Schwache Unternehmenszahlen

Goldman Sachs-Experte erwartet schwierige Börsenmonate: "Der Aktienmarkt wird sich 2023 kaum noch bewegen"

03.03.23 23:32 Uhr

Goldman Sachs-Experte erwartet schwierige Börsenmonate: "Der Aktienmarkt wird sich 2023 kaum noch bewegen" | finanzen.net

Der furiose Start in das Börsenjahr 2023 erwischte den ein oder anderen Anleger auf dem falschen Fuß. Der abnehmende Inflationsdruck, das sich anbahnende Ende des Zinserhöhungszyklus, die Öffnung Chinas nach dem Ende der No-COVID-Politik - all dies lässt immer mehr Investoren auf weitere Kurssprünge hoffen. Doch Goldman Sachs-Stratege David Kostin warnt vor übertriebenem Optimismus und mahnt zur Vorsicht.

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• Starker Start ins neue Börsenjahr kam für Kostin überraschend
• Kostin passt S&P 500-Ziel nach oben an, sieht jedoch kein Kurspotenzial
• Kostin: Entscheidend werden Unternehmenszahlen sein - und die dürften schwächeln



David Kostin, Chefstratege für US-Aktien bei der US-Traditionsbank Goldman Sachs, gibt zu, dass er durch den starken Start ins neue Börsenjahr 2023 überrascht worden ist. Angesichts der weiterhin unsicheren makroökonomischen Lage hält er die aktuellen Aktienkurse jedoch für überbewertet, er erwartet kurz- bis mittelfristig kein Kurspotenzial. Was macht ihn so skeptisch? Und welches S&P 500-Niveau erwartet er Ende 2023?

Kostin schraubt Kursziel für S&P 500 nach oben

Wie die jüngsten Statistiken zur Teuerungsrate zeigen, ist der Inflationsdruck in Europa und besonders in den USA inzwischen von einer rückläufigen Tendenz geprägt. Dies wiederum erhöht allgemein den Spielraum der Notenbanken, ein Ende des Zinsstraffungszyklus einzuläuten. Zwar werden die Fed und insbesondere auch die EZB die Leitzinsen womöglich auch bei den kommenden Sitzungen jeweils leicht erhöhen, jedoch dürfte es vorerst zu keinen "Turbo-Zinsschritten" von 75 Basispunkten mehr kommen. Ungefähr zur Mitte dieses Jahres dürften die meisten Zentralbanken die Zinssteigerungen pausieren und ab 2024 rechnen Marktteilnehmer bei entsprechender Abnahme des Inflationsdrucks wieder mit kontinuierlichen Zinssenkungen. Auch der US-Arbeitsmarkt zeigte sich zuletzt erstaunlich robust, die amerikanische Arbeitslosenrate fiel im Januar sogar auf den tiefsten Stand seit 53 Jahren. Die Anleger scheinen sichtlich aufzuatmen und bestücken ihre Depots wieder munter mit Aktien.

Doch wenn David Kostin mit seiner Prognose recht behält, dann dürfte 2023 schon die meisten Kursgewinne gesehen haben. Auch wenn Kostin sein Kursziel für den S&P 500 bis Ende dieses Jahres von 3.600 auf 4.000 Punkte hochschraubte, so liegt auch der neue Wert nur minimal über dem aktuellen Stand von 3.981,35 Punkten (Stand: Schlusskurs vom 2. März 2023). Größere Chancen sieht Kostin derweil in europäischen und asiatischen Aktien.

"Weiche Landung der US-Wirtschaft bereits eingepreist"

Kostin sieht kein Steigerungspotenzial für US-Aktien in diesem Jahr mehr, weil sich die beste aller Welten bereits in den Kursen widerspiegele. "Eine sanfte Landung - und tatsächlich ein über dem Trend liegendes Wachstum - ist in den US-Aktien bereits eingepreist. Die Bewertungen sind im historischen Vergleich hoch und werden durch einen eventuellen Zinsanstieg eingeschränkt", zitiert Yahoo Finance aus seiner Mitteilung.

Die Ansicht, dass die US-Börsen eine nahezu perfekte weitere wirtschaftliche Entwicklung vorwegnehmen, ist unter Finanzmarktexperten aktuell weit verbreitet. So sehen auch die Morgan Stanley-Strategen in der jüngsten Aufwärtsentwicklung eine klassische "Bärenmarktfalle" und rechnen mit einem baldigen Börsenabschwung.

Ähnlich äußerte sich auch Wei Li, Global Chief Investment Strategin bei BlackRock, auf Yahoo Finance Live. Sie sieht das aktuelle Kursniveau sehr skeptisch: "Wenn wir uns die bisherigen Marktpreise in diesem Jahr ansehen, so ist nicht einmal eine sanfte Landung eingepreist. Der Markt preist vielmehr einen breiten Konjunkturaufschwung ein. Der Markt preist ein, dass die Inflation zurückgeht. Die Anleger preisen hohes Wachstum ein, demnach eine Rezession ganz zu vermeiden ist. Sie preisen auch ein, dass die Zentralbanken ab Mitte des Jahres die Zinsen senken. Die Märkte sind also wirklich für Perfektion eingepreist", so Wei Li. Deshalb gebe es großes negatives Überraschungspotenzial und Wei Li sieht keinen Raum für weitere Kurssteigerungen.

Kostin: Schwache Unternehmensentwicklung begrenzt Kurspotenzial an den Börsen

Letztlich stehe und falle an den Aktienmärkten alles mit der fundamentalen Entwicklung der Unternehmen, so Kostin. Und diese sei derzeit von einer schwachen Tendenz gekennzeichnet: "Selbst wenn eine Rezession vermieden wird, ist es unwahrscheinlich, dass die Gewinne im Jahr 2023 wesentlich wachsen", prognostiziert Kostin. Tatsächlich musste "Corporate America" im vierten Quartal 2022 auf Jahressicht einen Gewinnrückgang verkraften. Laut FactSet liegt die Gewinnverringerung bei 5,8 Prozent. Damit ist die Ertragslage der US-Unternehmen zum ersten Mal seit dem dritten Quartal 2020 rückläufig gewesen. Kostin erwartet für das Jahr 2023 insgesamt eine Gewinnsituation wie im letzten Jahr - weder werde "Corporate America" wachsen, noch werde sich die Ertragslage auf Jahressicht fundamental verschlechtern. 2024 werden die Gewinne der US-Unternehmen seiner Einschätzung nach um 5 Prozent wachsen - dies liegt deutlich unter der aktuellen Konsensschätzung von 12 Prozent. "Nach unseren Gesprächen sind sich die Aktienanleger weitgehend bewusst, dass die Konsensschätzungen zu hoch sind", erklärt Kostin seinen Pessimismus gegenüber BusinessInsider.

Tatsächlich enttäuschten die letzten Quartalszahlen von Börsenschwergewichten wie Amazon und Apple, die überdies vor einer weiteren schwachen Gewinnentwicklung im neuen Jahr warnten. Auf eine Konjunkturabkühlung deuten auch die massiven Stellenstreichungen vieler in den letzten Jahren rasant gestiegenen Tech-Firmen hin.

Redaktion finanzen.net

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