adidas und der millionenschwere Abverkauf einer kritischen Ware
Klobige Treter oder Sneaker mit Stil: Die Meinungen über die Schuhe aus der Kooperation zwischen adidas und dem US-Rapper Kanye West gehen auseinander - auch aus politischen Gründen.
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Der umstrittene Künstler geriet wegen antisemitischer Äußerungen stark in die Kritik. Nach erheblichem Druck von außen beendete adidas im Oktober die Zusammenarbeit und stellte den Verkauf der Produkte der "Yeezy"-Reihe ein. Mittlerweile macht der fränkische Sportartikel-Riese aber Geschäft mit dem Abverkauf der Restbestände - und hat angekündigt, neben einer beträchtlichen Spende aus den Verkaufserlösen auch den erwarteten Jahresverlust drosseln zu können.
Nach dem Ende der Kooperation saß das Unternehmen zunächst auf Schuhen im Wert von Hunderten Millionen Euro. Die gängige Praxis, Restbestände zu vernichten, wurde aufgrund mangelnder Nachhaltigkeit in der Öffentlichkeit stark kritisiert. Eine Vernichtung hätte das Jahresergebnis zudem allein mit 700 Millionen Euro belastet. Die teure Abkehr von dem Skandalrapper und seinen Produkten hat dem Sportartikelhersteller allein im ersten Quartal bereits einen Millionenverlust eingebrockt. Der neue adidas-Chef Bjørn Gulden entschied im Frühjahr, die Produkte zu verkaufen. Wegen des Zögerns kommt als weitere Schwierigkeit eine Sammelklage von Investoren in den USA hinzu, die adidas vorwerfen, nicht rechtzeitig reagiert zu haben.
Auch Kommunikations-Experte Thomas Koch sagt, adidas sei "ein bisschen zögerlich" gewesen, sich von West zu trennen. "Yeezy" bedeutete für adidas Milliardenumsätze, vor allem in den USA, mit einer sehr hohen Gewinnspanne. Von Star-Kooperationen erhoffe man sich "positive Transfereffekte, man will von deren Strahlkraft profitieren und hofft, dass sich dies auf die Marke überträgt", sagt Koch, der an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz zur Unternehmenskommunikation forscht. Allerdings bestehe für die Firmen auch die Gefahr, dass sich negative Übertragungen ergeben können - wie im Fall Kayne West.
"adidas geht zunächst den Standardweg der Krisenerstreaktion und erbittet sich etwas mehr Zeit", sagt Koch. Studien zufolge reiche es Kunden oft, "wenn man sagt, wir sind gegen Rassismus, gegen Diskriminierung, wir sind für Gleichberechtigung". Es sei eine erfolgreiche Strategie, sich bei gesellschaftlich relevanten Themen klar zu positionieren, "was adidas in Bezug auf Rassismus auch macht", betonte Koch. Man wäre nicht anders aus dem Dilemma herausgekommen, daher sei es die beste Entscheidung gewesen, weiterzuverkaufen - vor allem wenn der gespendete Betrag beträchtlich sei, sagte er. "Damit versucht man, sich ein bisschen freizukaufen."
Am Donnerstag werden die Geschäftszahlen für das zweite Quartal erwartet. Schon am Montag hatte das Unternehmen in Herzogenaurauch angekündigt, dass der erwartete Verlust nach den ersten "Yeezy"-Verkäufen für 2023 geringer ausfallen dürfte. adidas geht für das Jahr von einem negativen Betriebsergebnis von 450 Millionen Euro aus, nach zunächst geschätzten 700 Millionen Euro. Die Abschreibungen auf den übrigen "Yeezy"-Bestand wird bei 400 Millionen Euro gesehen, 100 Millionen Euro weniger als zuvor.
Am Mittwoch startete eine zweite Verkaufsrunde für "Yeezy"-Produkte. Dabei handele es sich "ausschließlich um bestehenden Lagerbestand", teilte eine Sprecherin des Unternehmens auf Anfrage mit. Ob der Ausverkauf danach fortgesetzt wird, sollte es noch Restbestände geben, wollte das Unternehmen nicht sagen.
Die Zusammenarbeit mit West brachte seit 2015 eine breite Palette von Modellen. Sie zu tragen "war auch ein Statussymbol", erklärt der Sneaker-Experte Phillip Kassel, der exklusive Turnschuhe sammelt und mit ihnen handelt.
Was bewegt Käufer, die hochpreisige Ware auch nach dem Skandal noch erwerben zu wollen? Die "Yeezys" seien sehr bequem, doch gehe es "in erster Linie um den Wiederverkaufspreis", sagt Kassel. "Auch wenn es wegen einer Kontroverse ist - mich interessiert, dass das Objekt limitiert ist." Er erinnere sich noch an die Zeiten, als Kanye West eine Kooperation mit dem Sporthersteller Nike hatte: Die Menschen kampierten tagelang vor den Geschäften, um die Schuhe zu ergattern - die Stückzahlen waren sehr limitiert.
Unternehmenskommunikationsexperte Koch erklärt, dass wegen der Verknappung der Ware Kunden wüssten, dass es die letzte Gelegenheit sein könnte, um die Schuhe zu ergattern.
Im Anschluss an die Verkaufsrunde will der Sportartikelhersteller "einen signifikanten Betrag" an Organisationen spenden, die sich gegen Diskriminierung, Hass, Rassismus und Antisemitismus einsetzen, wie die Unternehmenssprecherin sagt. Zur Höhe der Verkaufserlöse und der Spenden machte das Unternehmen vor Veröffentlichung der Halbjahreszahlen keine Angaben.
HERZOGENRAUCH (dpa-AFX)
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