Volkswagen-Aktie dennoch im Plus: VW unterliegt in 'Dieselgate'-Streit vor US-Berufungsgericht
Volkswagen muss in der "Dieselgate"-Affäre weitere empfindliche Bußgelder in den USA fürchten.
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Ein Berufungsgericht entschied am Montag (Ortszeit), dass trotz bereits geschlossener Vergleiche zusätzliche Strafen zweier Bezirke der Bundesstaaten Florida und Utah zulässig seien. Obwohl VW wegen Dieselautos mit manipulierter Abgastechnik bereits für Verstöße gegen das landesweite US-Luftreinhaltegesetz "Clean Air Act" zur Rechenschaft gezogen wurde, dürfen regionale Behörden demnach weiter Sanktionen verhängen. Das könnte die Tür für erneute hohe Strafzahlungen öffnen.
Die Richter erklärten, sie seien sich im Klaren darüber, dass ihre Entscheidung zu "atemberaubenden Belastungen" führen könne. VW wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass das Gericht mit seiner Linie im Konflikt zu anderer US-Rechtsprechung stehe. Das Unternehmen kündigte an, sich energisch verteidigen und den Fall notfalls bis zum Obersten US-Gerichtshof bringen zu wollen. VW hatte im September 2015 Abgasmanipulationen in großem Stil eingeräumt. Für den Skandal verbuchte der Konzern bereits Kosten in Höhe von 31,3 Milliarden Euro - der größte Teil davon entfiel auf Strafen und Entschädigungen in den USA.
Volkswagen war in der "Dieselgate"-Affäre wegen umweltrechtlicher Verstöße von den Bezirken Salt Lake County in Utah und Hillsborough County in Florida verklagt worden. Sollte der Richterspruch letztlich rechtskräftig werden, könnten die Bezirke theoretisch Schadenersatz in Milliardenhöhe von dem Autohersteller fordern. Laut US-Richter Charles Breyer, der 2018 in erster Instanz zugunsten von VW entschieden hatte, könnten sich die Belastungen für das Unternehmen auf Basis der regionalen Bußgeldkataloge in den beiden Bezirken potenziell auf bis zu 11,2 Milliarden Dollar pro Jahr belaufen.
Die VW-Vorzugsaktie zeigte sich nicht nennenswert unter Druck durch den drohenden neuen Rechtsärger. Im Gegenteil, das Papier legte am Dienstagmittag mit dem starken europäischen Autosektor um über 6 Prozent auf 140,70 Euro zu. Bei den Werten aus der vom Coronavirus geplagten Autoindustrie setzen Anleger auf spürbare Besserung, weil sie dank der internationalen Lockerungen und staatlicher Fördermaßnahmen auf eine sich erholende Konjunktur hoffen. Ebenso spekulieren Investoren derzeit wohl auch auf eine neue Autokaufprämie als Teil eines Konjunkturpakets, das die Spitzen der schwarz-roten Koalition an diesem Dienstag zur Bewältigung der Corona-Krise beschließen wollen.
Die US-Klagen beziehen sich nicht nur auf die US-Tochterfirma der Marke VW, sondern auch auf die der zum Konzern gehörenden Hersteller AUDI und Porsche, bei denen ebenfalls mit Hilfe einer speziellen Abschalteinrichtung ("Defeat Device") gezielt Abgaswerte manipuliert wurden, damit sie auf dem Prüfstand niedrig erschienen. Zudem befindet sich unter den von den US-Bezirken Beschuldigten der deutsche Zulieferer Bosch, der die Manipulationssoftware geliefert haben soll und sich ebenfalls schon mit US-Klägern auf teure Vergleiche geeinigt hatte.
Für VW galt die Abgasaffäre in den USA - abgesehen von einem anhaltenden Konflikt mit der Börsenaufsicht SEC - eigentlich längst als abgehakt. Der Konzern gab dort vor Gericht ein Schuldgeständnis ab und wurde nicht nur zivilrechtlich mit enormen Sanktionen belegt, sondern zahlte auch eine Milliardenstrafe wegen strafrechtlicher Vergehen. Gegen mehrere mutmaßlich Verantwortliche - darunter Ex-Konzernchef Martin Winterkorn - liegen Strafanzeigen und Haftbefehle der US-Justizbehörden vor. Zwei frühere VW-Mitarbeiter wurden bereits zu jahrelangen Haft- und hohen Geldstrafen verurteilt.
Für den Wolfsburger Konzern ist das Problem "Diesel" auch nach fast fünf Jahren noch immer nicht abgeschlossen. Kürzlich erst hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe erstmals in höchstrichterlicher Instanz entschieden, dass VW die strittige Abgastechnik sittenwidrig in seinen Fahrzeugen verbaut hatte und die Käufer auch in Deutschland Schadenersatz einfordern können. Das Urteil ist wegweisend für viele Tausend noch laufende Einzelklagen. Nach VW-Angaben sind bundesweit noch rund 60 000 Verfahren offen.
Zuvor hatte VW einen Vergleich im Rahmen einer großen Musterfeststellungsklage mit rund 240 000 Diesel-Besitzern ausgehandelt, wofür rund 750 Millionen Euro fließen sollten. In vielen Einzelverfahren hat das Unternehmen sich bereits mit Kunden außergerichtlich geeinigt.
Außerdem zahlt der Konzern auch für seine wichtigsten Manager. Mit einem Betrag von 9 Millionen Euro wird ein möglicher öffentlicher Prozess um den Vorwurf der Marktmanipulation gegen Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und Vorstandschef Herbert Diess aus dem Weg geräumt. Auch das Verfahren gegen den über den Dieselskandal gestürzten Ex-Konzernchef Winterkorn wackelt.
Allerdings muss sich VW noch in der laufenden Anlegerklage nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) rechtfertigen, in der Investoren wegen des im September 2015 eingebrochenen Aktienkurses auf Wiedergutmachung pochen. Den Vorwurf, die Kapitalmärkte seien zu spät über das finanzielle Ausmaß des in den USA aufgeflogenen Betrugs informiert worden, weist VW zurück.
Die VW-Aktie verteuerte sich via XETRA am Dienstag um 5,74 Prozent auf 140,10 Euro.
/hbr/DP/zb
ANCHORAGE (dpa-AFX)
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