Reduzierte Erwartungen

EU-Kommission senkt Wachstumsprognosen für 2019 und 2020

07.05.19 13:52 Uhr

EU-Kommission senkt Wachstumsprognosen für 2019 und 2020 | finanzen.net

Die EU-Kommission hat ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum des Euroraums für 2019 und 2020 deutlich gesenkt, was vor allem an reduzierten Erwartungen für Deutschland, Frankreich und Italien lag.

Wie aus der aktuellen Frühjahrsprognose hervorgeht, rechnet die Behörde für 2019 jetzt für den gesamten Währungsraum nur noch mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,2 Prozent. In der Herbstprognose waren es noch 1,9 Prozent. Für 2020 wurde die Prognose auf 1,5 von 1,7 Prozent reduziert. Zugleich sieht sie Abwärtsrisiken unter anderem durch einen No-Brexit-Deal, Protektionismus und einer Flaute im Welthandel.

Die Prognosen liegen ziemlich nahe an denen des volkswirtschaftlichen Stabs der Europäischen Zentralbank (EZB) von Anfang März. Der erwartet für 2019 und 2020 BIP-Wachstumsraten von 1,1 und 1,6 Prozent.

"Die jüngste Verlangsamung des Weltwirtschaftswachstums und des Welthandels, die mit hoher handelspolitischer Unsicherheit einhergeht, drückt die Aussichten für das Wachstum des BIP in den Jahren 2019 und 2020", erklärte die EU-Kommission. "Eine Rolle spielt auch die anhaltende Schwäche des verarbeitenden Gewerbes, insbesondere in Ländern mit Problemen in der Automobilindustrie."

Massive Rücknahme der Deutschland-Prognose

Eine drastische Senkung der Wachstumsprognose gab es für Deutschland: Für 2019 wird nur noch ein BIP-Plus von 0,5 anstatt 1,8 Prozent in Aussicht gestellt. Für 2020 sank die BIP-Prognose auf 1,5 von 1,7 Prozent.

Die Senkungen für Frankreich waren etwas moderater: Für 2019 wird ein BIP-Zuwachs von 1,3 statt 1,6 Prozent veranschlagt, für 2020 von 1,5 statt 1,6 Prozent.

Ein sehr schwaches Wachstum zeichnet sich für Italien ab: Für 2019 wird dem Land nur noch ein BIP-Wachstum von 0,1 (bislang: 1,2) und 2020 von 0,7 (1,3) Prozent zugetraut.

"Die europäische Wirtschaft wird 2019 und 2020 weiter wachsen. Die Wachstumsraten werden in allen Mitgliedstaaten positiv bleiben, und auch an der Beschäftigungsfront rechnen wir weiterhin mit guten Nachrichten und steigenden Löhnen", sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. "Allerdings sollten wir darauf vorbereitet sein, die Wirtschaft über weitere wachstumsfördernde Reformen hinaus stärker zu unterstützen, wenn es nötig ist."

Abschwächung soll 2019 Talsohle erreichen

Die EU-Kommission geht davon aus, dass die BIP-Abschwächung 2019 die Talsohle erreicht. Im Jahr 2020 dürften "widrige binnenwirtschaftliche Faktoren verebben und die Wirtschaftstätigkeit außerhalb der EU wieder an Schwung gewinnen, was durch eine Lockerung der weltweiten Finanzierungsbedingungen und politische Impulse in einigen aufstrebenden Volkswirtschaften unterstützt werden dürfte", erklärte die Behörde.

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit dürfte sich abschwächen, erwartet die Kommission, aber weiter anhalten. Im Euroraum sollte sich die Arbeitslosenquote der Prognose zufolge 2019 auf 7,7 Prozent und 2020 auf 7,3 Prozent verringern und damit niedriger sein als bei Einsetzen der Finanzkrise im Jahr 2007.

Die Frühjahrsprognose der EU-Kommission sagt auch eine weiter niedrige Inflation voraus. Da sich der Energiepreisanstieg in den kommenden Quartalen weiter abschwächen dürfte und es kaum Anzeichen dafür gebe, dass das höhere Lohnwachstum den fundamentalen Preisauftrieb befeuert habe, rechnet die Behörde für den Euroraum sowohl für 2019 als auch für 2020 mit einer Inflationsrate von 1,4 Prozent.

Ausgeprägte Abwärtsrisiken

Die EU-Kommission sieht allerdings die Gefahr, dass sich das wirtschaftliche Szenario für die Eurozone schlechter entwickelt als prognostiziert. "Der Ausblick bleibt mit ausgeprägten Abwärtsrisiken behaftet", hieß es. In der Weltwirtschaft sei das Risiko protektionistischer Maßnahmen nach wie vor hoch, und die aktuelle Abschwächung des globalen BIP-Wachstums und des Welthandels könnte länger anhalten als erwartet, insbesondere falls das Wachstum in China enttäuschen sollte.

Zu den Risiken in Europa gehörten ein "No-Deal-Brexit" und die Möglichkeit, dass sich die vorübergehenden Verwerfungen, die derzeit das verarbeitende Gewerbe belasten, länger hinziehen könnten. Außerdem bestehe das Risiko, dass größere politische Unsicherheit und weniger wachstumsfreundliche Maßnahmen zu einem Rückzug der privaten Investitionen führen.

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