Trendgetränk Tee

Starbucks: Warum die Kaffee-Kette jetzt auf Tee setzt

26.11.12 13:00 Uhr

Was macht ein Unternehmen, wenn es an seine Wachstumsgrenzen stößt? Man probiert’s mit ähnlichen Geschäften. Die Kaffeehaus-Kette Starbucks etwa macht jetzt auch groß in Tee. Das ist mutig.

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von Martin Blümel, Euro am Sonntag

Eigentlich war es ja absehbar. Im Januar vergangenen Jahres entfernte Starbucks den Begriff „Coffee“ aus dem Firmenlogo. Deutlicher kann die Botschaft, dass man nicht mehr nur Kaffeehauskette sein will, wohl nicht ausfallen. Heute, fast zwei Jahre später, scheint klar, dass dies tatsächlich ein Hinweis darauf war, dass Starbucks-Chef Howard Schultz etwas Revolutionäres vorhat: ganz groß in Tee zu machen.

Für 620 Millionen Dollar, das sind gut 485 Millionen Euro, übernimmt Starbucks den amerikanischen Teeeinzelhändler Teavana — der Name ist wohl eine Anspielung auf ein imaginäres Tee-Nirvana. Bis Jahresende soll der Deal unter Dach und Fach sein. Starbucks lehnt sich damit sehr weit aus dem Fenster. Mehr Geld hat das Unternehmen für eine Übernahme bisher noch nie auf den Tisch gelegt.

Teavana jedenfalls verkauft bisher über 100 Sorten losen Tee in 300 eigenen Läden in den USA, Kanada und Mexiko und seit Neuestem auch in einem Geschäft in Kuwait. Den Tee gibt es abgepackt wie auch in aufgebrühter Form an der „Teavana-Tea-Bar“. Mit Starbucks als neuem Eigentümer wird das auch so bleiben. Zunächst jedenfalls.

Denn der naheliegende Gedanke ist: Eine Art Teebar müsste doch auch in den Starbucks-Coffeeshops gut laufen. Da muss doch mehr gehen als nur das bisherige Kerngeschäft, mehr als nur „Coffee to go“ mit ein paar Extras obendrauf. Vor allem deshalb, weil das Unternehmen mit Kaffee langsam an die Grenzen seines Wachstums stößt — zumindest im Stammland, den USA, wo in 11.000 der weltweit 18.000 Filialen Kaffee ausgeschenkt wird.

Tee-Weltproduktion vervierfacht
Um mehr Nichtkaffeetrinker in die Läden zu locken, hat Starbucks zunächst versucht, das Angebot mit zusätzlichen Kaltgetränken und Backwaren aufzupeppen. Dafür wurden der Safthersteller Evolution Fresh sowie der Großbäcker La Boulange Baker übernommen. Aber Tee! Das hat eine neue, weit größere Dimension.

„Tee“, weiß der Starbucks-Finanzchef Troy Alstead, „ist das am zweithäufigsten konsumierte Getränk der Welt.“ Nach Wasser, wohlgemerkt, nicht nach Kaffee. Ein Fakt, der nach Umsatzwachstum schmeckt und nach steigenden Gewinnen. Klar, dass da bei Starbucks in Seattle die Ideenmaschine angeworfen wird. Weil es mit Kaffee schon so gut geklappt hat, müsste sich doch auch aus Tee ein massentaugliches, konfektioniertes, mitnahmegeeignetes — und vor allem hochpreisiges — Produkt machen lassen. Wie das genau gehen soll, verrät Starbucks jedoch noch nicht. Finanzchef Alstead findet aber: „Starbucks sollte beim Tee führend sein.“

Denn auch in Seattle kennt man die Zahlen: Die Weltproduktion von Tee hat sich seit Beginn der 60er-Jahre vervierfacht. Das meiste davon wird zwar gleich in den Erzeugerländern gebrüht und getrunken, doch immerhin zwei Fünftel der Produktion landen auf dem Weltmarkt — für die Tee exportierenden Schwellenländer ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

4,2 Millionen Tonnen Tee wurden im vergangenen Jahr weltweit produziert, allein 1,6 Millionen Tonnen in China, dem größten Teeerzeuger. Im Vergleich zum Kaffee erscheint diese Zahl zunächst gering, lag doch die Kaffeeproduktion im selben Jahr bei fast 138 Millionen Sack. Umgerechnet sind das 8,3 Millionen Tonnen — also fast das Doppelte der Teeproduktion. Da aber Tee ergiebiger ist als Kaffee, hinkt dieser Vergleich. Aus 100 Gramm Tee lassen sich eben deutlich mehr Tassen Heißgetränk zaubern als aus einem Pfund Kaffee. Zahlenakrobatik — man rechnet und rechnet in Seattle.

„Wir sind fest davon überzeugt, dass wir für den Tee dasselbe tun können wie für den Kaffee“, sagt Firmenchef Schultz. Der Teemarkt sei „reif für eine Neuerfindung“. Doch ob es damit so einfach wird? Bislang machen im internationalen Tee­business die multinationalen Konzerne Unilever, Allied Breweries und Cadbury’s das Geschäft. Sie kaufen an den Teebörsen riesige Mengen ein, verpacken und veredeln in Europa und bringen den Tee dann in den Handel. Mit dem etwas seltsamen Effekt, dass in China die Unilever-Marke Lipton höchst beliebt ist.

An der Spitze der Teeimporteure standen zuletzt Russland, Großbritannien sowie — man höre und staune — die USA. In Seattle weiß man das sicher auch, also probiert man es einfach mit dem Teegeschäft. Nur: Schafft es ein Unternehmen, das vor allem Kaffeemixgetränke mit lustigen Namen zubereitet, diese Kernkompetenz auf ein anderes Genussmittel wie Tee zu übertragen?

Zum Wandel verdammt
Es gibt ja eigentlich schon Tee bei Starbucks. Im Prinzip sogar recht guten. Nur wird der eher defensiv angepriesen. In der Filiale am Münchner Hauptbahnhof etwa sind auf der Angebotstafel tatsächlich neun Sorten Tee gelistet. Allerdings ganz unten, ziemlich kleingedruckt und kaum zu erkennen unter all den Frappuccinos, Cappuccinos und der zur Weihnachtszeit offensichtlich beliebten Kaffeesorte „Lebkuchen Latte“. Die Teenamen sind ähnlich hübsch, da gibt es unter anderem ­Hibiscus Blend, China Green Tips, Mint Blent.

Und auch die Qualität ist ansprechend: Lose Blätter fair gehandelten Tees in vernünftigen Beuteln, geliefert vom Tochterunternehmen Tazo. So weit, so gut. Wer allerdings schon einmal versucht hat, Tee aus Pappbechern zu trinken, das Ganze auf dem Weg zum Zug, merkt, dass da etwas nicht stimmt. Der Pappbecher zu heiß, die Getränkekonsistenz zu dünn, und der Plastikdeckel mit der Saugöffnung versaut den Geschmack. Und genau hier wird sich Starbucks etwas einfallen lassen müssen, wenn die Teevolution ein Erfolg werden soll. Es ist einfach so: Tee braucht mehr Zeit und Raum als Kaffee, um sein Aroma zu entfalten.

Aber Starbucks kann nicht anders, als sich zu verändern. Letztlich geht es der Kaffeehauskette wie allen anderen Unternehmen, die eine gewisse Größe erreicht haben und mit dem Kerngeschäft an Wachstumsgrenzen stoßen. Nicht von ungefähr versucht McDonald’s seit einiger Zeit neue Kundenkreise zu erschließen — passenderweise mit Kaffee. Was für Starbucks spricht: 41 Jahre nach seiner Gründung ist die Popularität ungebrochen hoch. Vor allem in Asien strömen die Kunden in die Filialen. In China wurde bereits der 700. Laden eröffnet.

Und vielleicht startet genau dort die Teevolution. Schon vor der Teavana-Übernahme hatte Starbucks-Chef Schultz beiläufig bemerkt, er spiele mit dem Gedanken, „Tazo-Teeläden in China“ zu eröffnen. Unter welchem Label auch immer, ob mit „Coffee“ im Logo und Angebot oder ohne — Starbucks probiert’s.

Mehr im Börsenblog "Blümel staunt"

Investor-Info

Starbucks
Wachstum mit Tein-Schub
Die Reaktion auf die Starbucks-Teepläne ist eher verhalten. Für das Kerngeschäft mit den Espressogetränken scheint man von allmählich schrumpfendem Wachstum auszugehen. Die Ergänzung der Angebotspalette scheint da nur logisch. Positiv stimmt die ungebrochene Wachstumsdynamik in Asien, wo ein Laden nach dem anderen eröffnet wird. Außerdem scheint dies der ideale Markt, um das Geschäft mit Tee in Gang zu bringen. Spekulativ.
ISIN: US8552441094

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