Siemens Energy-Aktie leidet unter Windkrafttochter Gamesa
Der Windanlagenbauer Siemens Gamesa bleibt das Sorgenkind des Energietechnikkonzerns Siemens Energy.
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Die in Spanien beheimatete Tochter kämpft weiter mit Lieferkettenproblemen, explodierenden Kosten, Projektverzögerungen und Mängeln ihrer neuen Landturbine und musste deswegen gleich zu Beginn des neuen Geschäftsjahres den Ausblick senken. Auch Siemens Energy kann deswegen die Prognose nicht halten und stellt sogar die Mittelfristziele infrage. Was beim Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.
LAGE BEI SIEMENS ENERGY:
Es ist nicht das erste Mal, dass Siemens Gamesa enttäuscht und Siemens Energy damit nach unten zieht. Zuletzt hatte die Windturbinentochter im vergangenen Sommer die Ziele erheblich gesenkt - die Probleme waren dabei fast dieselben. Energy-Chef Christian Bruch hatte schon damals die Führung um Konzernchef Andreas Nauen angezählt und unter anderem moniert, dass das Management die Probleme nicht schneller in den Griff bekomme.
Damit zeigt sich eine Schwäche im Konstrukt von Siemens Energy: Das Unternehmen kann bei der spanischen Tochter nicht durchregieren. Gamesa ist selbst unabhängig und an der Börse in Madrid notiert - Energy hält mit 67 Prozent zwar die Mehrheit, kann aber nur über den Aufsichtsrat einwirken. Seit der Entstehung von Siemens Energy, einer Abspaltung der Energiegeschäfte des Technologiekonzerns Siemens, wird daher über eine Komplettübernahme von Gamesa spekuliert.
Bislang hat Bruch immer wieder darauf verwiesen, dass dies auf der "Prioritätenliste nicht ganz oben" stünde. Doch das könnte sich mit der erneuten Gewinnwarnung nun womöglich ändern. Den Spekulationen gab diese in jedem Fall neuen Auftrieb. Eine Übernahme dürfte jedoch teuer werden: Kommt die Windkrafttochter trotz einen Kursrutsches nach der Gewinnwarnung immer noch auf eine Marktkapitalisierung von insgesamt rund 13 Milliarden Euro, der Streubesitz auf etwas mehr als vier Milliarden Euro.
Auch Gamesa-Chef Nauen gerät immer stärker unter Druck. Er hatte erst vor eineinhalb Jahren den glücklosen Markus Tacke abgelöst, der die Probleme trotz eines Restrukturierungsprogramms nicht in den Griff bekam und gehen musste. Zwar schnürte Nauen ein neues Maßnahmenpaket, um den Windanlagenbauer auf Vordermann zu bringen, musste aber bislang fast nahtlos an die Tradition der Gewinnwarnungen seines Vorgängers anknüpfen. Zwar belasten auch äußere Faktoren - die Probleme in der Lieferkette sowie die höheren Kosten treffen auch andere Windradbauer - doch halten die internen Probleme an. Neben der technischen Mängel an der neuen Landturbine sind dies etwa auch feste Verträge, die zu Lasten von Gamesa gehen.
Das alles belastet auch Siemens Energy: Durch die Probleme bei Gamesa fielen die Erstquartalszahlen (per Ende Dezember) deutlich schlechter aus als von Analysten zuvor geschätzt. Dabei habe sich das Energietechnikgeschäft Gas and Power "sehr solide" entwickelt, hieß es von Energy. Die Prognose der Sparte für das laufende Jahr wurde bestätigt.
Energy erwartet jedoch für den Gesamtkonzern für 2021/22 nur noch eine vergleichbare Umsatzentwicklung von minus zwei bis plus drei Prozent anstatt der bisherigen Bandbreite von minus einem bis plus drei Prozent. Ausgeklammert sind dabei Währungseffekte sowie Zu- und Verkäufe. Die bereinigte Ebita-Marge soll nun weniger deutlich wachsen als geplant. Und auch die Mittelfristprognose für 2023 steht auf dem Prüfstand.
Weitere Details will Siemens Energy am 9. Februar veröffentlichen. Zuvor nennt Siemens Gamesa am 3. Februar weitere Einzelheiten, auch über weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des Onshore-Geschäfts sowie über das Verfahren bei der neuen Landturbine 5X.
DAS SAGEN ANALYSTEN:
Auch Analysten verlieren langsam die Geduld. Zu lange hätten die Probleme bei der Tochter Gamesa die starken Fortschritte im übrigen Portfolio des Energietechnikkonzerns überschattet, kritisierte etwa Deutsche-Bank-Analyst Gael de-Bray. Er erwartet, dass "in Kürze" einige radikale Änderungen an der Konzernstruktur vorgenommen werden würden, um den Wert der Aktiva besser herauszuarbeiten und das Bewertungsproblem zu lösen.
Die Gamesa-Warnung zeige, dass die positive Wende im Windgeschäft an Land den Erwartungen noch hinterher hinke. Dagegen halte die Sparte Gas and Power des Energietechnikkonzerns mit einer anhaltend starken kommerziellen Dynamik sowie unerwartet hohen Margen und Cashflows ihre Versprechen ein.
Nach drei Jahren im roten Bereich und drei Gewinnwarnungen hintereinander habe die Mehrheit der Investoren bei Gamesa kapituliert. Der Analyst sieht jedoch weiterhin im Offshore- und Service-Segment viel Potenzial für Wertsteigerungen. Bis das Vertrauen wieder hergestellt sei, werde es aber dauern.
Vom Analysehaus Oddo BHF hieß es, diese Gewinnwarnung von Gamesa sei nun eine zu viel. Trotz einer guten Geschäftsentwicklung der Sparte Gas and Power sei der Energietechnikkonzern nach der Gewinnwarnung von Gamesa ebenfalls gezwungen, seine Geschäftsjahresziele zu kappen, so Analystin Delphine Brault, die die ihrer Ansicht nach mangelhafte Berechenbarkeit der Geschäftsentwicklung kritisierte.
Die Windkraftbranche sei derzeit "nicht investierbar", notierte JPMorgan-Analyst Akash Gupta mit Blick auf die hohen Kosten und die damit verbundenen Unsicherheiten. Nach einem voraussichtlich dritten operativen Verlustjahr in Folge bei Gamesa richte sich der Blick zudem immer stärker auf die Bilanz des Unternehmens. Sein Kollege Andreas Willi forderte mit Blick auf Siemens Energy, dass sich bei dem Energietechnikhersteller etwas ändern müsse.
Der JPMorgan-Experte Willi beließ seine Einstufung für die Siemens-Energy-Aktie nach der Gewinnwarnung auf "Neutral" mit einem Kursziel von 28 Euro. Beim Blick auf die Aktie ist der Großteil der Experten noch optimistisch. Sechs der acht von dpa-AFX erfassten Experten, die sich seit der Gewinnwarnung geäußert haben, empfehlen das Papier weiter zum Kauf. Nur einer rät zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei knapp 28 Euro und damit rund 40 Prozent über dem aktuellen Niveau.
DAS MACHT DIE AKTIE:
Die neuerliche Gewinnwarnung ist dem Aktienkurs nicht gut bekommen, das Siemens-Energy-Papier fiel infolge der schlechten Nachrichten von mehr als 22 Euro auf ein Rekordtief von weniger als 18 Euro. Dabei war die Aktie seit der Gewinnwarnung im vergangenen Sommer ohnehin eher mau gelaufen und hatte sich zwischen 21 und etwas mehr als 25 Euro bewegt.
Von den Anfang des vergangenen Jahres erreichten Höhen von 34 Euro ist das Papier damit weit entfernt. Und auch seit der jüngsten Erholung auf 20 Euro liegt der Kurs weiter unter dem Niveau des Börsendebüts aus dem September 2020 von rund 22 Euro.
Derzeit kommt der Konzern auf eine Marktkapitalisierung von fast 15 Milliarden Euro - und damit etwas mehr als Siemens Gamesa. Im laufenden Jahr kommt Energy damit auf ein Kursminus von rund 12 Prozent, in den vergangenen zwölf Monaten verlor das Papier mehr als ein Drittel. Damit war die Aktie in diesem Zeitraum nach Delivery Hero der zweitschwächste Wert im deutschen Leitindex DAX, in dem die Aktie seit knapp einem Jahr gelistet ist.
Auch die Papiere der in Madrid notierten Gamesa haben in diesem Jahr erheblich an Wert eingebüßt. Nach einem rasanten Höhenflug des Papiers in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 ist die Aktie wieder deutlich gesunken. Seit dem Rekordhoch von 39,35 Euro Anfang 2021 ging es dann um mehr als die Hälfte nach unten.
Siemens hält nach dem Spin-off noch 35 Prozent der Anteile von Siemens Energy. Weitere Aktien liegen beim Siemens Pensionsfonds, der im vergangenen Jahr seine Beteiligung von knapp 10 Prozent auf unter 5 Prozent gesenkt hat. Siemens hatte zuvor bereits angekündigt, die Beteiligung weiter reduzieren zu wollen, jedoch "nicht unter Buchwert", wie Siemens-Chef Roland Busch im November betonte. Dieser lag Ende September bei knapp 6,4 Milliarden Euro - also rund 25 Euro je Aktie.
/nas/jcf/zb
MÜNCHEN (dpa-AFX)
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