Musikindustrie

Kartenverkauf: Kampfschreie an der Abendkasse

04.10.13 03:00 Uhr

Anspruchsvolle Künstler und immer teurere Shows drücken die Margen der Konzertveranstalter. Um die letzte lukrative ­Nische — das Ticketing — ist ein verbissener Kampf entbrannt.

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von Peer Leugermann, Euro am Sonntag

Die Hüfte stößt zweideutiger nach vorn, als es das kreisende Becken von Elvis Presley je getan hat. Im Takt schießen Flammenfontänen in den Nachthimmel, neongrüne Scheinwerfer zerschneiden die Dunkelheit, jede Unterleibszuckung löst einen Kreischkrampf weiblicher Fans aus. Willkommen auf einem Konzert von Superstar und Schmusebarde Bruno Mars. Doch die gigantische Show, dank Welttournee von Mars im Oktober und November auch hierzulande zu bewundern, soll nicht nur den Östrogenausstoß der Besucherinnen beflügeln.

In der gebeutelten Musikbranche hat der Tourneebetrieb schon längst die schleppenden CD-Verkäufe als Haupt­einnahmequelle abgelöst. „Songs und Singles sind heute nur noch Trailer für die Tournee, mit d­enen das Publikum zum Kauf von Eintrittskarten veranlasst wird“, sagt Professor Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Veranstaltungswirtschaft (bdv).

Vom Geschäft mit den schwitzenden Massen in ausverkauften Konzertsälen wollen allerdings vor allem prominente Künstler wie Mars ein immer größeres Stück abhaben. Der 27-jährige gebürtige Hawaiianer etwa erhält laut US-Magazin „Forbes“ inzwischen Gagen jenseits einer Viertelmillion Dollar pro Abend.

Lichteffekte und Tontechnik werden zudem immer bombastischer und teurer — für die Konzertveranstalter bleibt damit immer weniger. Selbst internationale Top-Acts bringen Veranstaltern nur noch um die sieben bis acht Prozent operative Marge.

Europas Branchenkönig Klaus-Peter Schulenberg hat die Entwicklung schon früh kommen sehen. Der Gründer von CTS Eventim setzte deshalb von Anfang an vor allem auf den Ticketverkauf. Heute ist dieser Bereich das letzte verbliebene Wachstumsfeld der Musikbranche.

Schwarze Messen für die Massen
Der clevere Firmengründer profitiert auch vom Comeback längst ­ergrauter Rocklegenden wie etwa Black Sabbath samt Frontmann Ozzy Osbourne, die es auf ihrer angeblich allerletzten Tour sich und den Fans noch mal beweisen wollen. Die Metal-Greise setzen auf die reichweitenstarke Ticketplattform von Schulenberg. Die Konzerte überlässt der Geschäftsmann hierzulande nur zu gern der kleineren Berliner DEAG.

Zu Schulenbergs Leidwesen will jetzt Erzrivale Live Nation rein ins europäische Geschäft mit Konzerten und Tickets. Die Amerikaner sind weltweite Nummer 1 in beiden ­Sparten. Live-Nation-Boss Michael Rapino, mit Schmalzlocke und Dreitagebart optisch nahe an den Popstars, posaunte jüngst Kampfan­sagen über den Atlantik: In jedem ­größeren europäischen Markt werde jetzt eine aggressive Strategie verfolgt. Ziel sei es, überall Nummer 1 oder 2 zu werden.

Der Wettbewerb dürfte verbissen geführt werden — vor allem im Kartenverkauf. Kein Wunder: Bei CTS etwa legte die Sparte als einzige in den vergangenen Jahren beim Umsatz kontinuierlich zu, die Einnahmen aus Konzerten hingegen legen kaum noch zu. Live Nation schrieb in den vergangenen drei Jahren im Veranstaltungsbereich sogar Verluste, die Ticketverkäufe hingegen brachten steigenden Profit.

Gral der Profitabilität
Zweierlei macht den Ticketvertrieb zum heiligen Gral der Profitabilität: Die Vorverkaufsstellen schlagen üblicherweise zehn Prozent Gebühren auf die Tickets, der Kunde akzeptiert es, da der Vertrieb in der Regel exklusiv ist. Dank niedriger Fixkosten wird so bereits ab der ersten Karte, die über den Ladentisch wandert, verdient. CTS etwa brachte es hier zuletzt auf operative Renditen jenseits der 30-Prozent-Marke.

Konzertveranstalter tragen hin­gegen ein ungleich höheres unternehmerisches Risiko — von der Saalmiete über Versicherungen bis hin zur Künstlergage.

Doch am lautesten klingeln die Kassen, wenn Karten online gekauft werden. Hier entfallen auch noch die Kosten für die Vorverkaufsstellen. Die Kartenverkäufer schröpfen ihre Kunden beim Onlinekauf aufgrund ihrer Marktmacht sogar weiter. „Skalpieren“ wird die Praxis in der Branche genannt, bei der nochmals Abgaben auf den Ticketpreis aufgeschlagen werden.

Diese beginnen bei einer Onlinegebühr und können bis zum Obolus für das heimische Ausdrucken der Karte reichen. Maßnahmen, die im Fall von CTS Eventim zu einer sechs Mal höheren Wertschöpfung im Onlineverkauf im Vergleich zum stationären Vertrieb führen.

Gründe genug, weshalb Live-Nation-Boss Rapino heiß auf den europäischen Markt ist. Branchenkenner sagen den Amerikanern insbesondere in Deutschland, Österreich und der Schweiz jedoch einen steinigen Weg voraus. Schulenberg sitzt hier mit einem Marktanteil von weit über 80 Prozent fest im Sattel. Überdies stagniert hierzulande der Anteil über das Internet verkaufter Tickets bei etwas über 40 Prozent.

Einfach mit dem Gesamtmarkt zu wachsen ist in Europas größtem Markt nur schwer möglich. Um Marktanteile zu erobern, gehen die Amerikaner daher ungewöhnliche Wege. So erhält der Veranstalter DEAG von Live Nation eine Beteiligung an den Vertriebserlösen aus dem Kartenverkauf für Konzerte. Live Nation will dadurch sein Ticket­angebot steigern. Schritte, die allerdings zulasten der Rentabilität gehen. Die operative Gewinnmarge im Kartenverkauf der Amerikaner liegt mit gut 20 Prozent jetzt schon unter der von CTS.

An Adrenalin mangelt es dem jugendlich gebliebenen Live-Nation-Lenker Rapino gewiss nicht. Doch es dürfte dauern, bis das Europa-Geschäft auch die Glückshormone des Amerikaners tanzen lässt.

Investor-Info

Ticketvertrieb
Online stagniert

Nach rasantem Aufwärtstrend stagniert inzwischen der Anteil der via Internet verkauften Tickets. 2012 erwarben 42 Prozent der Konzertbesucher ihre Karten online, ähnlich viele wie im Vorjahr. Der Vertriebsanteil der seit Jahren rückläufigen stationären Vorverkaufsstellen erholt sich hingegen wieder. 

CTS Eventim
Margenstar

Der europäische Marktführer bei Konzertveranstaltungen und Kartenvertrieb ist bestens im Geschäft. Im ersten Halbjahr steigerte CTS Eventim den operativen Gewinn um ein Fünftel auf knapp 50 Millionen Euro. Dabei gewann das Unternehmen offenbar Marktanteile im Onlinevertrieb, das Geschäft zog stark an. Auch für das zweite Halbjahr rechnet CTS mit zweistelligen Wachstumsraten bei Umsatz und Gewinn. Starke Stellung, gute Aktie. Attraktiv.

Live Nation
Roter Bereich

Das amerikanische Unternehmen ist weltweit bei Konzerten und im Ticketgeschäft die Nummer 1. Doch in den vergangenen drei Jahren schrieb Live Nation Verluste. Dank anziehender US-Konjunktur und damit wieder volleren Konzertsälen hofft das Unternehmen für 2014 auf die Wende. Nur schwache ­ Turnaround-Fantasie. Abwarten.

DEAG
Profitable Nische

Europas Nummer 2 im Konzertgeschäft konzen­triert sich auf Klassik und Familienunterhaltung. Die Nische ist profitabel, im ersten Halbjahr stieg der operative Gewinn um rund ein Viertel auf 5,2 Millionen Euro. Gut gefüllte Konzertpipeline. Spekulativ.

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DatumRatingAnalyst
09:36CTS Eventim BuyHauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG
08:11CTS Eventim OutperformBernstein Research
08:01CTS Eventim BuyJoh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank)
21.11.2024CTS Eventim AddBaader Bank
21.11.2024CTS Eventim OverweightJP Morgan Chase & Co.
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28.03.2022CTS Eventim ReduceBaader Bank
24.03.2022CTS Eventim ReduceBaader Bank
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