Aktien heben ab: E.ON will sich mit RWE-Tochter innogy im Netzgeschäft verstärken
Auf dem deutschen Strommarkt bahnt sich eine weitreichende Neuordnung an.
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Der Energiekonzern E.ON will den Ökostromanbieter innogy von RWE übernehmen. Beide Seiten hätten darüber eine Grundsatzvereinbarung erzielt, teilten sie in der Nacht zum Sonntag mit. Danach soll E.ON die komplette knapp 77-prozentige Beteiligung von RWE an innogy bekommen. Im Gegenzug überträgt E.ON Teile des eigenen Geschäfts an RWE.
RWE erhält dabei zunächst 16,67 Prozent an E.ON. Überdies soll RWE weite Teile des E.ON-Geschäftes mit Erneuerbaren Energien übernehmen. Auch das Ökostrom- und das Gasspeichergeschäft von innogy sollen bei RWE landen. Ferner würde RWE die E.ON-Minderheitsbeteiligungen an den RWE-Kernkraftwerken Emsland und Gundremmingen übernehmen, die von der E.ON-Tochter PreussenElektra gehalten werden. RWE würde dafür E.ON einen Kaufpreis von 1,5 Milliarden Euro zahlen.
Den ausstehenden innogy-Aktionären will E.ON ein Übernahmeangebot machen, das nach aktuellem Stand bei 40 Euro je Aktie liegt und die unterstellten Dividendenzahlungen für 2017 und 2018 einschließt.
Die Kontrollgremien beider Seiten müssen der Transaktion noch zustimmen. Auch bedarf es einer Freigabe durch die Kartell- und Aufsichtsbehörden. Dies könnte angesichts der weitreichenden Überlappungen bei den geschäftlichen Aktivitäten aller Beteiligten ein kompliziertes Verfahren werden.
Wenn der Deal gelänge, käme es zu weit reichenden Verschiebungen auf dem deutschen Energiemarkt. E.ON würde sich weitgehend zugunsten von RWE aus dem Geschäft mit Erneuerbaren Energien verabschieden und sich selbst auf das lukrative Netzgeschäft konzentrieren.
In der Union wird der von E.ON und RWE geplante Mega-Umbau in der Energiebranche positiv aufgenommen. "Es bietet sich dadurch die Chance, schlagkräftige Player auf dem deutschen und europäischen Energiemarkt zu bekommen", sagte der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer, dieser Nachrichtenagentur.
Die sich aus der Aufteilung der RWE-Ökostromtochter innogy ergebende Flurbereinigung in der Energiewirtschaft hält der Abgeordnete grundsätzlich für eine gute Idee. Er könnte "eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen RWE und E.ON ermöglichen", meinte Pfeiffer. Er erinnerte daran, dass die deutschen Platzhirsche vor 15 Jahren im europäischen Maßstab noch zu den Riesen zählten, ihre Bedeutung aber zuletzt schwer gelitten habe.
Kritik an dem Milliardengeschäft kam hingegen von den Grünen. "Ein neuer Gigant im deutschen Energiemarkt würde die Dynamik und den Wettbewerb bei der Energiewende massiv gefährden", erklärte Fraktionsvize Oliver Krischer. Durch die Fusion von E.ON mit dem Netzgeschäft der innogy könnten Rücklagen für die Renaturierung der RWE-Braunkohletagebaue gefährdet sein, befürchtet Krischer. "Das darf nicht passieren", mahnte der Politiker.
Die Bundesregierung wollte zur Neuvermessung des Energiemarktes keine Stellung beziehen. "Das sind unternehmerische Vorgänge beziehungsweise Entscheidungen, die wir als Bundesregierung nicht bewerten oder kommentieren", erklärte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums.
Die Aufsichtsräte der Energiekonzerne E.ON und RWE kommen noch am Sonntag zusammen, um über die geplante Übernahme innogy und die anschließende Zerschlagung des Unternehmens zu beraten. RWE besitzt noch knapp 77 Prozent an der grünen Tochter. Mit einem Vertragsabschluss wird aber erst am Montag gerechnet, wie aus Kreisen der Unternehmen verlautete.
Der Ökostromanbieter Lichtblick forderte nach Bekanntwerden der Pläne eine scharfe Kontrolle durch das Kartellamt. "Hier entsteht ein Mega-Konzern mit großer Marktmacht. Das gefährdet den Wettbewerb im Strommarkt und könnte auf Dauer zu höheren Strompreisen für die Verbraucher führen", warnte Lichtblick-Chef Wilfried Gillrath.
Durch die Zerschlagung von innogy würde E.ON zu einem der größten Strom- und Gasnetzbetreiber. RWE wiederum, so der Plan, verleibt sich das innogy-Geschäft mit Windstrom und Solarenergie wieder ein und bekommt den gleichen Bereich von E.ON hinzu. Damit würde RWE zu den größten Stromerzeugern Europas aufsteigen.
Details der Transaktion sind in den nächsten Tagen auf den Bilanzpressekonferenzen zu erwarten. Am Montag legt innogy seine Zahlen vor, am Dienstag folgt der Mutterkonzern RWE und am Mittwoch E.ON.
Der Wettbewerbsexperte Justus Haucap sieht in der Übernahme von innogy durch E.ON ebenfalls kein Problem. "Aus Wettbewerbssicht ist der Deal ziemlich unproblematisch. Die Netze unterstehen ohnehin der Regulierung durch die Bundesnetzagentur oder Landesregulierungsbehörden, dabei ist es völlig egal, ob innogy oder E.ON die Eigentümer sind", sagte Haucap, Professor an der Universität Düsseldorf und früher Mitglied der Monopolkommission, der Rheinischen Post.
Auch im Stromvertrieb sieht er wenig Probleme: "Im Vertrieb haben wir sowohl bei Geschäftskunden als auch bei Privatkunden einen sehr aktiven Wettbewerb mit zahlreichen Anbietern. Ob es da nun einen Anbieter mehr oder weniger gibt, ist für den Wettbewerb fast egal."
Haucap verwies auf die Entwicklung des Marktes: "Vor zehn Jahren hätte ich eine solche Fusion anders beurteilt, und die Kartellbehörden hätten ein solches Vorhaben wohl auch kaum genehmigt. Inzwischen ist die Marktmacht der ehemals "großen vier" aber fast völlig zerbröselt und die Fusion daher auch nicht kritisch."
Aktien auf Höhenflug
Die Anleger am deutschen Aktienmarkt haben am Montag euphorisch auf die geplante Zerschlagung der RWE-Ökostromtochter reagiert. Investoren könnten fortan eine klarere Wahl haben, auf was sie in der Branche setzen wollten - Stromproduktion oder Stromhandel und Weiterleitung, sagte ein Händler.
Die Aktien von innogy schlossen als unangefochtener Favorit im Index der mittelgroßen Werte MDAX um 12,08 Prozent auf 38,70 Euro nach oben. Das zwischenzeitliche Tageshoch bei 40,03 Euro entsprach den 40 Euro, die E.ON den innogy-Minderheitsaktionären bietet. Die Summe setzt sich aus dem Angebotspreis von 36,76 Euro sowie den unterstellten innogy-Dividenden von 3,24 Euro für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 zusammen.
Die Aktien von RWE zogen an der DAX-Spitze um gut 9,20 Prozent auf 19,65 Euro an. Mehr hatten sie zuletzt Mitte Dezember gekostet, bevor innogy die Anleger mit einer Gewinnwarnung geschockt hatte. Beide Aktien waren daraufhin eingebrochen. innogy haben die zwischenzeitlichen Verluste inklusive eines Rutsches unter die Marke von 29 Euro infolge des Kurssprungs vom Montag wieder wettgemacht.
Für die Anteilsscheine von E.ON ging es zum Wochenstart um 5,36 Prozent auf 8,91 Euro nach oben. "Die Aktivitäten von E.ON und innogy sind strukturell und regional recht identisch", sagte Analyst Sven Diermeier von Independent Research. Das Vorhaben erscheine schlüssig, auch wenn es für die E.ON-Aktionäre eine Anteilsverwässerung bedeute.
Insgesamt sei der Einfluss der Transaktion auf den E.ON-Aktienkurs denn auch am schwersten einzuschätzen, erklärte Analyst Lüder Schumacher von der französischen Großbank Societe Generale. Durch die Kapitalerhöhung zahle E.ON im Grunde mit einer zu niedrig bewerteten Währung - der Experte hält die E.ON-Aktien also für unterbewertet. Im Gegenzug erhalte E.ON aber das Stromnetz und damit die Kronjuwelen von innogy.
Gerade die Netze sind laut Schumacher der Schlüssel im laufenden Wandel der Energiebranche. Das verhelfe E.ON mittelfristig zu einer attraktiven Stellung. Kurzfristig dürfte der Fokus aber auf der Kapitalerhöhung und dem Preis für innogy liegen, was den Kurs belasten könnte.
Das RWE-Management habe derweil - angesichts einer überschaubaren Anzahl potenzieller Käufer - eine machbare Lösung für die Zukunft der innogy-Beteiligung gefunden. RWE würde einen ordentlichen Preis erhalten und der Ökostrom-Anteil des Versorgers würde steigen. Letztendlich könnten Investoren RWE endlich als Einzelunternehmen mit klarem Fokus bewerten.
RWE hatte einst als Reaktion auf den eingeleiteten Atomausstieg sein Zukunftsgeschäft mit Netzen, Vertrieb und Ökostrom in innogy gebündelt und im Herbst 2016 an die Börse gebracht. Bei RWE selbst verblieben die Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke sowie der Großhandel mit Strom.
Vorausgegangen war eine jahrelange Talfahrt der Kurse wegen schwacher Strompreise auch infolge der Energiewende sowie des Atomausstiegs Deutschlands. 2017 erholten sich die Aktien von RWE mit einem Plus von knapp 44 Prozent und E.ON mit einem Anstieg um rund 35 Prozent dann deutlicher. Langfristig bleibt das Bild aber trüb. Zum Vergleich: Vor dem Umdenken der Politik in Sachen Atomkraft infolge der Nuklearkatastrophe von Fukushima hatten RWE-Aktien mehr als 50 Euro und E.ON-Papiere um die 25 Euro gekostet.
/mis/jkr/das
FRANKFURT (Dow Jones)/(dpa-AFX Broker)
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Bildquellen: innogy SE, Patrik Stollarz/AFP/Getty Images
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14.08.2024 | EON SE Sector Perform | RBC Capital Markets |
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