Risiko war erhöht

EU-Aufsicht wirft BaFin im Wirecard-Skandal Versäumnisse vor

03.11.20 13:25 Uhr

EU-Aufsicht wirft BaFin im Wirecard-Skandal Versäumnisse vor | finanzen.net

Im Wirecard-Skandal wirft die europäische Wertpapieraufsicht ESMA der deutschen Finanzaufsicht BaFin Versäumnisse und fehlende Unabhängigkeit vom Finanzministerium vor.

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Angesichts der Vielzahl der Berichte der BaFin an das Finanzministerium habe es ein erhöhtes Risiko der Einflussnahme des Ministeriums gegeben, erklärte die ESMA in ihrem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Zumal die BaFin das Ministerium in einigen Fällen informiert habe, bevor sie Maßnahmen ergriff. Zudem kritisierte die ESMA das deutsche System der Bilanzkontrolle.

Wirecard war Ende Juni Bilanzskandal zusammengebrochen, nachdem sich 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz als nicht existent entpuppten. Laut Staatsanwaltschaft sollen die Manager die Bilanz mit Luftbuchungen in Asien aufgebläht und damit Verluste im Kerngeschäft kaschiert haben. Allein Banken und Investoren seien um mehr als drei Milliarden Euro geprellt worden.

Die BaFin hatte die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) mehrfach mit der Prüfung von Wirecard-Finanzberichten beauftragt. Bis zum Kollaps des Dax-Konzerns lagen keine Ergebnisse dieser Prüfungen vor. Die ESMA kritisierte nun, dass die BaFin und die DPR nicht das gleiche Verständnis teilten, welche Rolle und Möglichkeiten die beiden Institutionen hätten. Die Finanzaufsicht sei nicht in der Lage gewesen, die Arbeit der DPR grundlegend zu bewerten und auf dieser Basis zu entscheiden, ob es die Untersuchung von Wirecard-Bilanzen an sich ziehen solle. Der Austausch von Informationen zwischen der BaFin, der DPR und anderen sei durch die geltenden Vertraulichkeitspflichten behindert worden. Auch innerhalb der BaFin hätten verschiedene Teams sich nicht ausreichend abgestimmt.

Die Analyse der DPR sei angesichts der von Whistleblowern und den Medien erhobenen schweren Vorwürfe der Bilanzfälschung gegen Wirecard unzureichend gewesen, hieß es in dem Bericht, der von einem Gremium aus Experten anderer Finanzaufseher und der ESMA erstellt wurde. Zudem hätten DPR und BaFin nicht oder nicht rechtzeitig Wirecard-Bilanzen der Jahre 2016 bis 2018 unter die Lupe genommen.

Scholz: Esma-Bericht zu Wirecard stützt Vorschläge des Finanzministeriums

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat den Untersuchungsbericht der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma zur Rolle der deutschen Finanzaufsicht im Wirecard-Skandal als Bestätigung seiner eigenen Reformvorschläge gewertet. "Zunächst einmal ist es gut, dass dieser Bericht jetzt vorliegt, der sich ja ganz entlang der Linie bewegt, die wir selber mit unserem Gesetzgebungsverfahren zur Reform der Aufsicht und Überprüfung eingeschlagen haben", sagte Scholz bei einem Statement vor Beratungen der Eurogruppe.

Das betreffe sowohl die deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) als auch die Finanzaufsicht Bafin. All die Vorschläge, die sich in dem deutschen Gesetzespaket fänden, fänden sich auch in der Stellungnahme der Esma, wie ein erster Blick zeige. "Das ist eine gute Botschaft", sagte Scholz.

Mit Blick auf eine von dem Esma-Bericht ausgehende Befürchtung eines erhöhten Risikos der Beeinflussung der Bafin durch das Finanzministerium stellte der SPD-Politiker fest, in dem Bericht werde gesagt, dass sich das Ministerium "sehr aktiv um diese Sache gekümmert" habe. Dies könne man vor dem Hintergrund der in Deutschland geführten Debatte "durchaus als ein kleines, vorsichtiges Zeichen höchster Aufmerksamkeit" begreifen. "Ich betrachte das also nicht als etwas Kritisches, sondern umgekehrt", erklärte Scholz.

In ihrem Bericht monierte die Esma bei der deutschen Finazaufsicht eine Reihe von Defiziten, Ineffizienzen sowie rechtliche und prozedurale Hemmnisse. So bemängelte sie bei der Bafin etwa die Intransparenz über den Aktienbesitz ihrer Mitarbeiter und sah ein erhöhtes Risiko der Beeinflussung durch das Finanzministerium wegen Häufigkeit und Detaillierungsgrad der Bafin-Berichte. Bafin und DPR wurde eine fehlende oder nicht rechtzeitige Auswahl von Wirecard-Berichten zur Risikoprüfung vorgeworfen. Auch sei ihre Arbeit nicht richtig aufeinander abgestimmt gewesen.

Regierung will Konsequenzen aus Skandal ziehen

Scholz hatte dem Kabinett Anfang Oktober kurz vor der ersten Sitzung des vom Bundestag eingesetzten Wirecard-Untersuchungsausschusses einen Aktionsplan vorgelegt, um Konsequenzen aus dem Skandal um den Zahlungsdienstleister zu ziehen. Demnach soll die Bafin künftig "direkt und unmittelbar mit hoheitlichen Befugnissen gegenüber Kapitalmarktunternehmen auftreten können" und ein Sonderprüfungsrecht gegenüber allen kapitalmarktorientierten Unternehmen sowie die Möglichkeit forensischer Prüfungen erhalten.

An die Stelle des bisherigen zweistufigen Systems bei der Bilanzkontrolle soll "ein stärker staatlich-hoheitlich geprägtes Bilanzkontrollverfahren" treten. Insgesamt soll die Bafin neu organisiert werden. Das soll mit einer Stärkung der Eingriffsrechte der Aufsicht im Anleger- und Verbraucherschutz einhergehen. Um Betriebsblindheit zu vermeiden, sollen unter anderem Bilanzprüfer künftig alle zehn Jahre ausgetauscht werden.

Die Esma hatte ihre Untersuchung im Juli eingeleitet. Im Juni hatte das damalige DAX-Unternehmen Wirecard Luftbuchungen von fast 2 Milliarden Dollar eingestehen müssen. Es befindet sich mittlerweile in einem Insolvenzverfahren. Ex-Wirecard-Chef Markus Braun sitzt inzwischen in Haft, Ex-Vorstandsmitglied Jan Marsalek ist flüchtig.

Frankfurt (Reuters) / (Dow Jones)

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