RWE-Aktie schließt in Grün: "Rückbau" von Lützerath gestartet - Polizisten rücken vor
Unter überwiegend friedlichem Protest hat die Polizei am Mittwoch begonnen, den von Klimaaktivisten besetzte Braunkohleort Lützerath im Rheinischen Revier zu räumen.
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Bis zum Nachmittag zeigte sich ein Sprecher "sehr zufrieden" mit dem Verlauf: "Für die Polizei läuft bislang alles nach Plan." Im Vorfeld war mit massivem Widerstand gerechnet worden. Beobachter sprachen dagegen von einer zum Teil entspannten Atmosphäre. Früh am Morgen war es zum Auftakt der Räumung im zu Erkelenz zählenden Ortsteil Lützerath zu Rangeleien gekommen. Laut Polizei wurden ein Molotow-Cocktail, Steine und Pyrotechnik in Richtung der Beamten geworfen.
Der Energiekonzern RWE will die unter Lützerath liegende Kohle abbaggern - dafür soll der Weiler auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz abgerissen werden. In Lützerath leben seit Monaten Klimaaktivisten aus Protest dagegen in leerstehenden Häusern.
Einige Klimaschützer folgten am Mittwoch der Aufforderung der Polizei und gingen freiwillig. Sie wurden vom Gelände eskortiert. Viele wollten aber weiter Widerstand leisten. "Die Menschen sind fest entschlossen dazubleiben, auszuharren, die Bäume und die Gebäude zu schützen", sagte Mara Sauer, eine Sprecherin der Initiative "Lützerath lebt".
Eine weitere Sprecherin warf der Polizei einen überharten Einsatz vor. Helfer seien nicht durchgelassen worden. "Jetzt gerade eben wurde erst wieder eine Aktivistin unter Schmerzgriffen rausgebracht", sagte sie am Nachmittag. Sie habe auch von Verletzten gehört.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kritisierte am Mittag Übergriffe auf Polizisten scharf. "Ich bin eigentlich nur fassungslos und verstehe es nicht, wie Menschen sowas machen können", sagte Reul über die Würfe in Richtung der Beamten. Jetzt seien alle friedlichen Demonstranten in der Pflicht, sich von Aktionen gewaltbereiter Aktivisten zu distanzieren. "Man kann woanders demonstrieren, man muss denen jetzt nicht noch behilflich sein dadurch, dass man da steht und die Polizei bei der Arbeit stört", sagte er.
Reul sprach von 350 Personen, die sich unrechtmäßig in Lützerath aufgehalten hätten. Etwa 200 Klimaaktivisten verließen nach Angaben des Aachener Polizeipräsidenten Dirk Weinspach am Mittwoch das Gelände freiwillig. Zwei seiner Beamten seien leicht verletzt worden, seien aber noch dienstfähig.
Ab Mittag hatte die Polizei damit begonnen, Aktivisten von Bäumen und Podesten zu holen. Dabei setzten die Beamten an verschiedenen Stellen Hebebühnen ein. Am Ortseingang von Lützerath begannen Bagger mit Abrissarbeiten. Auch eines der Ortsschilder von Lützerath wurde am frühen Nachmittag entfernt. Später warfen Beamte selbstgebaute kleine Holzhäuser auf Stelzen um und setzten so die Räumung fort. Nach Angaben eines dpa-Reporters wurden die Beamten dabei in dem Hütten- und Baumhauscamp von Schmährufen der Aktivisten begleitet. Die Polizei entfernte dabei zum Beispiel auch Feuerlöscher, die von den Aktivisten in den Hütten aufbewahrt wurden.
"Wir haben hier ganz überwiegend friedlichen Protest erlebt, in Sitzblockaden, auf Tripods - und das sind Protestformen, mit denen wir super parat kommen", sagte am Nachmittag ein Polizeisprecher. Wenn die Aktivisten sich wegtragen ließen, sei das noch passiver Protest und damit ihm Rahmen dessen, was angemessen sei.
Nach Einbruch der Dunkelheit wurden die Räumungsarbeiten am Abend fortgesetzt. Auf Hochständen und in den Baumhäusern harrten Aktivisten bei windigem Wetter aus. Baumaschinen fuhren hin und her, Teile von Lützerath waren mit Flutlicht hell ausgeleuchtet, andere in tiefes Dunkel getaucht. In einer Scheune holten Polizeibeamte Aktivisten von einem Hochpodest.
Für die Polizeigewerkschaft (DPolG) ist das Einsatzkonzept der Polizei bei der Räumung des Dorfes Lützerath bislang aufgegangen. "Die gezielte Kommunikation hat zur Deeskalation der Lage beigetragen", sagte der DPolG-Vorsitzende Rainer Wendt am Mittwochmittag. "Erfahrungen aus vergangenen Einsätzen, wie der im Hambacher Forst 2018 zeigen, dass die Polizei mit erheblichem Widerstand bis hin zu aufgestellten Fallen rechnen muss."
Die Klimaaktivistin Greta Thunberg will für Proteste nach Lützerath kommen. Die Schwedin kündigte auf Twitter an, am Samstag an einer Demonstration gegen die Räumung der von Klimaaktivisten besetzten Ortschaft teilnehmen zu wollen. "Die Wissenschaft ist sich einig, die am meisten Betroffenen sind sich einig: keine fossilen Brennstoffe mehr!", schrieb sie. Thunberg war bereits im September 2021 nach Lützerath gereist, um gegen den Kohleabbau und für die Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels zu demonstrieren - einen Tag vor der damaligen Bundestagswahl.
Der Aachener Bischof Helmut Dieser appellierte im Konflikt um die Räumung des Braunkohledorfs an alle Seiten, keine Spirale der Gewalt in Gang zu setzen. "Friedliche Proteste sind zentraler Bestandteil einer lebendigen Demokratie", sagte er am Mittwoch laut Mitteilung des Generalvikariats. "Zu einem glaubwürdigen Rechtsstaat gehört aber auch, dass Regeln und Vereinbarungen eingehalten werden."
Gericht lehnt weiteren Eilantrag von Aktivisten aus Lützerath ab
Das Verwaltungsgericht Aachen hat am Mittwoch zwei weitere Eilanträge gegen das Aufenthaltsverbot in dem Braunkohleort Lützerath abgelehnt. Das Gericht stufte die entsprechende Allgemeinverfügung des Kreises Heinsberg wie bereits in der Vorwoche als "voraussichtlich rechtmäßig" ein, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte. Rechtsgrundlage sei das Polizei- und Ordnungsrecht.Die erste Entscheidung aus Aachen wurde bereits am Montag vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Münster bestätigt. Das Betreten von Lützerath könne nicht unter Berufung auf zivilen Ungehorsam infolge eines Klimanotstands gerechtfertigt werden. Gegen die aktuellen Beschlüsse ist erneut Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht möglich.
Nach Angaben des Verwaltungsgerichts haben die Klimaaktivisten weitere Eilanträge eingereicht. Hier geht es um Versammlungsrecht und die Durchführung einer Mahnwache.
BUND fordert Beendigung der Polizeiaktion in Lützerath
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat ein sofortiges Ende der Polizeiaktion in Lützerath sowie ein Räumungsmoratorium gefordert. "Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen und ihre grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur müssen endlich einsehen, dass sie sich politisch verrannt haben", sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt am Mittwoch. Die Proteste gegen die Räumung zeigten, dass ein "Weiter so beim Braunkohletagebau vor allem von jungen Menschen nicht mehr akzeptiert wird".Zudem betonte der Geschäftsführer des BUND Nordrhein-Westfalen, Dirk Jansen: "Die Kohle unter Lützerath wird zur Bewältigung der aktuellen Energiekrise nicht benötigt." Es sei daher eine politische Entscheidung, ob die Räumung noch gestoppt werde. Der BUND wehre sich gegen alle Versuche, "den legitimen und friedlichen Protest gegen den Braunkohlen-Irrsinn generell zu kriminalisieren". Dabei seien alle Seiten gefordert, auf Deeskalation zu setzen.
Die von den Grünen geführten Wirtschaftsministerien in Bund und Land NRW hatten mit dem Energiekonzern RWE einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg vereinbart. Außerdem sollen fünf bereits weitgehend leerstehende Dörfer am Tagebau Garzweiler in der Nachbarschaft von Lützerath erhalten werden. Seit Monaten leben dort in den leerstehenden Häusern Klimaaktivisten, die sich der Räumung entgegenstellen wollen.
Die RWE-Aktie schloss via XETRA letztlich 2,41 Prozent höher bei 40,40 Euro.
ERKELENZ/ESSEN/AACHEN/BERLIN (dpa-AFX)
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