Plötzlich ganz bescheiden

Apple-Rally: Warum der Strategie-Schwenk funktionieren könnte

24.09.19 07:16 Uhr

Apple-Rally: Warum der Strategie-Schwenk funktionieren könnte | finanzen.net

Erstmals verkauft der Technologiekonzern Apple sein neuestes iPhone günstiger als zuvor. Er greift auch bei Streamingdiensten mit Kampfpreisen an. Die neue Strategie könnte funktionieren.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Es hat gereicht. Seit Dienstagabend ist der Technologiekonzern Apple wieder mehr als eine Billion Dollar an der Wall Street wert. Die Vorstellung neuer Produkte, allen voran der neuen iPhone- Versionen, kamen bei Investoren besser an als erwartet. Ging der Aktienkurs zu Beginn des Handelstags noch auf Tauchstation, so drehte er nach der Präsentation von Konzernchef Tim Cook in New York ins Plus.

Wohl auch, weil Apple erstmals bescheidener wird. Cook hat offenbar erkannt, dass Kunden Preissteigerungen wie bisher nicht mehr akzeptieren. Erstmals in der Firmengeschichte bot Apple daher neue Produkte günstiger an als im Vorjahr. So ist das iPhone 11 bei seinem Debüt 50 Dollar billiger, als das neue Modell im Vorjahr war. Der Konzern senkte auch die Preise für ältere Handys deutlich, das Modell XR aus dem Jahr 2018 und das iPhone 8, das als Einsteigerversion im Portfolio bleibt, gibt es künftig jeweils 190 Dollar billiger. Bei den Top-Modellen iPhone 11 Pro und Pro Max mit drei statt zwei Kameralinsen und angeblich bis zu fünf Stunden mehr Akku-Laufzeit wurde ebenfalls auf höhere Preise verzichtet.

Für Analyst Chris Casio von der US-Investmentbank Raymond James waren die neuen Preise "die wichtigste Nachricht" des Events: "Wir werten das als Eingeständnis, dass Apple 2018 über­zogen hat", sagt Casio.

Konkurrenz stark, Markt schwierig


Für den erfolgsverwöhnten Technologiekonzern, dessen Geschäft weiterhin vom iPhone geprägt wird, ist es wohl der einzige Weg, um die Verkaufszahlen im wichtigen Weihnachtsquartal an­zu­kurbeln. Der US-Marktforscher IDC erwartet beim iPhone-Absatz in diesem Jahr ein Minus von 15 Prozent. Zum ­Vergleich: Der weltweite Smartphone-­Markt soll demnach um mehr als zwei Prozent schrumpfen - es wäre der dritte Rückgang in Folge.

Apples neue Bescheidenheit steht im Zentrum der Strategie. So wolle der Konzern seine Kunden überzeugen, später auch die Dienstleistungen zu nutzen, sagt etwa IDC-Analyst Jitesh Ubrani. Bei ihnen tritt Apple mit dem Streaming­service TV+ für Filme und Serien sowie dem Dienst Arcade für Onlinevideo­spiele als Neueinsteiger gegen starke ­Rivalen an.

Mit TV+ geht es für Apple ab November in hundert Ländern gegen Netflix, Amazon und den Medienriesen Disney. Bei Onlinevideospielen muss sich Apple gegen Rivalen wie Microsoft und Sony durchsetzen. In beiden Märkten greift der Konzern mit Kampfpreisen an: Die Streaming-Abos der Kalifornier kosten jeweils knapp fünf Dollar pro Monat. Primus Netflix berechnet mehr als zwölf Dollar. Bonus für die Käufer von Apple-Hardware: Wer ein iPhone, iPad oder einen Computer erwirbt, kann die beiden Dienste ein Jahr lang kostenlos nutzen.

Mehr Schwung für Dienste


Der Streaming-Vorstoß soll Apples Dienstleistungsgeschäft noch mehr Schwung verleihen und die Abhängigkeit des Konzerns vom iPhone verringern. Die riesige Basis von weltweit mehr als 1,4 Milliarden Apple-Geräten - 900 Millionen davon sind iPhones - erleichtert den Start wohl erheblich. Dan Ives von der US-Bank Wedbush Securities traut Apple "in drei bis vier Jahren 100 Millionen Abonnenten" zu.

Dennoch wird es ein hartes Stück ­Arbeit. Nur wenige Menschen nutzen mehr als zwei oder drei Streamingdienste gleichzeitig. Netflix hat weltweit mehr als 150 Millionen Abonnenten. Amazon Prime Video wird in den USA von mehr als 88 Millionen abonniert und ist im westlichen Ausland sehr ­beliebt. Neueinsteiger Disney kann auf attraktive Inhalte zurückgreifen - und geht mit Kampfpreisen an den Start.

Nicht nur Tim Cook sieht Apple auf dem richtigen Weg. Im zweiten Quartal wurden zwölf Prozent Umsatzrückgang bei den iPhones durch andere Bereiche kompensiert. Insgesamt stieg der Umsatz um ein Prozent auf 53,8 Milliarden Dollar, gut 21 Prozent steuerten die Dienste bei. Und Handys lieferten erstmals seit 2013 weniger als die Hälfte des Gewinns. Die Wall Street schätzt es sehr, dass Apple nicht mehr so stark vom iPhone abhängig ist.

Investor-Info

Apple
Energie im Akku


Mit rund 211 Milliarden Dollar hat Apple die mit Abstand höchsten Cashreserven im Techsektor. Der hochprofitable Konzern kann sich seine Kampfpreise beim Streaming leisten. Ressourcen für einen raschen Ausbau der Inhalte sind vorhanden. Ein Manko: Apple fertigt vieles in China. Die ab Dezember geplanten US-Zölle auf Computer und Handys sind vorübergehend ein Risiko. Seit Jahresbeginn hat die Aktie schon über 40 Prozent zugelegt. Dennoch langfristig aussichtsreich.






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