Bayer-Aktie mit kleinem Plus: Bayer verbucht Milliardenverlust - Bayer-CEO optimistisch für Glyphosat-Vergleich
Bayer hat wegen eines schwierigen Agrargeschäfts auch im dritten Quartal einen Milliardenverlust erlitten.
Damit verfehlte der Agrarchemie- und Pharmakonzern sogar die zuletzt gesunkenen Erwartungen von Analysten. Bayer-Chef Werner Baumann bestätigte am Dienstag in Leverkusen zwar die Prognose für das Gesamtjahr, klammerte jedoch negative Währungseffekte aus, die den Konzern vor allem im Agrargeschäft belasten. Zudem lässt eine endgültige Lösung im Fall Glyphosat weiter auf sich warten.
Die Bayer-Aktie war gegen Mittag mit einem Minus von 0,71 Prozent auf 41,51 Euro der einzige Verlierer im deutschen Leitindex Dax (DAX 30), der um rund 2 Prozent zulegte. Seit der Bekanntgabe von Übernahmegesprächen mit Monsanto im Mai 2016 haben die Papiere rund 56 Prozent verloren.
Baumann verteidigt den Kauf dennoch weiterhin: "Ich habe eine ganze Menge gesagt, warum wir sehr zuversichtlich für dieses Geschäft sind. Das sind wir immer gewesen, daran hat sich nichts geändert und daran ändert sich ausdrücklich nichts aufgrund der derzeitigen Krise."
Auch wegen Abschreibungen in der Agrarsparte fiel im dritten Quartal unter dem Strich ein Verlust von mehr als 2,7 Milliarden Euro an, wie der Dax-Konzern mitteilte. Vor einem Jahr hatte Bayer noch einen Überschuss von etwas mehr als einer Milliarde Euro erzielt. Wie schon im zweiten Quartal erwies sich vor allem der für 60 Milliarden US-Dollar gekaufte US-Saatgutriese Monsanto als Bremsklotz. Im Vorquartal hatten Milliarden-Rückstellungen für zehntausende Klagen wegen angeblicher Krebsrisiken des Unkrautvernichters Glyphosat von Monsanto für ein dickes Minus gesorgt.
Für mögliche künftige Glyphosat-Klagen rechnet Bayer nun mit höheren Kosten. So hatte der Konzern im Sommer zwar einen groß angelegten Vergleich in der Sache angekündigt; der zuständige Richter Vince Chhabria hatte sich aber am Umgang mit möglichen künftigen Fällen gestört. Bayer verhandelt hier mit der Gegenseite nach und sprach nun von Fortschritten. Baumann hofft, in den nächsten Wochen dem Richter einen neuen Vorschlag vorlegen zu können.
Die Bayer-Führung kann jedoch schon absehen, dass der überarbeitete Vorschlag etwa 2 Milliarden Dollar kosten wird und damit mehr als die ursprünglich erwarteten 1,25 Milliarden Dollar. Was genau an den neuen Vereinbarungen teurer wird und wie Bayer den Richter Chhabria überzeugen will, sagte Baumann nicht.
Das gesamte Vergleichspaket würde den Konzern damit dann rund 11,6 Milliarden Dollar (fast 10 Mrd Euro) kosten, inklusive der bis zu 9,6 Milliarden Dollar für bestehende Klagen. Mit Blick darauf hat der Konzern mittlerweile in 88 500 Fällen eine Vereinbarung erzielt. Ende Juni hatte Bayer von etwa 125 000 eingereichten und nicht eingereichten Klagen berichtet.
Allerdings wird die Zeit nun knapp. Eigentlich hatte Richter Chhabria schon im September zu einer schnellen Einigung gedrängt und gedroht, anderenfalls neue Prozesse anzusetzen. Dies will Bayer nach drei Niederlagen in den ersten drei Glyphosat-Prozessen verhindern.
Aber auch im Tagesgeschäft läuft es bei Bayer holprig. Der Umsatz fiel im dritten Quartal um 13,5 Prozent auf 8,5 Milliarden Euro. Negative Wechselkurseffekte sowie der Kauf und Verkauf von Unternehmensteilen herausgerechnet, lag der Rückgang bei 5,1 Prozent. Das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie vor Sondereffekten sank um mehr als ein Fünftel auf 1,8 Milliarden Euro.
Der Agrarsparte machten vor allem Produkt-Retouren bei Maissaat in den USA zu schaffen, da die Kunden weniger anbauten. Ein Grund dafür war der gesunkene Kraftstoffverbrauch im Zuge der Corona-Krise. Menschen reisen weniger, daher braucht es weniger Biokraftstoffe, die auch aus Mais gewonnen werden. Hinzu kam für Bayer die Belastung durch den schwachen brasilianischen Real, da das Unternehmen viel Saatgut und Pflanzenschutzmittel in Südamerika verkauft. Zudem sind die Leverkusener mit starker Konkurrenz bei Sojasaat konfrontiert.
Neben Gegenwind in der Agrarsparte macht die Corona-Pandemie Bayer auch im Pharmageschäft zu schaffen. Ärzte verschieben teilweise nicht dringend notwendige Behandlungen, und das nagt an den Umsätzen mit Eylea, einem eigentlich stark gefragten Augenmedikament. Hier gingen die Erlöse im dritten Quartal sogar leicht zurück. In China hinterließ das nationale Programm zum Großeinkauf von Medikamenten weitere Spuren. So waren dadurch die Preise für das Diabetesmittel Glucobay und das Antibiotikum Avalox deutlich gesunken. Das für den Konzern wichtigste Medikament, der Gerinnungshemmer Xarelto, schaffte derweil ein deutliches Umsatzplus.
Das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten blieb auf Erholungskurs. Zwar fiel der Umsatz leicht, das lag aber nur an negativen Wechselkurseffekten. Das operative Ergebnis wuchs - Sondereffekte herausgerechnet - auch dank Kostensenkungen deutlich.
An seinem Jahresausblick hält Bayer-Chef Baumann dennoch fest - zumindest vor Wechselkurseffekten. Wenn man Belastungen vor allem durch die schwachen Währungen Lateinamerikas sowie den Kauf und Verkauf von Unternehmensteilen herausrechnet, peilt er für 2020 weiter Umsätze von 43 bis 44 Milliarden Euro an. Das wäre bestenfalls ein Plus von einem Prozent. Dabei wird das Management etwas vorsichtiger für die Agrarsparte und etwas zuversichtlicher für das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten.
Inklusive Wechselkurseffekten rechnet Bayer aber nun nur noch mit einem Umsatz von 41 bis 42 Milliarden Euro. Hier hatten zum Halbjahr noch 42 bis 43 Milliarden auf dem Plan gestanden. Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie vor Sondereinflüssen sollen vom Umsatz weiter 28 Prozent beim Unternehmen hängen bleiben. Auf dieser Basis rechnet Bayer mit einem operativen Ergebnis von rund 12,1 Milliarden Euro.
Um dem Gegenwind zu begegnen, hatte das Management bereits Ende September Einsparungen von mehr als 1,5 Milliarden Euro pro Jahr ab 2024 angekündigt - zusätzlich zu dem Ende 2018 eingeleiteten Programm, das ab 2022 jährlich 2,6 Milliarden Euro bringen soll. Bei letzterem sollen bis Ende des laufenden Jahres 60 Prozent realisiert sein. Zudem erwägt Bayer den Verkauf kleinerer Unternehmensteile.
Details zu den neuen Sparplänen und einem möglichen weiteren Stellenabbau lies sich das Management inde nicht entlocken. Hier liefen noch die Planungen, hieß es lediglich. Bereits im Zuge des aktuellen Stellenabbaus streicht Bayer bis Ende 2021 weltweit 12 000 Jobs, davon 4500 in Deutschland. Dieses Programm ist inzwischen weit fortgeschritten. Insgesamt hat Bayer weltweit derzeit gut 100 000 Mitarbeiter.
So reagiert die Bayer-Aktie
Die schwache Geschäftsentwicklung in Bayers Agrarsparte im dritten Quartal sowie Verzögerungen bei der Lösung der Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten haben am Dienstag die Aktien des Pharma- und Agarchemieunternehmens belastet. Via XETRA gaben sie zunächst ab, konnten dann aber 0,37 Prozent fester bei 41,96 Euro schließen. Der Gesamtmarkt entwickelte sich jedoch deutlich stärker.
Die Kursgewinne vom Wochenstart, als das Papier von der allgemeinen Börsenerholung mitgetragen wurde, gingen somit nur teilweise wieder verloren. Allerdings war der Kurs auch erst am Freitag unter 40 Euro auf den niedrigsten Stand seit neun Jahren abgerutscht. Vom Jahreshoch im Juni belaufen sich die Verluste mittlerweile auf mehr als 40 Prozent.
Durch die Bank äußerten sich Analysten enttäuscht über das abgelaufene Quartal und führten die Schwäche unisono auf die Agarsparte zurück. Während die beiden anderen Bereiche Pharma und rezeptfreie Medikamente trotz teilweise Rückgänge positiv überrascht hätten, seien Umsatz und das operative Ergebnis in der Agarsparte deutlich rückläufig gewesen, schrieb etwa Bernstein-Analyst Gunther Zechmann. "Am schlimmsten traf es die Umsätze in Nordamerika, wo sie um massive 41 Prozent fielen." Wie schon im zweiten Quartal hatte sich vor allem der für 60 Milliarden US-Dollar gekaufte US-Saatgutriese Monsanto erneut als Bremsklotz erwiesen.
Im Pharmageschäft indes verwies Zechmann auf zunehmende Anzeichen einer Erholung von der Corona-Krise. Er nannte das Quartal dieser Sparte "unspektakulär", was jedoch angesichts der aktuellen Lage "keine schlechte Sache" sei. Mit Blick auf die Sparte mit rezeptfreien Medikamenten lobte er die deutlich besser als erwartet ausgefallenen Margen, die die operative Ertragskraft widerspiegeln. Ähnlich äußerte sich auch Jean-Jacques Le Fur von Bryan, Garnier & Co, Keyur Parekh von Goldman Sachs oder auch Richard Vosser von JPMorgan über die drei Sparten.
Den von Bayer unter der Voraussetzung konstanter Wechselkurse bestätigten Ausblick auf das Gesamtjahr 2020 bewerteten die Analysten indes unterschiedlich. Während Goldman-Experte Parekh ihn "ermutigend" nannte, hieß es bei JPMorgan lediglich "wie erwartet". UBS-Experte Michael Leuchten verwies darauf, dass 2020 die Wechselkurse stärker belasten werden und Le Fur von Bryan, Garnier & Co erwartet nun, dass der Konzernumsatz die Markterwartungen nicht wird treffen können.
Bayer habe zwar sein Umsatzziel zwischen 43 und 44 Miliarden Euro bestätigt, doch da der Umsatz vor Wechselkurseffekten beziffert wurde, dürfte er letztlich zwischen 41 und 41,5 Milliarden Euro liegen, schrieb er. Das aber würde bedeuten, dass er "etwa eine Milliarde Euro unter den aktuellen Schätzungen" am Markt herauskommen werde, "was nach neuen abwärtsgerichteten Überarbeitungen ruft".
Im Fokus steht nun noch in Kürze die Telefonkonferenz der Leverkusener zu den Zahlen. Hauptsächlich dürften sich die Fragen am frühen Nachmittag um Einschätzungen zum vierten Quartal drehen und wie Bayer die Geschäftserholung auf dem Weg ins Jahr 2021 einschätze, schrieb Goldman-Analyst Parekh.
Zudem dürften Neuigkeiten zu den Glyphosat-Vergleichen im Zentrum stehen. Zwar wirkten sich aktuell die Verzögerungen hier laut Bernstein-Experte Zechmann wohl negativ auf den Aktienkurs aus. Die bei Bayer nun weiter laufende Lösungssuche nach Vereinbarungen für künftig Prozessierende könnte jedoch bei Investoren neues Vertrauen wecken, dass es endlich zu einer finalen Lösung kommt. Das wiederum könnte den Bayer-Kurs positiv beeinflussen, erwartet auch UBS-Mann Leuchten.
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