Wirtschaftlicher Rückgang: Ab wann spricht man von einer Rezession?
Eine Abschwächung wirtschaftlicher Aktivitäten eines Landes kann auf eine drohende Rezession hinweisen. Doch woran misst man, dass der Ernstfall tatsächlich eingetreten ist?
• Wirtschaftliche Abschwächung
• Unterschiedliche Definitionen
• Merkmale und Anzeichen
Der Preisdruck ist nach wie vor hoch - und die Notenbanken reagieren: Um der hohen Inflation Herr zu werden, läutete die US-amerikanische Fed im Frühjahr 2022 die Zinswende ein hob den Leitzins erstmals seit Dezember 2018 an. Daraufhin folgten einige weitere Erhöhungen. Auch das europäische Pendant, die Europäische Zentralbank (EZB), orientierte sich am Vorgehen der Fed und stockte die Zinsen auf. Zahlreiche Analysten warnen jedoch davor, dass die straffe Geldpolitik der Währungshüter die Wirtschaft der USA und Europas in eine tiefe Rezession stürzen werde.
Was versteht man unter einer Rezession?
Ob die Wirtschaft eines Landes wächst, stagniert oder zurückgeht lässt sich anhand von Konjunkturdaten, allen voran dem Bruttoinlandsprodukt (BIP), relativ einfach feststellen. Doch wann spricht man tatsächlich von einer Rezession? Um diese Frage zu beantworten, sollte zuerst geklärt werden, was der Begriff genau beschreibt. Unter einer Rezession versteht man laut dem Gabler Wirtschaftslexikon eine Phase des Konjunkturzyklus, in der es zu einer leichten Abschwächung von wirtschaftlichen Aktivitäten kommt, die mindestens in einigen Bereichen einer Volkswirtschaft erkennbar ist, wenn nicht sogar in allen. Im Gegensatz zu einer Depression, die in den 1930er Jahren in den USA etwa durch den "Schwarzen Donnerstag" an der Wall Street ausgelöst wurde und zur Weltwirtschaftskrise führte, hält sich der Abschwung bei einer Rezession aber in Grenzen.
Faustregel: zwei negative Quartale hintereinander
Woran merkt man aber, ob eine Rezession bereits in vollem Gange ist? "Mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden negativen Quartalen haben wir es per Definition mit einer technischen Rezession zu tun", erklärt KfW-Chefwolkswirtin Dr. Fritzi Köhler-Geib. Demnach entsprechen zwei rückläufige Quartale am Stück eben nicht nur einer kurzen Schwächephase. Die Nachrichtenagentur Associated Press betont jedoch, dass es sich dabei nicht um eine offizielle Definition handle, sondern um eine Faustregel - mit zugegebenermaßen hoher Treffersicherheit. Laut dem Wirtschaftswissenschaftler Michael Strain vom American Enterprise Institute rutschte die US-Wirtschaft die letzten 10 Male, in denen in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen ein Rückgang verzeichnet wurde, in eine Rezession.
Messwert Wirtschaftsauslastung
Wirtschaftsforscher in Deutschland definieren eine Rezession hingegen anhand der Wirtschaftsauslastung. Dazu wird das Produktionspotenzial bemessen, für dessen Berechnung davon ausgegangen wird, dass alle derzeit bestehenden Arbeitskräfte und Betriebsmittel einer Volkswirtschaft optimal eingesetzt werden. In Krisensituationen ist dies jedoch nicht der Fall: Es wird unter dem Potenzial produziert, was die Wirtschaftsleistung abschwächt. Nimmt diese Unterauslastung in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen zu, ist bei Wirtschaftsinstituten von einer Rezession die Rede.
US-Definition unterscheidet sich
In den USA wird eine Rezession hingegen vom National Bureau of Economic Research (NBER) ausgerufen. Die Forschungseinrichtung spricht nicht von zwei aufeinanderfolgenden Quartalen, sondern von "einem signifikanten Rückgang der Wirtschaftstätigkeit, der sich über die gesamte Wirtschaft erstreckt und länger als ein paar Monate dauert". Als Schlüsselfaktoren gelten für das NBER Daten zu Realeinkommen abzüglich staatlicher Transfers, Beschäftigung, verschiedene Formen realer Konsumausgaben und Industrieproduktion. Gemäß eines Schreibens der US-Regierung habe die Organisation in den vergangenen Jahrzehnten die Bereiche Einkommen und Beschäftigung in der Bewertung zwar stärker gewichtet, feste Schwellenwerte existieren jedoch nicht.
Da Konjunkturdaten außerdem erst verzögert veröffentlicht werden, spricht das NBER erst von einer Rezession, wenn diese bereits begonnen hat. Laut Associated Press war dies in der Vergangenheit bereits erst bis zu einem Jahr später der Fall.
Welche Faktoren deuten auf eine Rezession hin?
Um also zeitnah abzuschätzen, ob die Wirtschaft auf eine Rezession zusteuert oder sich gar bereits in einer solchen befindet, kann es sich lohnen, einige Anzeichen im Blick zu behalten. So sei es der Agentur zufolge ein Warnsignal, wenn die Arbeitsplatzverluste stetig zunehmen und gleichzeitig auch die Arbeitslosigkeit steige.
Das "Handelsblatt" nennt außerdem einen Nachfragerückgang unter Verbrauchern und Unternehmen, der wiederum zu prall gefüllten Lagern führt. Generell werden weniger Investitionen vollzogen und auch die Gehälter und Preise sinken. Mehr Unternehmen melden Kurzarbeit an oder kündigen ihren Arbeitskräften sogar ganz. Darüber hinaus können fallende Börsenkurse ein Warnsignal sein.
Das Trading-Portal IG verweist außerdem auf die Anleihe-Rendite-Kurve. So bringen Anleihen mit einer längeren Laufzeit Investoren in der Regel höhere Renditen als solche mit einer kurzen Laufzeit, da das Zinsänderungsrisiko deutlich höher ist. In unsicheren Zeiten, etwa wenn Anleger mit dem Beginn einer Rezession rechnen, nehme aber die Forderung nach höheren Erträgen für kürzere Anleihen zu, wodurch die Renditekurve umgekehrt wird. Damit gehen Käufer von Anleihen dem Portal gemäß davon aus, dass kurzfristige Staatsobligation riskanter sind als solche, die erst in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten auslaufen. Dies könne tatsächlich ein Hinweis auf eine Rezession sein.
Redaktion finanzen.net
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