Staatliche Hilfe verboten

Faule Milliarden-Kredite belasten Italiens Banken: Neue Bankenkrise in Europa voraus?

14.07.16 17:30 Uhr

Faule Milliarden-Kredite belasten Italiens Banken: Neue Bankenkrise in Europa voraus? | finanzen.net

Italiens Banken haben ein Problem. Es nennt sich Kapitallücke. Dabei geht es nicht um die sprichwörtlichen "Peanuts", sondern um mehrere hundert Milliarden Euro. Ist das der Anfang einer neuen Bankenkrise in Europa?

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Das Kapitalproblem der italienischen Banken ist gewaltig. Die Experten der deutschen Privatbank Berenberg schätzen die Lücke im italienischen Bankensektor auf 45 Milliarden Euro. Schuld daran ist ein Berg fauler Kredite, auf dem die Geldinstitute nach Jahren der Rezession sitzen. Angeblich türmen sich in den Bilanzen der italienischen Banken Problemdarlehen von insgesamt 360 Milliarden Euro, das sind etwa 20 Prozent aller ausgegebenen Kredite. Nur bei griechischen Banken liegt die Quote noch höher.

IWF und Eurogruppe bewerten Situation völlig unterschiedlich

Der IWF hat Italien bereits vor den Gefahren gewarnt und eine schnelle Sanierung der maroden Geldhäuser gefordert. Das klingt, als müsste sehr dringend eine Lösung her. Als drohten Italiens Finanzinstituten - und womöglich dem ganzen europäischen Bankensektor - schon bald noch größere Schwierigkeiten.

Ganz anders schätzt Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem die Situation derzeit ein: "Es ist keine akute Krise." Deshalb gebe es "Zeit, die Dinge zu regeln", so Dijsselbloem weiter. Auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble will erst einmal die Ergebnisse eines Stresstests der Institute abwarten. Dieser wird von der Europäischen Zentralbank durchgeführt und die Ergebnisse werden in der zweiten Juli-Hälfte erwartet.

Problemdarlehen in den Bankbilanzen zu hoch bewertet

Ob akute Bankenkrise oder nicht - wie die Milliardenlücken in den Bilanzen der italienischen Banken zu stopfen sind, weiß im Moment niemand. Besonders problematisch ist, dass die Darlehen in Höhe von 360 Milliarden Euro falsch bilanziert sind.

Laut Berenberg liegt der Marktwert der notleidenden Kredite bei 18 bis 20 Prozent ihres ursprünglichen Wertes - in den Bilanzen von UniCredit, Monte dei Paschi und Co. stehen sie jedoch mit 40 Prozent und mehr.

EZB mahnte bereits MPS ab

Am Schlimmsten betroffen ist die Traditionsbank Monte dei Paschi di Siena (MPS). Die Europäische Zentralbank (EZB) ermahnte MPS bereits, dringend ihre faulen Kredite abzubauen. Die Forderung: Bis 2018 sollen sie auf 32,6 Milliarden Euro von derzeit 46,9 Milliarden zurückgeführt werden.

Seit der Finanzkrise vor acht Jahren steckt das 1472 gegründete Geldhaus in einer tiefen Krise. Mehrere Kapitalerhöhungen und Rettungsaktionen durch den Staat halfen bisher nicht, die Sorgen der - laut eigenen Angaben - "ältesten Bank der Welt" dauerhaft zu vertreiben: Der MPS-Aktienkurs stürzte in den vergangenen Jahren drastisch ab. Kurz vor der Finanzkrise kostete ein Anteilsschein von Monte dei Paschi rund 80 Euro, inzwischen zahlen Anleger für eine MPS-Aktie weniger als 0,50 Euro.

EU-Bankenrichtlinie verbietet staatliche Hilfen

Nein, wie das Problem der faulen Kredite in Italiens Bankenbranche zu lösen ist, ist derzeit nicht klar. Geht es nach dem IWF, dann scheint aber sicher, dass die Banken ihre notleidenden Kredite nicht ohne fremde Hilfe aus ihren Bilanzen kriegen. In einem am Dienstag präsentierten Länderbericht zu Italien mahnt der IWF "geeignete" Aktivitäten an, um das marode Bankensystem zu sanieren. Aus eigener Kraft würden die angeschlagenen Geldhäuser es nicht schaffen, es seien "zusätzliche Maßnahmen nötig", heißt es dort.

Dijsselbloem steht der Einschätzung des IWF auch in diesem Punkt konträr gegenüber. Der Eurogruppen-Chef lehnt ein neues Bankenrettungsprogramm ab: "Die Probleme müssen in den Banken geregelt werden." Die Einfachheit, mit der einige Banker mehr öffentliche Gelder forderten, um ihre Probleme zu lösen, sei problematisch. "Das muss ein Ende haben."

Damit vertritt Dijsselbloem die Interessen der Europäischen Union, die sich nach der Finanzkrise von 2008 eine neue Bankenrichtlinie verordnet hat. Laut dieser dürfen staatliche Hilfen erst dann fließen, wenn zunächst private Eigentümer und Gläubiger der Banken für acht Prozent der Verpflichtungen aufgekommen sind. Damit soll verhindert werden, dass immer wieder ausschließlich das Geld von Steuerzahlern für die Rettung von Banken aufgewendet wird.

Italiens Banken läuft die Zeit davon

Beide Positionen sind verständlich, sowohl IWF als auch Dijsselbloem haben gewichtige Gründe für ihre Haltung. Das Problem allerdings bleibt: Mehrere hundert Milliarden Euro belasten die Bilanzen italienischer Geldhäuser. Und der Faktor Zeit spielt nun eine immer größere Rolle.

Auch darauf weist der IWF in seinem Länderbericht zu Italien hin: In diesem Jahr werde die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone nicht einmal die erwartete Wachstumsrate von 1,1 Prozent erreichen, sondern unter einem Prozent bleiben. Für 2017 reduzierte der IWF seine Erwartungen ebenfalls von bislang 1,3 auf "etwa ein Prozent".

Die logische Folge: Eine schwächere Wirtschaftsentwicklung und eine höhere Arbeitslosigkeit steigern die Wahrscheinlichkeit, dass wackelige Kredite nicht zurückgezahlt werden (können).

Italiens Banken - Gefahr für ganz Europa?

Italien muss das Bankenproblem in den Griff bekommen, sonst droht Ansteckungsgefahr, das macht eine Studie der Barclays Bank klar. Dort heißt es: Die Situation der Finanzbranche wird "in fast allen EU-Ländern" noch dramatischer. David Folkerts-Landau, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, rechnet damit, dass 150 Milliarden Euro frisches Kapital notwendig sind, um die Banken in Europa zu stabilisieren.

Es gilt nun, die Märkte zu beruhigen. Deshalb sprach der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi vergangene Woche davon, dass "die Probleme der einen oder anderen Bank einfach zu lösen" seien. Einfach? Ende Juli veröffentlicht die EZB die von Schäuble sehnlichst erwarteten Stresstests. Diese dürften die Tragweite des Bankproblems in Italien offenlegen.

Doch bereits jetzt bahnt sich - wie so oft in scheinbar ausweglosen Situationen - ein Deal an: Angeblich hat die EU-Kommission Italiens Regierung signalisiert, dass nach den EZB-Stresstests Kapitalhilfen möglich sind. Das berichtet die "Financial Times". Bedingung: Die Kapitalhilfen dürfen nicht gegen die EU-Vorgaben zu Staatsbeihilfen verstoßen und zumindest ein Teil der Bankinvestoren muss sich finanziell an der Rettungsaktion beteiligen. Klingt nach einem Kompromiss, möglicherweise wird es ein fauler Kompromiss.



Von Markus Gentner/Redaktion finanzen.at

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