Verluste über alle Anlageklassen hinweg: Könnten die Börsen geschlossen werden?
Die Angst vor den wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus gepaart mit dem aktuellen Ölpreisstreit hat die Finanzmärkte in enorme Turbulenzen gebracht. Während immer mehr Länder umfangreiche Einschränkungen für Bürger beschließen, fordern Beobachter, auch den Börsenhandel komplett auszusetzen.
• Coronavirus sorgt für massive Verluste an den Aktienmärkten
• Philippinische Börse bleibt zunächst geschlossen
• Wird es auch in Deutschland zu einer Schließung der Börsen kommen?
In den USA kam sie in den vergangenen Handelstagen bereits drei Mal zum Einsatz: Die Limit Down-Regel. Wenn der S&P 500 mehr als sieben Prozent verliert, wird der Handel für 15 Minuten unterbrochen. Geht es danach bis auf 13 Prozent abwärts, folgt erneut eine viertelstündige Pause, bei minus 20 Prozent ist Schluss für den kompletten Handelstag. Doch geholfen hat es nicht: Die Märkte stürzen seit Tagen immer weiter ab, am Montag ging es in den USA sogar zweistellig nach unten.
Auch die Deutsche Börse kann den Handel unterbrechen, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. In der aktuellen Krise hat der Börsenbetreiber dieses Instrument allerdings noch nicht genutzt, auch wenn entsprechende Maßnahmen beim Börsenbetreiber offenbar diskutiert wurden.
Kommt es zur kompletten Börsenschließung?
Inzwischen werden die Einschränkungen für Bürger in vielen Ländern immer strikter: Viele Unternehmen haben ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt; Läden, die nicht zur Versorgung der Menschen dienen, werden geschlossen; Schulen und Kindergärten dürfen nicht mehr besucht werden. All das mit dem Ziel, größere Menschenansammlungen zu verhindern und so die unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen.
Vor diesem Hintergrund gibt es erste Stimmen, die auch für die Finanzmärkte einen Shutdown fordern. Ein erster Börsenbetreiber hat inzwischen bereits reagiert: Die philippinische Börse wird ab Dienstag für unbestimmte Zeit geschlossen bleiben, der Handel mit Anleihen und Devisen ist ebenfalls ausgesetzt. Die Behörden begründeten den Schritt mit Risiken für die Sicherheit der Händler. Offiziell sind also nicht die massiven Kurseinbrüche sowie die starken Schwankungen am Finanzmarkt der Grund für den Shutdown der Börse in Manila, dennoch fürchten Beobachter, dass der Schritt der philippinischen Behörden eine Kettenreaktion auslösen könnte. "Angesichts der beispiellosen Geschwindigkeit des Einbruchs der Aktienkurse wurde vorgeschlagen, dass die Börsen bald geschlossen werden könnten, wenn sich das Blatt nicht wendet", erklärte unter anderem das Analystenhaus Capital Economics am Dienstag.
Deutsche Börse und SEC winken noch ab
Hierzulande hat sich der Börsenbetreiber Deutsche Börse bislang aber gegen eine Aussetzung des Handels ausgesprochen. Von einem Sprecher war zu hören, dass starke Kursbewegungen und Unsicherheiten an den Märkten kein Grund für eine Handelsaussetzung seien. Vielmehr seien gerade in turbulenten Zeiten eine transparente und faire Preisbildung erforderlich, wie sie an Börsen stattfindet. "Gerade in Zeiten hoher makroökonomischer Unsicherheit ist es wichtig, dass Börsen geöffnet sind, damit Marktteilnehmer in der Lage sind, ihre Risiken zu steuern", hieß es von offizieller Seite weiter.
Und auch in den USA spricht man sich bislang gegen eine komplette Schließung der Wall Street aus, wenn auch zahlreiche Händler zwischenzeitlich ins Homeoffice gewechselt sind. "Die Märkte sollten auch in Zeiten wie diesen weiter funktionieren", betonte SEC-Chef Jay Clayton gegenüber dem US-Fernsehsender CNBC.
Was passiert, wenn die Börsen schließen?
Für Deutschland gibt es für den Fall, dass sich die Börsenbetreiber für eine Schließung der Börsen entscheiden, konkrete Regelungen. An der Deutschen Börse dürfte der Handel auch nach dem Aus in Frankfurt weitergehen. Ein Sprecher der Deutschen Börse erklärt gegenüber dem Anlegermagazin "Der Aktionär": "Handelsteilnehmer können dann auch außerhalb der zugelassenen Lokationen am Börsenhandel in Frankfurt teilnehmen. Die Handelsteilnehmer müssen darüber die Börsen-Geschäftsführung informieren". Auch die Börsen Berlin und Stuttgart werden wohl auf automatisierten Handel setzen. Ähnliche Töne sind auch von der Börse Düsseldorf zu hören, wo der Handel ebenfalls vorrangig computergestützt abläuft - genauso wie in München.
Experte spricht sich für Börsenschließung aus
Als Vorsichtsmaßnahme für den Schutz der Makler und Trader müssten die Börsen hierzulande also wohl nicht geschlossen werden. Doch wie sieht es aus, wenn die Turbulenzen an den Finanzmärkten anhalten und die Märkte ihre Talfahrt fortsetzen? "Wenn die Börsen weiter tauchen, dann besteht ein erhebliches Risiko, dass die Finanzmärkte geschlossen werden. Die Fed und die anderen Zentralbanken haben ihre ganze Munition verfeuert. Jetzt sind sie ausgeschossen", erklärt etwa Jim Bianco, Gründer und Chefstratege von Bianco Research, im Interview mit "The Market". Der Experte spricht sich für eine Aussetzung des Handelsgeschehens aus: "Inzwischen sind fast alle anderen wirtschaftlichen Aktivitäten gestoppt. Weshalb also nicht auch die Finanzmärkte schliessen? In dieser Zeit könnten wir uns ein besseres Bild darüber machen, welchen Schaden die Pandemie in der Wirtschaft anrichten wird. Lässt sich das Ausmass ungefähr abschätzen, können die Märkte wieder öffnen und den Preis von Vermögenswerten adäquat eruieren", so Bianco weiter.
Historisch gesehen gab es bereits einige Extrem-Ereignisse, die für eine komplette Handelsaussetzung gesorgt haben. Vier Mal ist dies an der Wall Street passiert: 1914, nachdem der Erste Weltkrieg ausgebrochen war, dann 1933 während der Bankenschließung und nochmals 1963 nach dem Tod von US-Präsident Kennedy. Die vorerst letzte Handelsaussetzung gab es am 11. September 2001, als die Wall Steet nach den Terroranschlägen gar nicht erst öffnete.
Redaktion finanzen.net
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