Neuer Chef vor der Tür

SGL Carbon: Noch immer Stückwerk

18.12.13 15:00 Uhr

Die Partnerschaft mit BMW, ein harter Sparkurs und ein neuer Chef haben die Aktie des Grafitspezialisten SGL Carbon ­angetrieben. Die Kernprobleme aber sind damit nicht gelöst.

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von Sven Parplies, Euro am Sonntag

Die Zukunft beginnt jetzt: Seit November verkauft BMW sein neues Elektroauto i3. Zu seinen Besonderheiten gehört die Fahrzeugkabine. Sie besteht aus mit Carbonfasern verstärktem Kunststoff. Dem Werkstoff Carbonfaser wird trotz derzeit noch hoher Herstellungskosten eine große Zukunft vorausgesagt, da er Leichtigkeit und Stabilität verbindet. BMW setzt dabei auf das Fachwissen von SGL Carbon. Für den Grafitspezialisten aus Wiesbaden ist der i3 Schlüsselprojekt und Hoffnungsträger.

Die Investmentbank M.M. Warburg hat nachgerechnet: Das Gemeinschaftsunternehmen von BMW und SGL könne auf Basis der aktuellen Kapazität Carbonfasern für jährlich circa 11.500 Stück des i3 produzieren. BMW hat nach ei­genem Bekunden bereits Aufträge für 1.000 E-Autos eingesammelt. Und das, obwohl der Verkaufsstart in den USA und Asien noch aussteht. Außerdem dürfte BMW Carbonfasern bald auch in anderen Modellen seiner Flotte verarbeiten. Die Produktionskapazitäten sollen entsprechend ausgeweitet werden.

Klingt alles prima, doch die Euphorie bei SGL hält sich in Grenzen. Das Problem: Das Carbonfasergeschäft ist nur ein kleiner Geschäftsbereich. Das Kerngeschäft von SGL sind Grafitelektroden, die bei der Stahlschmelze eingesetzt werden. Doch der Stahlmarkt leidet unter massiven Überkapazitäten. Selbst im Bereich Carbonfasern läuft vieles unrund. Dort belasten unter anderem Anlaufkosten und Verzögerungen bei Projekten mit Flugzeugherstellern das Geschäft. Entsprechend finster sind die Geschäftszahlen von SGL Carbon: In den Monaten Juli bis September hat das im MDAX notierte Unternehmen eine Verlust von 35 Millionen Euro erwirtschaftet, rund sechs Millionen mehr als im Vorjahreszeitraum.

Harte Einschnitte
Kurz vor dem Jahreswechsel verschärfen die Hessen jetzt den Sparkurs: Weltweit sollen 300 Arbeitsplätze gestrichen werden, die Hälfte davon in Deutschland, kündigte SGL in dieser Woche an. Weltweit beschäftigt SGL 6.700 Personen. Mit den Maßnahmen werde die SGL Gruppe „effizienter und schlagkräftiger“, verspricht der designierte Vorstandschef Jürgen Kohler, der zum Jahreswechsel an die Spitze rücken wird. SGL will bis Ende 2015 die Kosten um 150 Millionen Euro drücken, 50 Millionen davon bis zum Jahresende 2013.

Börsianer setzen darauf, dass mit diesen Einschnitten die Basis für eine Trendwende gelegt ist und das Unternehmen in die Gewinnzone zurückkehrt. Seit Anfang Juli ist die Aktie in der Spitze um 50 Prozent gestiegen. Die Masse der Analysten aber kann sich noch immer nicht für das Papier begeistern. Neben den vielen Baustellen im operativen Geschäft bereitet das Bewertungsniveau der Aktie Bauchschmerzen. Die Berenberg Bank kalkuliert, dass bei einem Kurs von 30 Euro eine erfolgreiche Restrukturierung bereits im Kurs verarbeitet ist.

Gestützt wird die Aktie durch schwelende Übernahmespekulationen. Größter Anteilseigner ist die Beteiligungsgesellschaft Skion von BMW-Großaktionärin Susanne Klatten mit knapp 27 Prozent. BMW selbst hält weitere 16 Prozent. Diesem Block entgegen steht Volkswagen mit zehn Prozent und die Voith GmbH mit neun Prozent. BMW hat zuletzt Anfang November bekräftigt, man sei nicht an einer Übernahme interessiert. Denkbar wäre, dass Skion SGL von Börse nimmt, saniert und später womöglich aufspaltet. Das aber ist pure Spekulation. Auch der zum Jahreswechsel anstehenden Chefwechsel — von Robert Koehler zu Jürgen Kohler — deutet nicht auf einen dramatischen Schwenk hin. Die Personalentscheidung stehe „für Kontinuität und die konsequente Umsetzung der bereits eingeleiteten Maßnahmen“, heißt es bei SGL.

Auch wenn der erfolgreiche Start des i3 die Aufmerksamkeit stärker auf die Zukunftschancen von SGL lenken dürfte, überwiegen nach Einschätzung der Redaktion die Probleme der Gegenwart. Dass der scheidende Chef im Dezember Aktien im Wert von fast 992.000 Euro verkauft, ist nicht gerade ein Vertrauensbeweis. Solange sich im operativen Kerngeschäft keine klare Verbesserung abzeichnet, bleiben wir bei unserer negativen Einschätzung der Aktie.

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