die Partei nun zwischen 8,5 und 9 Prozent der Stimmen. Das liege auch daran, dass die Union im Wahlkampf weg von Themen wie Wirtschaft und Arbeit gegangen sei und den Fokus auf die Migration gesetzt habe. "Das ist ein AfD-Thema, und da hat man nach meiner Meinung große Fehler gemacht", sagte Wulff.

Wulff war von 2003 bis 2010 niedersächsischer Ministerpräsident und von 2010 bis 2012 Staatsoberhaupt der Bundesrepublik.

Esken zieht vorerst keine Konsequenzen aus SPD-Wahlpleite

Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken zieht vorerst keine personellen Konsequenzen aus dem Debakel ihrer Partei bei der Bundestagswahl. "Wir müssen natürlich die SPD angesichts dieses enttäuschenden Ergebnisses auch neu aufstellen", sagte Esken im ZDF. Dies gelte organisatorisch, programmatisch und auch personell. "Aber das machen wir gemeinsam und nicht an einem Wahlabend von einer Bühne herunter." Die SPD hatte nach den Hochrechnungen mit rund 16 Prozent ein historisch schlechtes Ergebnis erzielt.

Weber: 'Europa wartet auf Stabilität aus Deutschland heraus'

EVP-Chef Manfred Weber (CSU) hat eine schnelle Regierungsbildung angemahnt und sieht Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) auch für das internationale Parkett gut aufgestellt. "Friedrich Merz weiß auch, dass man Europa nicht führt, indem Berlin Entscheidungen fällt, sondern indem man einlädt zum Dialog", sagte der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei im Europaparlament im Bayerischen Rundfunk.

"Ganz Europa wartet auf Stabilität aus Deutschland heraus", betonte Weber. Wichtig sei es nun, dass Berlin schnell wieder handlungsfähig werde. "Eine Hängepartie über Monate hinweg, wo man sich in Details von Koalitionen und Koalitionsvereinbarungen jetzt vergräbt, schadet europäischen Interessen, schadet deutschen Interessen", unterstrich Weber.

Mit Blick auf die europaweit zu beobachtende Fragmentierung der Parteienlandschaft adressierte Weber auch den Koalitionspartner der CSU in Bayern. Die Freien Wähler hätten "dafür gesorgt, dass die bürgerliche Stimme aus Bayern geschwächt worden ist". Schließlich fänden sich die Stimmen derjenigen Wähler, die ihr Kreuz bei den Freien Wählern gemacht hätten, im neuen Bundestag nicht wieder. "Insofern wird das auch für uns als CSU noch ein Thema werden, auch strategisch darüber zu reden, wie es weitergeht."

Dobrindt zuversichtlich für Bündnis mit SPD

CSU-Spitzenkandidat Alexander Dobrindt wirbt für eine Koalition der Union mit der SPD. Er sagte im ZDF, er sei sehr zuversichtlich, dass man ein Ergebnis mit der SPD hinbekomme - rein rechnerisch, aber auch für einen Politikwechsel. "Die SPD hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie in der Lage ist, auf schwierigste Bedingungen im Land zu reagieren."

Dobrindt nannte als Stichwort die Agenda 2010 des früheren Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) mit grundlegenden Reformen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. "Ich gehe davon aus, dass man das auch mit einer SPD wieder erreichen kann."

Es brauche keine Zusammenarbeit mit den Grünen, sagte Dobrindt. Mit Grünen sei kein Politikwechsel möglich. "Wir brauchen etwas anderes." Der Politikstil der "Bevormundung und Verbote" sei abgewählt worden.

Habeck: Grüne bereit für Kenia-Koalition mit Union und SPD

Die Grünen stehen nach Angaben ihres Kanzlerkandidaten Robert Habeck bereit für eine sogenannte Kenia-Koalition mit Union und SPD. "Selbstverständlich sind wir bereit dafür", sagte Habeck im ZDF. "Wir sind immer bereit, Verantwortung zu tragen."

Die Entscheidung, ob man die Grünen bei der Regierungsbildung einbeziehe, liege aber bei Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. "Ich gehe davon ehrlicherweise nicht aus." Er verwies darauf, dass die CSU eine Zusammenarbeit mit den Grünen immer wieder abgelehnt habe. "Ich glaube nicht, dass Merz sich dagegen durchsetzen kann."

Habeck verwies darauf, dass die CSU ein starkes Ergebnis erzielt habe, die CDU dagegen ein nicht so starkes. "Wenn ich das von der Ferne sehe, werden sich die Machtverhältnisse sehr stark gegen Merz verschoben haben."

Söder will Merz erneut als Unionsfraktionschef vorschlagen

Nach dem Sieg bei der Bundestagswahl will CSU-Chef Markus Söder Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz als alten und neuen Chef der Unionsfraktion im Bundestag vorschlagen. Er werde dies den Abgeordneten von CDU und CSU in der Sitzung am Dienstag vorschlagen, "sozusagen als Vorbereitung für die Kanzlerkandidatur", sagte der bayerische Ministerpräsident im Bayerischen Rundfunk.

Söder betonte erneut, dass er und Merz so eng zusammenarbeiten würden "wie noch nie zuvor und wir werden alles gemeinsam besprechen". Merz war bereits in der abgelaufenen Wahlperiode und von 2000 bis 2002 der Vorsitzende der gemeinsamen Fraktion von CDU und CSU.

CSU-Chef Markus Söder sieht keine Chance für eine längerfristige Zusammenarbeit mit den Grünen, schließt eine Koalition mit den Grünen aber nicht kategorisch aus. "Ich glaube nicht, dass mit den Grünen eine Regierung irgendwie länger funktionieren kann", sagte der bayerische Ministerpräsident im ZDF.

Mit den Grünen könne man keinen Richtungswechsel organisieren. Die Grünen hätten ihre Chance gehabt, sie hätten sie nicht genutzt. "Mit den Grünen zu regieren - aus meiner Sicht ein echtes No-Go, wenn es irgendwie geht", sagte Söder. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz werde überlegen, wie er damit umgehe.

Söder äußerte die Hoffnung, "dass es am Ende für Schwarz-Rot reicht oder im schlimmsten Fall dann lieber für eine Deutschland-Koalition", also ein Bündnis von Union, SPD und FDP. Eine sogenannte Kenia-Koalition mit SPD und Grünen stehe nicht für einen Richtungswechsel. Hinzu komme: "Eine Regierung, die schon startet mit dem Titel Kenia-Koalition, die wird doch null Vertrauen bei den Deutschen haben."

Chrupalla: Merz kann einige Wahlversprechen nur mit der AfD umsetzen

Der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla hat sich nach der Bundestagswahl offen für Koalitionsgespräche mit der Union gezeigt. "Wir können immer über Koalitionen reden. Aber am Ende muss es sich jetzt für die Bürger auszahlen und den Bürgern ist es am Ende egal, wer regiert", sagte er in der ARD. Die Bürger erwarteten endlich einen politischen Wechsel.

"Man kann aber auch nicht zehn oder zwölf Millionen AfD-Wähler ausgrenzen und ausschließen", sagte er mit Blick auf die ablehnende Haltung der Union gegenüber der AfD.

"Frau Weidel hat das richtig gesagt, die Hand ist ausgestreckt, wenn Friedrich Merz seine Wahlversprechen umsetzen will, dann wird er einiges nur mit der AFD umsetzen können", sagte er bezogen auf die Migrationspolitik. Wenn Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz eine Koalition mit den Wahlverlierern fortführen wolle, dann werde es wahrscheinlich Bundestagswahlen nicht in vier Jahren, sondern in zwei geben.

Österreichs FPÖ-Chef Kickl gratuliert der AfD

Der Chef rechtspopulistischen FPÖ in Österreich, Herbert Kickl, hat der AfD zu ihrem guten Wahlergebnis gratuliert. "In der Brandmauer der Einheitsparteien, die in Wahrheit eine Angstmauer vor dem Willen der Bevölkerung und vor demokratischer Veränderung ist, klafft seit heute ein riesiges Loch", erklärte Parteichef Kickl. Die Menschen wollten "nicht mehr länger Bevormundung, illegale Masseneinwanderung, daraus folgenden islamistischen Terror und Sicherheitschaos, Klimakommunismus und Wohlstandszerstörung ertragen", meinte er weiter.

Die AfD hat ihren Stimmanteil von 10,4 Prozent bei der Wahl 2021 bisherigen Hochrechnungen zufolge praktisch verdoppelt.

Kickls FPÖ war bei den Wahlen in Österreich im September 2024 mit gut 26 Prozent stärkste Partei geworden. Koalitionsverhandlungen scheiterten aber bisher. Kickl schaffte es nicht, sich mit den zweitplatzierten Konservativen, der ÖVP, auf ein Regierungsprogramm zu einigen. Nun versuchen Konservative, Sozialdemokraten (SPÖ) und Liberale (Neos), eine Koalitionsregierung auf die Beine zu stellen.

Mehrheit will Regierung ohne AfD, Linke bei Jungen vorn

Die AfD hat ein Rekordergebnis erzielt - doch eine klare Mehrheit der Wahlberechtigten stellt sich nach Umfragen gegen eine Regierungsbeteiligung der Partei. Einige Erkenntnisse aus den Analysen der Meinungsforschungsinstitute Infratest dimap und Forschungsgruppe Wahlen zur Bundestagswahl:

AfD soll nicht in Regierung kommen

70 Prozent bewerten der Infratest-dimap-Analyse zufolge eine mögliche Beteiligung der AfD an der nächsten Bundesregierung als nicht gut. 27 Prozent geben an, diese Option gut zu finden. Die Forschungsgruppe Wahlen zeigt ein ähnliches Bild: 74 Prozent der Befragten lehnen eine Koalition der CDU/CSU mit der AfD klar ab. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hat bereits vor der Wahl eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet wird.

Linke gewinnt bei Jüngeren

Der Forschungsgruppe Wahlen zufolge gibt es bei der Wahlentscheidung große Unterschiede zwischen den Altersgruppen: In der Generation 60 plus wählen 38 Prozent CDU/CSU und 23 Prozent SPD. Bei den unter 30-Jährigen gewinnt im Gegensatz dazu die Linke mit 24 Prozent, gefolgt von der AfD (21 Prozent) und den Grünen (12 Prozent). Auch die Wahlanalyse von Infratest dimap nennt Linke und AfD als Gewinner bei der Generation der 18- bis 24-Jährigen. Beide sind stark in sozialen Medien aktiv.

Unterschiede zwischen den Geschlechtern

Auch zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede. Besonders sieht man diese der Forschungsgruppe Wahlen zufolge bei der AfD, die demnach 23 Prozent bei Männern und 17 Prozent bei Frauen erzielt. Auch die Union ist bei Männern (29 Prozent) beliebter als bei Frauen (27 Prozent). SPD und Linke sind demnach aber bei Frauen erfolgreicher. Bei ihnen erreichen die Parteien jeweils 18 und 11 Prozent, bei den Männern sind es 15 und 7.

FDP verliert die meisten Stimmen an Union und AfD

Die FDP halbiert bei der Wahl ihr Ergebnis. 1.330.000 Stimmen wandern vorläufigen Infratest-dimap-Ergebnissen zufolge von der FDP zur Union ab, 750.000 zur AfD. Weitere Nutznießer sind BSW, die Linke und die SPD.

Merz halten 43 Prozent für kanzlerwürdig

Dass CDU-Chef Merz dem Amt des Bundeskanzlers gewachsen sei, bejahen Infratest dimap zufolge 43 Prozent der Befragten. Mit seiner politischen Arbeit sind 35 Prozent der Befragten zufrieden, 59 Prozent hingegen unzufrieden. Bei der Sympathie liegt er aber hinter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Scholz selbst stürzt in der Zustimmung zu seiner Arbeit ab. Während zu Beginn der Legislaturperiode noch zwei Drittel (66 Prozent) angaben, damit zufrieden zu sein, sind es 2025 nur noch 30 Prozent.

Vor die Wahl gestellt, wer der beste Kanzler wäre, sind nur 19 Prozent der von der Forschungsgruppe Wahlen Befragten für Scholz, 34 Prozent bevorzugen Merz, 18 Prozent Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und 18 Prozent AfD-Chefin Alice Weidel. Dass Merz als Kanzler seine Sache besser machen werde als Scholz, glauben demnach 37 Prozent, 27 Prozent gehen davon aus, dass er es schlechter mache.

SPD verliert Wahlkampfthema soziale Gerechtigkeit an Linke

Die SPD verliert in ihrer traditionellen Domäne soziale Gerechtigkeit viel Vertrauen, wohingegen die Linke hier klar zulegt: Der Forschungsgruppe Wahlen zufolge ist für 42 Prozent die Linke "die einzige Partei, die wirklich Politik für Menschen mit geringem Einkommen macht".

55 Prozent der von Infratest dimap Befragten stimmen der Aussage zu, dass sich die SPD mehr um Bürgergeldempfänger bemühe als um arbeitende Menschen. 52 Prozent äußerten die Ansicht, die Sozialdemokraten vernachlässigten die Interessen der Arbeitnehmer. Nur 26 Prozent trauen demnach der SPD am ehesten zu, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen.

Industrie und IG Metall sehen Zeitdruck für Regierungsbildung

Die Gewerkschaft IG Metall und der Bundesverband der Deutschen Industrie drängen angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland auf eine schnelle Regierungsbildung. Es bestehe hoher Zeitdruck, um Beschäftigten und Wirtschaft eine klare Perspektive zu geben, so die IG Metall. "Die Industrie und die Beschäftigten können nicht Monate auf klare Perspektiven warten. Sie brauchen jetzt so schnell wie möglich konkrete Zusagen", sagte Christiane Benner, Erste Vorsitzende der größten deutschen Gewerkschaft.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Peter Leibinger, sagte: "Die deutsche Wirtschaft braucht sehr schnell eine handlungsfähige neue Bundesregierung mit stabiler Mehrheit in der demokratischen Mitte. Der Entscheidungs- und Handlungsstau in vielen für die Wirtschaft existenziellen Fragen wie etwa des Bürokratierückbaus, staatlichen Investitionen, der Energieversorgung und der Sicherheitspolitik gehört dringend aufgelöst." Je länger die Unsicherheit andauert, desto mehr zögerten Unternehmen und Verbraucher mit Investitionen und Käufen, die Wirtschaft stagniere und Deutschland werde geschwächt.

Aus Sicht der IG Metall müssen besonders wettbewerbsfähige Energiekosten, der Hochlauf der Elektromobilität und umfassende Investitionen in Bildung, Straßen, Schienen und Digitalisierung im Mittelpunkt der Vorhaben einer neuen Bundesregierung stehen. Vielen Industrieunternehmen stehe das Wasser bis zum Hals.

Die Präsidentin des Verbands Die Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann, sieht einen klaren Regierungsauftrag bei der Union und Kanzlerkandidat Friedrich Merz. "Daraus folgt ein klarer Auftrag für eine Wirtschaftswende." Ohne bessere Wirtschaftspolitik drohten Deutschland wirtschaftlich und politisch dramatische Verhältnisse. "Die Deindustrialisierung wird sich noch beschleunigen, die Insolvenzwelle noch größer werden und der Verkauf von Familienunternehmen weiter zunehmen."

Der Präsident des Umweltverbandes Nabu, Jörg-Andreas Krüger, sagte, die Regierungsbildung werde angesichts der schwierigen Mehrheitsverhältnisse kein Selbstläufer. "Die künftigen Partner werden gemeinsame Antworten auf die drängenden Krisen finden müssen, die sie dann auch umsetzen." Klimaschutz sei die Grundlage für nachhaltiges Wachstum.

BERLIN/HANNOVER/MÜNCHEN/WIEN (dpa-AFX)

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