Neue Euro-Krise voraus?

Si oder No: Darum geht es in Italiens Referendum wirklich

04.12.16 11:50 Uhr

Si oder No: Darum geht es in Italiens Referendum wirklich | finanzen.net

Eigentlich wird in Italien am Sonntag nur über eine Verfassungsänderung abgestimmt, doch in Wahrheit geht es um viel mehr. Die italienischen Machtspiele könnten zu einer neuen Euro-Krise führen.

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Seit dem Zweiten Weltkrieg hat es in Rom keine Regierung geschafft, sich für fünf Jahre an der Macht zu halten. Das Land gilt freundlich formuliert als "schwer regierbar". Deshalb versucht Ministerpräsident Matteo Renzi nun den großen Wurf und lässt die Italiener am 4. Dezember über die größte Verfassungsreform seit dem Krieg abstimmen.

Der Regierungschef will ganze 46 der insgesamt 139 Artikel der italienischen Verfassung umschreiben. Dadurch soll das Land besser regierbar und schneller reformierbar werden. Um dem Chaos seit 1945 ein Ende zu setzen, soll unter anderem die Macht des Regierungschefs gestärkt werden.

Maria Elena Boschi, Ministerin für Reformen und Beziehungen zum Parlament, wirbt für ihren Reformvorschlag: "Italien braucht diese Reform, damit es in Zukunft einfacher und effizienter im Sinne der Bürger funktioniert. Auch auf europäischer Ebene wird die Reform uns glaubwürdiger machen und unseren Einfluss stärken. Effizientere Institutionen werden sicher zu stabileren Regierungen fühlen."

Verfassungsreform oder Vertrauensfrage?

Das Problem bei der Abstimmung am Sonntag ist, dass es inzwischen gar nicht mehr um Inhalte geht. Vielmehr ist das Referendum längst zu einer Vertrauensabstimmung über die Regierung von Renzi geworden.

Der Ministerpräsident hatte schon früh seine politische Zukunft an ein "Si" geknüpft und für den Fall eines Scheiterns seinen Rücktritt angekündigt. Dass dies ein Fehler war, hat Renzi dann im Sommer eingeräumt. Denn seine Ankündigung hat dazu geführt, dass die Abstimmung am Sonntag als Möglichkeit für eine Protestwahl aufgefasst wird.

Die Mehrzahl der Umfragen sagt eine Niederlage Renzis voraus. Die Fraktion der "No"-Sager reicht dabei von ganz rechts bis ganz links. Dabei eint sie der Wunsch, Renzi abzusetzen. Im Grunde befindet sich das Land im Wahlkampf-Modus. Zu Renzis Gegnern gehören so prominente Namen wie Beppe Grillo, Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, oder Stefano Parisi. Der Wirtschaftsliberale wirft Renzi vor, das Land entzweit und nicht geeint zu haben. Und auch der ehemalige Regierungschef Silvio Berlusconi macht gegen Renzi Stimmung.

Neue Euro-Krise voraus?

Das Referendum in Italien hat das Potenzial, große Wellen zu schlagen und droht die gesamte Eurozone zu erschüttern. Ein Sieg des "No"-Lagers wäre nicht nur eine Absage an weitere Reformen in Italien sondern auch an die Eurozone.

Die Kapitalmärkte dürften eine Niederlage Renzis so interpretieren, "dass die Überlebensfähigkeit Italiens in der Eurozone in Frage gestellt wäre", sagt Carsten Klude von MM Warburg. In der Folge würden die Zinsaufschläge für italienische Staatsanleihen vermutlich deutlich zulegen.

Dies hätte für die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone schwerwiegende Folgen, beläuft sich der Schuldenberg doch auf über zwei Billionen Euro. Die einzige Hoffnung wäre dann ein Einschreiten der Europäischen Zentralbank (EZB), denn der Rettungsschirm ESM verfügt mit rund 373 Milliarden Euro bei weitem nicht über genügend Mittel, um ein ausreichendes Rettungspaket für Italien zu schüren.

Verschärft wird die Lage noch durch die angeschlagenen italienischen Banken, die unter einem Haufen fauler Kredite ächzen. Scheitert das Referendum, werden ihnen die Märkte schwerlich das dringend benötigte frische Kapital zur Verfügung stellen. Wie die "Financial Times" berichtete, droht bei einem "Nein" bis zu acht Kreditinstituten der Zusammenbruch. Besorgniserregend ist zudem, dass die Krise auf weitere Euro-Staaten mit Problemen im Bankensektor übergreifen könnte.

Das Worst-Case-Szenario dürfte so aussehen, dass Neuwahlen abgehalten werden und die Fünf-Sterne-Bewegung die Macht in Rom übernimmt. Die Populisten wollen den Euro-Austritt Italiens und streben hierzu ein Referendum an.



Redaktion finanzen.net

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