adidas drosselt nach Gewinnsprung für 2019 das Tempo - Aktie unter Druck
Der Sportartikelhersteller adidas hat im vergangenen Jahr dank der Fußball-WM und guter Geschäfte in Nordamerika und China glänzend verdient.
Doch der sonst so erfolgsverwöhnte DAX-Konzern kämpft gleichzeitig mit einer überraschend wenig kauffreudigen Kundschaft in Westeuropa. Zudem kaufen Kunden zuletzt zunehmend Kleidung im mittleren Preissegment - und hier kann adidas die Nachfrage gegenwärtig wegen Produktionsengpässen nicht komplett bedienen. Nach den großen Umsatz- und Ergebnissprüngen im vergangenen Jahr dürfte der Nike- und PUMA-Rivale deshalb sein Tempo 2019 verlangsamen.
Der Umsatz soll laut Konzernprognose demnach ohne Berücksichtigung von Währungseffekten um 5 bis 8 Prozent steigen, wie adidas am Mittwoch in Herzogenaurach mitteilte. Die voraussichtlichen Engpässe in den Produktionskapazitäten dürften vor allem Nordamerika treffen, wo sich das Umsatzwachstum insbesondere in den ersten sechs Monaten abschwächen dürfte, bevor es in der zweiten Jahreshälfte wieder besser läuft.
In zuletzt schwierigen Europa-Geschäft will adidas derweil in diesem Jahr wieder auf den Wachstumspfad zurück. Unter Ausklammerung von Währungseffekten soll der Umsatz dort leicht steigen. Die Region ist für adidas gemessen am Umsatz die zweitwichtigste nach Asien. Doch im vergangenen Jahr kam der Konzern nicht so voran, wie er es sich ursprünglich einmal vorgenommen hatte.
Im Laufe des Jahres hatte das Management deshalb seine Prognose nach unten revidiert. Am Ende konnte adidas seine Erlöse in Europa lediglich in etwa stabil halten, weil der Konzern die nachlassende Begeisterung für frühere Schuh-Bestseller nicht schnell genug mit neuen Produkten auffangen konnte. adidas-Chef Kasper Rorsted hat bereits eingeräumt, nicht früh genug neue Markttrends erkannt zu haben. Zudem war es nicht gelungen, mehr Sportkleidung in den Markt zu drücken. In der Folge wurden das Management für Europa im Sommer 2018 ausgetauscht und Preise angepasst.
Auch in seinen Gewinnzielen geht Rorsted, der seit seinem Amtsantritt im Herbst 2016 den Konzern auf Profitabilität trimmt, das neue Jahr gemächlicher an: Auch wegen des neuen Bilanzierungsstandards IFRS 16, womit Leasingverträge künftig verrechnet werden, wird mit einem Zuwachs von 8 bis 12 Prozent auf einen Wert bis maximal knapp 1,92 Milliarden Euro gerechnet. Aber auch nach alter Rechnungslegung ist mit einem voraussichtlichen Zuwachs von 10 bis 14 Prozent weniger angepeilt als im vergangenen Jahr.
2018 hatte adidas trotz höherer Marketingaufwendungen unter anderem für die Fußball-Weltmeisterschaft sein Betriebsergebnis um 14 Prozent auf knapp 2,37 Milliarden Euro steigern können. Dies war unter anderem einem besseren Verkaufsmix bei den Produkten und Preisen sowie niedrigeren Beschaffungskosten zu verdanken. Damit traf der Konzern in etwa die Erwartungen der Analysten, wenngleich das Schlussquartal auch wegen gestiegener Betriebskosten überraschend schwach verlief.
Der Gewinn aus fortgeführten Geschäftsbereichen kletterte um 20 Prozent auf rund 1,71 Milliarden Euro. Die Kennziffer behält adidas zur besseren Vergleichbarkeit bei, nachdem sich der Konzern 2017 von seinem Geschäft mit Golf- und Eishockey-Ausrüstung getrennt und dabei Marken wie TaylorMade, Adams Golf, Ashworth und CCM Hockey veräußert hatte. Die Aktionäre erhalten für das Jahr 2018 nun 3,35 Euro Dividende, damit zahlt adidas 75 Cent mehr als ein Jahr zuvor.
Regional gesehen kam adidas am besten in Nordamerika und China voran, wo der Konzern zweistellige Wachstumsraten auswies. Auch im Digitalgeschäft wuchs das Unternehmen deutlich. Konzernweit stiegen die Umsätze binnen Jahresfrist währungsbereinigt um 8 Prozent, nach der Umrechnung der Auslandserlöse in Euro blieb noch ein Plus von 3 Prozent auf 21,92 Milliarden Euro übrig - damit erzielte adidas den besten Wert in der Unternehmensgeschichte.
Die operative Marge kletterte so auf den Rekordwert von 10,8 Prozent (Vorjahr 9,8 Prozent). Auch die Marke Reebok, die adidas seit 2016 umbaut, arbeitete erstmals wieder profitabel. Für das laufende Jahr ist nun konzernweit für die operative Marge ein Anstieg um 0,5 bis 0,7 Prozentpunkte auf 11,3 bis 11,5 Prozent angepeilt.
Europageschäft
adidas muss angesichts des weiter schwächelnden Umsatzes in Europa noch länger daran arbeiten, um die Situation in der Region zu verbessern, wie CEO Kasper Rorsted sagte. Die im Sommer eingeleiteten Maßnahmen sollten aber ausreichen, um wieder Wachstum zu generieren, es würden keine zusätzlichen Maßnahmen erforderlich, so der Manager im Gespräch mit Dow Jones Newswires.In Europa sank der Umsatz währungsbereinigt im Schlussquartal um 6 Prozent, es war das dritte Quartal in Folge ein Rückgang. Die nach Umsatz zuvor zweitstärkste Region fiel im Schlussquartal auf den dritten Platz zurück.
adidas hatte im November die Prognose für das Gesamtjahr wegen der schwachen Umsatzentwicklung im Segment Westeuropa - jetzt Europa - gesenkt. Dabei hatte adidas eine Rückkehr der Region zu wachsenden Umsätzen für 2019 angepeilt.
adidas habe in Europa zu lange auf Lifestyle-Schuhe als Wachstumstreiber gesetzt und müsse den Fokus in der Region wieder mehr auf Sportschuhe legen, bekräftigte der CEO im Fernsehinterview mit Bloomberg.
Während auf Konzernebene der Umsatz mit Schuhen zu zwei Dritteln aus Sportschuhen und zu einem Drittel aus Lifestyle-Schuhen komme, sei das Verhältnis in Europa 50 zu 50. Das müsse sich wieder zugunsten der Sportschuhe ändern, so Rorsted im Fernsehinterview.
Im dritten Quartal hatte adidas eingeräumt, zu langsam Nachfolgemodelle für die auslaufenden Originals-Modelle geliefert und insgesamt zu langsam auf sich ändernde Trends reagiert zu haben. Der Konzern habe auch bei einigen Modellen die Preise zu hoch angesetzt, was sich im reifen Markt Westeuropa mit scharfer Konkurrenz als kontraproduktiv erwiesen habe.
adidas ist dabei, die Vertriebsstruktur in Westeuropa zu vereinfachen und investiert, um die Zusammenarbeit mit wichtigen Großhändlern zu intensivieren und Marktanteile zurückzugewinnen.
Im Sommer installierte adidas ein neues Management in Westeuropa, sah aber bisher keinen Bedarf für weitere personelle Änderungen.
Der jüngste Rekordlauf der adidas-Aktien hat am Mittwoch einen Dämpfer erhalten. Da der Sportartikelhersteller nach einem Gewinnsprung das Tempo nun unerwartet deutlich drosseln will, sahen die Anleger keinen Grund mehr, den Papieren weiter nachzujagen: Die Anteilsscheine sackten am Mittag unter den Schlusslichtern im kaum veränderten DAX um rund 3 Prozent auf 203,40 Euro ab. Zum Handelsende wiesen die Titel noch einen Verlust von 2,38 Prozent auf 204,80 Euro aus.
Die Anleger hätten bei den Geschäftszahlen von adidas vor allem auf das Umsatzziel für 2019 geachtet und ausgerechnet dieses habe etwas enttäuscht, sagte der Händler. Ansonsten seien die Resultate der Herzogenauracher für das abgelaufene Jahr in Ordnung gewesen.
adidas habe einen starken Anstieg der Nachfrage nach Bekleidung im mittleren Preissegment verzeichnet, die jedoch nach Unternehmensangaben aufgrund von Engpässen bei den Produktionskapazitäten nicht vollständig bedient werden könne, schrieb Analyst Herbert Sturm von der DZ Bank. Infolgedessen erwarte das Management eine Beeinträchtigung des Umsatzwachstums im laufenden Jahr, insbesondere in der ersten Jahreshälfte in Nordamerika. Hierdurch könnten im US-Geschäft in 2019 Marktanteile gegenüber dem US-Wettbewerber Nike verloren gehen. Daraus resultierten gewisse Unwägbarkeiten im Hinblick darauf, ob adidas in der Lage sein wird, das obere Ende der für 2019 angepeilten Umsatzspanne zu erreichen.
Im August letzten Jahres hatten der Rückenwind von der Fußball-WM sowie gut laufende Geschäfte in China und Nordamerika die adidas-Aktien in die Höhe schnellen lassen. Noch im selben Monat hatten die Papiere erstmals 218 Euro gekostet. Die nachfolgende Marktkorrektur verschonte auch die Herzogenauracher nicht, doch schon Anfang März erreichten die Anteilsscheine bei knapp 220 Euro wieder ein Rekordhoch.
Der Kursrutsch von diesem Mittwoch aber hat die adidas-Papiere wieder auf das Niveau vom 19. Februar zurückgeworfen. Die Bewertung der Anteilsscheine sei zwar im Vergleich zur US-Konkurrenz niedrig, diese Lücke dürfte sich bei abnehmendem Wachstumstempo aber nicht schließen, bemerkte der Experte Jörg Frey vom Analysehaus Warburg Research.
/tav/stk
HERZOGENAURACH (dpa-AFX) / Dow Jones Newswires
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