BayWa-Aktie deutlich fester: Kräftige Finanzspritze - Besorgte Bauern suchen neue Agrarhändler
Der unter Milliardenschulden ächzende Mischkonzern BayWa wird von Gläubigerbanken und Hauptaktionären mit einer kurzfristigen Finanzspritze von über einer halben Milliarde Euro gestützt.
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Damit soll sichergestellt werden, dass der für Bauern und die Lebensmittelversorgung vor allem im Süden Deutschlands wichtige Mischkonzern liquide bleibt. Wie die BayWa mitteilte, hat das Hilfspaket mehrere Bestandteile, zum Großteil Kredite in Höhe von zusammen knapp 400 Millionen Euro.
Die wichtigsten Gläubigerbanken stellen einen Überbrückungskredit von 272 Millionen Euro zur Verfügung, befristet bis Ende September und mit Verlängerungsoption bis Ende Dezember. Hauptaktionäre der BayWa sind die Beteiligungsgesellschaften der Genossenschaften in Bayern und Österreich: die Bayerische Raiffeisen Beteiligung(BRB) und die Raiffeisen Agrar Invest (RAIG) steuern Gesellschafterdarlehen in Höhe von 125 Millionen Euro bei. Auf der anderen Seite verkauft die BayWa ihren eigenen 45-Prozent-Anteil an der BRB für 120 Millionen an DZ-Bank und die BRB. Hinzu kommen noch der Verkauf von Getreide und eines kleineren Firmenanteils für zusammen 30 Millionen Euro nach Österreich.
Über fünf Milliarden Euro Finanzschulden
Die aus der Genossenschaftsbewegung hervorgegangene BayWa mit ihren weltweit rund 24.000 Mitarbeitern hat kurz- und langfristige Finanzschulden in Höhe von etwa 5,6 Milliarden Euro. Unmittelbarer Auslöser der derzeitigen Krise ist die Kombination von Zinserhöhungen und schwacher Weltkonjunktur. Wegen des schnellen Anstiegs der Kreditzinsen hat sich die Zinsbelastung der BayWa von 2021 bis 2023 auf 362 Millionen Euro verdreifacht. Dieses Jahr fing ebenfalls teuer an: Allein im ersten Quartal dieses Jahres zahlte die BayWa 97 Millionen Euro Kreditzinsen an die Banken.
Langfristige Sanierung steht aus
Kurzfristig ist der BayWa nun aus ihren Finanznöten geholfen, doch das bedeutet keine langfristige Lösung. Mitte September soll die vom Vorstand an Bord geholte Unternehmensberatung Roland Berger ihr Sanierungsgutachten vorlegen. Nicht zu erwarten ist angesichts der Milliardenschulden der Vorschlag, dass bei der BayWa alles so weitergehen soll wie bisher. Aller Voraussicht nach werden die Berater der BayWa empfehlen, Unternehmensanteile zu verkaufen, um wieder auf stabilere Füße zu kommen.
Erblast einer Expansion auf Pump
Die Schulden des SDAX-Konzerns gehen zum Großteil auf die Amtszeit des früheren Vorstandsvorsitzenden Klaus Josef Lutz zurück, der kürzlich im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" die Verantwortung von sich wies. Der Präsident des bayerischen Industrie- und Handelskammertags saß bis zum Frühjahr 2023 auf dem BayWa-Chefsessel. Unter seiner Ägide wandelte sich das einst auf den Agrarhandel beschränkte Unternehmen zu einem weltweit präsenten Mischkonzern.
In 50 Ländern aktiv
Lutz baute einerseits das neue Geschäftsfeld der erneuerbaren Energien auf. Die BayWa r.e. als wichtige Beteiligung plant und heute Solar- und Windparks in etlichen Ländern. Die Gleichzeitig vergrößerte Lutz aber auch das Agrargeschäft ganz erheblich. Da die BayWa mittlerweile in 50 Ländern aktiv ist, würde ein Zusammenbruch rund um den Globus Unruhe am Agrarmarkt auslösen.
Die BayWa kennt nicht jeder, ihre Äpfel aber viele
Auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher, denen der Unternehmensname BayWa kein Begriff ist, kennen Produkte des Unternehmens: In Neuseeland wurde die BayWa unter Lutz' Ägide Mehrheitseignerin des Apfelproduzenten Turners & Growers (T&G), der Plantagen auf allen Kontinenten betreibt und seine Früchte in 60 Länder verkauft. Auch in deutschen Supermarktregalen sind die beiden T&G-Apfelsorten "Envy" und "Jazz" häufig zu finden.
Besorgte Bauern suchen neue Agrarhändler
Die Schuldenkrise beim größten deutschen Agrarhändler BayWa hat in diesem Sommer spürbare Auswirkungen. Etliche besorgte Landwirte vor allem im Süden Deutschlands weichen auf andere Abnehmer für ihre Getreideernte aus. Bei privaten Agrarhändlern gehen in diesem Sommer zahlreiche Anfragen von Landwirten ein, die einen Käufer oder ein Lagerhaus für ihre Ernte suchen. Ähnliches ist aus dem Umfeld der Agrargenossenschaften zu hören.
Bauern suchen andere Käufer für die Ernte
"Die Probleme der BayWa haben Auswirkungen auf die ganze Branche", sagt Michael Osterholzer, Geschäftsführer des gleichnamigen Agrarhandels Osterholzer in der niederbayerischen Gemeinde Massing. "Erstmals haben wir an einem Standort Getreide abgelehnt, weil wir keinen Platz mehr haben. Das liegt aber nicht allein an der BayWa." Denn viele Bauern haben nach wie vor Getreide aus der Ernte 2023 eingelagert.
BayWa mit großem Abstand Marktführer in ihren Kerngebieten
Der Hintergrund: Die aus der Genossenschaftsbewegung hervorgegangene BayWa kauft insbesondere in ihren bayerischen Kerngebieten und in den neuen Bundesländern einen beträchtlichen Teil der Ernte an. Exakte Zahlen gibt es nicht, doch nach grober Schätzung eines führenden Fachmanns könnte der Marktanteil im heimischen Bayern bei etwa 40 Prozent liegen.
Doch das Unternehmen leidet unter drückenden Finanzschulden in Höhe von über fünf Milliarden Euro. Hauptproblem ist die hohe Belastung durch die Kreditzinsen, allein im ersten Quartal dieses Jahres waren es fast 100 Millionen Euro. Die BayWa hat den Landwirten zugesichert, dass das notwendige Geld für die Bezahlung der Ernte bereitstehe. Es sind auch keine Zahlungsausfälle oder -verzögerungen bekanntgeworden.
Hilfe in Vorbereitung
Eine Insolvenz der BayWa gilt in der Agrarbranche eben wegen ihrer großen Bedeutung als quasi ausgeschlossen. Die beiden Hauptaktionäre haben Finanzspritzen zugesagt, ein gemeinsames Hilfspaket in dreistelliger Millionenhöhe in Kooperation mit den kreditgebenden Banken ist in Vorbereitung.
"Die Problematik BayWa kurz vor der Ernte hat zu einiger Verwirrung und Unsicherheit geführt", sagt Bernd Zehner, Leiter des Agrarhandels der mittelständischen Zehner Gruppe im unterfränkischen Bad Königshofen. "Es sind ja nicht nur die Landwirte betroffen, sondern auch alle anderen Marktteilnehmer, die in den verschiedenen Vermarktungsketten beteiligt sind."
Sanierungsplan in der zweiten Septemberhälfte
Voraussichtlich Mitte bis Ende September wird es größere Klarheit geben. Bis dahin sollte nicht nur der genaue Umfang des Hilfspakets bekannt sein: Die Unternehmensberatung Roland Berger soll ein Sanierungsgutachten vorlegen, und der Vorstand will die Geschäftszahlen des ersten Halbjahres veröffentlichen.
Via XETRA gewann die BayWa-Aktie letztlich 7,83 Prozent auf 14,60 Euro hinzu.
/cho/DP/nas
MÜNCHEN (dpa-AFX)
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