POLITIK-BLOG/DIHK: Schulden allein lösen keine Probleme

05.03.25 12:08 Uhr

Die Übersicht in Kurzmeldungen zu Entwicklungen, Ergebnissen und Einschätzungen rund um die bundesdeutsche Politik:

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DIHK: Schulden allein lösen keine Probleme

Deutschland benötigt nach der Verständigung von Union und SPD auf ein schuldenfinanziertes Ausgabenpaket nach Ansicht der Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) jetzt erst recht wirtschaftliches Wachstum. "Wir stehen alle gemeinsam vor großen Herausforderungen. Gerade auch für die Wirtschaft ist äußere Sicherheit eine unverzichtbare Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg. Schulden allein lösen aber keine Probleme", erklärte DIHK-Präsident Peter Adrian. Solide Staatsfinanzen und sicherer Wohlstand kämen in erster Linie durch wirtschaftliches Wachstum. Deshalb müsse Wirtschaftspolitik mit einem umfassenden Paket an Reformen und Wachstumsimpulsen jetzt Priorität haben. "Wir brauchen ein Reformpaket mit großen Freiräumen und spürbar weniger Regulierung sowie Kostenentlastungen für Betriebe und einen schnelleren Staat. Denn es kommt jetzt darauf an, dass insbesondere auch Unternehmen am Standort Deutschland wieder investieren können", sagte Adrian.

BDI: Union und SPD haben Ernst der Lage erkannt

Der Bundesverband der Deutschen Industrie sieht in der Einigung von Union und SPD auf ein Finanzpaket für Infrastruktur und Verteidigung ein wichtiges Signal. "CDU und SPD haben den Ernst der Lage erkannt", sagte Tanja Gönner, BDI-Hauptgeschäftsführerin. "Das ist ein wichtiges Signal, um die gefährliche Abwärtsspirale aus ausbleibenden Investitionen und Wachstumsschwäche zu stoppen und verteidigungsfähig zu werden. Zusätzliches Geld allein wird es nicht richten." Zentral sei, dass die getroffenen Entscheidungen von beherzten Strukturreformen begleitet werden. Der effiziente Einsatz von Mitteln müsse oberste Priorität haben, nicht nur beim Sondervermögen, sondern im gesamten Haushalt. Das Sondervermögen für Infrastruktur sei mehr als ein Konjunkturpaket, denn es gebe der Wirtschaft die Möglichkeit, über zehn Jahre hinweg überfällige Investitionen in die Zukunft nachzuholen. Es sei zudem angesichts der sich weiter verschärfenden sicherheitspolitischen Situation in Europa dringend notwendig, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen.

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Familienunternehmen entsetzt über Zerstörung der Schuldenbremse

Der Verband Die Familienunternehmen zeigen sich entsetzt über Zerstörung der Schuldenbremse. "Die Union hat sich beim Wunsch, sicherheitspolitisch den großen Wurf zu landen, von SPD und Grünen über den Tisch ziehen lassen. Von Wirtschaftsreformen oder einer Stabilisierung der Sozialversicherungen ist keine Rede mehr", sagte Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbands Die Familienunternehmer. "Ich kann nur entsetzt den Kopf schütteln beim Blick auf die gigantischen 500 Milliarden Euro Sonder-Schulden für die Infrastruktur." Der Verband lehne dies ab. Grundsätzlich sehe der Verfassungsgesetzgeber Ausnahmen von der Schuldenbremse - auch in Form von Sonder-Schulden - lediglich im Fall von Notlagen vor. Eine marode Infrastruktur sei jedoch kein unvorhergesehenes Ereignis, welches nicht auch im regulären Haushalt zu berücksichtigen gewesen wäre. Zudem sei der Begriff "Infrastruktur" bedenklich weit gefasst und berge riesige Missbrauchsgefahren. Angesichts der gewaltigen Dimension stelle sich außerdem die Frage nach Zins- und Tilgungslasten. "Wenn die Töpfe mal leer sind und nur noch die Kosten bleiben, werden sich alle Unternehmerinnen und Unternehmer wundern, wie schnell Grundsteuer, Gewerbesteuer, Erbschaftsteuer steigen werden", warnte sie.

FDP unter Umständen bereit für Zustimmung zur Reform der Schuldenbremse

Die FDP ist nach den Worten ihres Fraktionschefs Christian Dürr unter Umständen bereit, die Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse mitzutragen. "Höhere Verteidigungsausgaben außerhalb der Schuldenbremse könnten wir mittragen, denn die Stärkung der Truppe hat in diesen Zeiten Priorität", sagte Dürr der Rheinischen Post. "Was aber nicht passieren darf, ist, dass die dauerhaften Verteidigungsausgaben auf 1 Prozent reduziert werden, damit die SPD mehr Spielgeld im Haushalt zur Verfügung hat. Im Gegenteil: Die regulären Verteidigungsausgaben müssen fest bei 2 Prozent verankert werden, denn sie sorgen für Planungssicherheit und Verlässlichkeit bei der Bundeswehr. Darüber werden wir mit der Union sprechen", sagte Dürr. "Ein schuldenfinanziertes Sondervermögen für Infrastruktur, das alles Mögliche beinhaltet, ist für die FDP kein gangbarer Weg", betonte er. "Es ist offen gestanden enttäuschend, dass Herr Merz nicht einmal den Versuch unternimmt, Reformen umzusetzen, sondern alle Herausforderungen direkt mit Geld zuschüttet. Damit bricht die Union auch ein zentrales Wahlversprechen", so Dürr.

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Familienunternehmen: Können strukturellen Probleme nicht nur Geld lösen

Die Familienunternehmen haben davor gewarnt, angesichts der geplanten neuen Ausgabenprogramme die Ursachen für Deutschlands konjunkturellen Probleme zu vernachlässigen. "Wir können die strukturellen Probleme nicht nur mit mehr Geld lösen. Höhere Schulden für die Verteidigung sind sicherlich unvermeidlich. Um den Investitionsstau in Deutschland aufzulösen, braucht es aber viel mehr als neue Kreditpakete", sagte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik. Für die Ankurbelung privater Investitionen seien schnelle Genehmigungen, weniger Bürokratie und Unternehmensteuersenkungen erforderlich. "Und was wir überhaupt nicht brauchen, wäre eine schuldenfinanzierte Reparatur der Infrastruktur und die Verwendung dadurch frei werdender Mittel für konsumtive Zwecke wie etwa neue Sozialprogramme", sagte er.

Haßelmann: CDU und CSU haben schamlos Wahlversprechen gebrochen

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, wirft CDU und CSU vor, ein zentrales Wahlversprechen "von heute auf morgen" gebrochen zu haben. "Sie hat den Bürgerinnen und Bürgern im Land versprochen, und darauf baut ihr Wahlsieg, dass es keine neuen Schulden gibt", sagte Haßelmann in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. Man habe immer behauptet, Deutschland habe kein Einnahmeproblem, Deutschland habe ein Ausgabeproblem. Die Grünen hätten dagegen sehr deutlich gemacht, dass das Land Investitionen in Klimaschutz, wirtschaftliche Entwicklung, Infrastruktur aber auch in die Verteidigung benötige. Markus Söder und Friedrich Merz hätten das stets verneint. Stattdessen habe man nach der Wahl Wahlversprechen rasant und schamlos gebrochen.

JU-Vorsitzender sieht finanzpolitische Einigung als Niederlage für die Union

Union und SPD ziehen mit ihrer Einigung auf Milliarden-Investitionen in Bundeswehr und Infrastruktur Kritik auf sich. Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, sprach im Deutschlandfunk von einer Niederlage für die Union. Dass man lieber Schulden mache als Strukturreformen anzugehen, sei vor allem aus Sicht der jungen Generation ein harter Schlag. CDU und CSU seien den Sozialdemokraten weit entgegengekommen, sagte Winkel. Sie müssten jetzt bei anderen Themen wie der Migrations- und der Rentenpolitik ihre Standpunkte durchsetzen. Der angekündigte Politikwechsel müsse kommen, forderte Winkel, der als Abgeordneter in den neuen Bundestag einzieht.

Baugewerbe: Sondervermögen ist historische Chance

Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe, hält die angekündigten Pläne zur Einrichtung eines 500-Milliarden-Euro-Sondervermögens für Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaft für eine dringend benötigte Modernisierungsoffensive. "Wir erwarten nicht nur wirtschaftliche Impulse, sondern auch eine Stärkung unserer nationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die Bauwirtschaft ist froh, dass Schwarz-Rot diesen Schritt gehen will", sagte er. Gleichzeitig bleibe es aber Aufgabe der neuen Bundesregierung, den Bundeshaushalt strukturell in Ordnung zu bringen, denn grundsätzlich müssten dauerhafte Aufgaben aus dem regulären Haushalt finanziert werden. Klar sei aber auch, dass Geld allein nicht ausreiche. Die Prozesse müssten schneller werden, das Nadelöhr seien die Planungs- und Verwaltungskapazitäten. "Gerade bei Infrastrukturprojekten dauern Planungen und Genehmigungen erheblich länger als das Bauen selbst. Behörden und Planungsämter müssen personell ausgebaut werden. Nur so können wir die geplanten Investitionen auch bauen", sagte er.

Wirtschaftsweise Grimm: Neue Schulden ohne Reformen wären "Weg in den Abgrund"

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat Union und SPD vor einer massiven Schuldenaufnahme zur Finanzierung steigender Verteidigungsausgaben gewarnt. "Wir brauchen in der Tat eine schnelle Steigerung des Verteidigungsbudgets. Aber ohne Reformen ist das ein Weg in den Abgrund", sagte die Professorin an der TU Nürnberg im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die Sozialausgaben stiegen immer stärker und würden aufgrund der Demografie ohnehin schwer zu bremsen sein. "Es ist also eine extrem riskante Wette, den Reformbedarf durch Verschuldung immer weiter hinauszuschieben. Die Chancen, dass das gut geht, stehen schlecht", sagte die Ökonomin.

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March 05, 2025 06:09 ET (11:09 GMT)