Die internationalen Kreditgeber werden Griechenland an diesem Mittwoch ihr "letztes Angebot" für eine Vereinbarung zur Beilegung der Schuldenkrise vorlegen.
Zugleich ist geplant, dass Ministerpräsident Alexis Tsipras mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel zusammentrifft. Dabei dürften noch einmal die Forderungen der Gläubiger und die abweichenden Vorstellungen der Athener Regierung diskutiert werden. Aber aus Sicht von EU-Vertretern muss Griechenland die vorgelegten Bedingungen akzeptieren, bestenfalls kleinere Änderungen seien noch möglich.
Mit dieser Politik des "Friss Vogel oder stirb" könnte zwar das monatelange Hickhack um eine Lösung beendet werden. Es birgt aber auch das Risiko einer politischen Implosion in Athen und möglicherweise das Scheitern der Regierungskoalition von Tsipras. Der finale Plan markiert einen entscheidenden Taktikwechsel der Gläubiger aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) und zeugt vom Ende der Geduld nach vielen fruchtlosen Verhandlungen. Beim Krisengipfel am Montagabend in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande, Juncker, IWF-Chefin Christine Lagarde und EZB-Präsident
Mario Draghi war die neue Marschrichtung fixiert worden, um eine Insolvenz Griechenlands und ein Ausscheiden des Landes aus dem Euro zu vermeiden.
Im Juni stehen griechische Rückzahlungen von gut 1,5 Milliarden Euro an den IWF an. Die erste Rate über gut 300 Millionen Euro wird an diesem Freitag fällig. Allerdings ist offenbar eine kombinierte Zahlung aller Raten zum Ende des Monats möglich. EU-Vertreter halten es für unwahrscheinlich, dass Athen ohne neue Hilfszahlungen in der Lage sein wird, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Die Einzelheiten der Forderungen an Griechenland sind zwar nicht bekannt, wohl aber der Rahmen: Privatisierungen, Reformen des Rentensystems und des Arbeitsmarktes und vor allem umfassende Sparanstrengungen. Das Paket stellt eine große Herausforderung für Tsipras dar und könnte eine Rebellion innerhalb der Regierungsparteien auslösen.
Die Kombination von strengen Wirtschaftsreformen und einem Aufschub möglicher Schuldenerleichterungen könnte zu einem Test für die Athener Koalition werden, die im 300 Mitglieder starken Parlament nur eine Mehrheit von zwölf Sitzen hält. Bei einem Aufstand der Ultralinken in der Syriza-Partei von Tsipras könnte ihm die notwendige Unterstützung fehlen, einen Deal abgesegnet zu bekommen. Möglicherweise könnte er sich mit Stimmen aus der Opposition behelfen. Er könnte sich aber auch gezwungen sehen, Neuwahlen auszurufen oder ein Referendum abzuhalten. Beides würde Griechenland Zeit kosten, die das Land eigentlich nicht hat. In der Syriza-Partei gibt es bereits Abgeordnete, die Neuwahlen für besser halten, als sich den Bedingungen der Geldgeber zu unterwerfen. Die Europäer bemühen sich intensiv darum, den Eindruck eines Ultimatums an Athen zu vermeiden. Sie wissen, dass dies einen ohnehin schwierigen Deal noch schwieriger machen würde. Daher geben sich viele europäische Offizielle äußerst schmallappig zur jüngsten Initiative der Gläubiger. Nur wenige räumen ein, dass den Griechen eigentlich keine andere Wahl bleibt. Die Geldgeber hoffen darauf, dass Tsipras zu einer Einwilligung in das Paket bis Ende dieser Woche bewegt werden kann. Das würde dann das Aushandeln der letzten Details in der kommenden Woche auf Arbeitsebene möglich machen, sagen EU-Vertreter. Das wiederum würde es auch der EZB ermöglichen, den griechischen Banken mehr Liquidität zur Verfügung zu stellen, die diese zum Ankauf von Schatzwechsel des Staates nutzen und so den finanziellen Druck von der Regierung nehmen könnten. ATHEN (Dow Jones)