Große Herausforderungen: Das ist das womöglich größte Problem für den neuen Amazon-Chef Andy Jassy
Wenn Andy Jassy das Amt des Amazon-CEO von Jeff Bezos übernimmt, erbt er damit auch eine ganze Reihe von Herausforderungen, vor denen der Online-Händler aktuell steht. Das womöglich größte Problem, das es zu lösen gilt, könnte dabei die Cloud-Sparte betreffen, die Jassy bisher geleitet hat.
Werte in diesem Artikel
• Amazon stehen mehrere Probleme ins Haus - von kartellrechtlichen Untersuchungen bis hin zu möglichem Kampf von Gewerkschaften gegen Arbeitsbedingungen
• Firmenkunden zunehmend besorgt über Wettbewerb durch Amazon
• Cloud-Sparte könnte Kunden an Konkurrenz verlieren
Wenn Amazon-Chef Jeff Bezos sich im dritten Quartal von seinem Posten als CEO zurückzieht, überlässt er seinem Nachfolger Andy Jassy nicht nur eines der wertvollsten Unternehmen der Welt, das in unzähligen verschiedenen Branchen aktiv ist, sondern auch jede Menge Probleme und Herausforderungen. So hat der Online-Händler unter anderem die skeptischen Blicke von Politikern in den USA und Europa auf sich gezogen, und auch die Amazon-Angestellten selbst könnten dem Konzern das Leben etwas schwerer machen. Doch das womöglich größte Problem droht aus einer anderen Richtung.
Zunehmend Gegenwind für Amazon aus Politik und Belegschaft
In Deutschland protestieren Angestellte und Gewerkschaften bereits seit längerem immer wieder gegen die Arbeitsbedingungen in den Logistikzentren von Amazon. Beklagt werden unter anderem Überwachung am Arbeitsplatz, ein zu hohes Arbeitspensum und mangelnder Schutz während der Pandemie. Nun gibt es auch in den USA einen neuen Vorstoß zur Gründung einer Gewerkschaft: In einem Logistikzentrum in Alabama können die Arbeiter bis Ende März über die Gründung einer Arbeitnehmervertretung abstimmen. Bislang waren solche Versuche bei Amazon in den USA allesamt gescheitert, und man darf wohl zurecht annehmen, dass der Online-Händler auch die aktuellen Bestrebungen der betroffenen Belegschaft nicht allzu gerne sieht: Laut Informationen von dpa-AFX hatte Amazon bis zuletzt versucht, die Abstimmung zu verzögern - jedoch ohne Erfolg.
Sollte sich in Alabama eine Gewerkschaft gründen, hätte diese zwar voraussichtlich keinen großen Einfluss, da in ihr nur ein winziger Bruchteil von Amazons rund 1,3 Millionen Angestellten organisiert wäre. Falls sich andere Standorte jedoch ein Beispiel daran nehmen sollten, könnte der Druck auf Amazon und den zukünftigen CEO Andy Jassy durchaus steigen. "Fast Company" geht in diesem Falle davon aus, dass die Arbeiterbewegung täglich die Aufmerksamkeit von Jassy fordern würde, da mit der gewerkschaftlichen Organisation der Angestellten auch politische, gesetzliche und administrative Anforderungen auf den Konzern zukommen würden. Jeff Bezos konnte dies bislang verhindern, Andy Jassy müsste jedoch womöglich lernen, mit dieser neuen Situation klarzukommen.
Auch der Politik ist Amazon - und vor allem dessen Marktmacht - allmählich ein Dorn im Auge. Nach anderen Tech-Konzernen könnte sich der Online-Gigant daher auch bald in den USA mit kartellrechtlichen Vorwürfen konfrontiert sehen. In Europa ist die EU-Kommission bereits im vergangenen Jahr zu dem Schluss gekommen, dass Amazon gegen Kartellvorschriften verstößt. Der Konzern soll nicht-öffentliche Geschäftsdaten von Dritthändlern systematisch genutzt haben, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen, so der Vorwurf. Angeblich überwache Amazon, welche Produkte von Fremdanbietern auf seiner Handelsplattform besonders erfolgreich seien, um dann eine Amazon-Version des betroffenen Produktes auf den Markt zu bringen und diese im Shop bevorzugt zu behandeln. Laut "Fast Company" will die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren es Technologie-Konzernen daher verbieten, einen Marktplatz zu betreiben, auf dem sie ihre eigenen Produkte neben denen anderer Händler verkaufen. Amazon hat die Vorwürfe bislang immer bestritten, an ihrer Existenz ändert dies jedoch nichts. Und sollten die USA tatsächlich kartellrechtlich gegen Amazon vorgehen - und womöglich dessen Zerschlagung fordern - wäre es an Andy Jassy, mit diesem Problem fertigzuwerden.
Konkurrenzangst könnte Amazons Cloud-Geschäft schaden
Doch die größte Herausforderung könnte sich womöglich in Andy Jassys altem Revier, der Cloud-Sparte Amazon Web Services (AWS), abspielen. Das sagte zumindest Orion Hindawi, CEO der Cybersicherheitsfirma Tanium, laut "GeekWire" Anfang Februar bei einer virtuellen Konferenz. Seiner Meinung nach könnte es hier zu einer massiven Kundenflucht kommen, die AWS als einem der größten Geldbringer von Amazon erheblich schaden würde. So würden etwa viele der Tanium-Kunden bereits über ihre Optionen im Cloudbereich nachdenken, weil sie Angst vor dem hätten, was Amazon tun könnte, sagte Hindawi. Laut dem Cybersicherheitsexperten würden die AWS-Kunden zunehmend befürchten, dass sich Amazon in ihrem Geschäftsfeld breitmachen könnte und sich fragen, ob sie durch die Nutzung von AWS einen direkten Konkurrenten stärken.
Tatsächlich ist Amazon in den letzten Jahren in immer mehr Branchen vorgedrungen - und hat laut "Fast Forward" auch eine Vorgeschichte von Fällen, wo es anderen Unternehmen und Startups zuerst durch Investitionen geholfen habe, nur um dann mit dem erhaltenen Wissen ein Konkurrenzprodukt auf den Markt zu bringen. Im Lichte der kartellrechtlichen Vorwürfe gegen Amazon scheint es daher wohl auch nicht unmöglich, dass Amazon das Wissen aus seinen Cloud-Diensten nutzt, um den eigenen Kunden Konkurrenz zu machen.
Ob dies nun tatsächlich der Fall ist oder sein wird, sei dahingestellt. Wichtig ist hier in erster Linie, was Amazons Cloud-Kunden denken und wie sie darauf reagieren - und laut Hindawi haben diese Angst, weil sie das Gefühl hätten, sich nicht auf AWS verlassen zu können, für den Fall dass Amazon als Konzern hinter AWS in ihren Markt eintritt oder dies vorhat. "Das ist ein Problem, denn Microsoft hat keine Absichten, in das Geschäft mit Petrochemie einzusteigen", so Hindawi laut "GeekWire". Zwar scheint es aktuell auch abwegig, dass Amazon ins Petrochemie-Business einsteigt, jedoch will Hindawi mit diesem Beispiel offenbar andeuten, dass man dem Online-Konzern mittlerweile wohl alles zutraut. Konkurrenten wie Microsoft oder Google, die ebenfalls Cloud-Dienste anbieten, könnten von dieser Angst profitieren und Amazon die Kunden wegschnappen. Diese Chance sieht wohl auch Microsoft-Chef Satya Nadella: "Kein Kunde möchte von einem Provider abhängig sein, der ihm an einem Ende Technologien verkauft und am anderen Ende mit ihm in Konkurrenz steht", sagte dieser laut "GeekWire" bereits im vergangenen Dezember.
Kunden-Abwanderung hat bereits begonnen
Tatsächlich hat AWS in der Vergangenheit bereits große Kunden an die Konkurrenz verloren. So habe laut "CNBC" etwa Amazons Übernahme von Whole Foods dazu geführt, dass die US-Einzelhändler Kroger, Gap und Target von AWS zur Konkurrenz gewechselt seien. Laut "TIME" verlor Amazon außerdem im vergangenen Jahr einen mehrere Milliarden US-Dollar schweren Cloud-Vertrag mit der US-Regierung an Microsoft. Eine Entscheidung, gegen die der Online-Händler gerichtlich vorgeht.
Die Konkurrenz schläft also nicht - und vor allem Microsoft kann mit seiner Azure Cloud laut "CNBC" in der jüngsten Vergangenheit ein beeindruckendes Wachstum vorweisen. Cybersecurity-Experte Orion Hindawi, der laut "GeekWire" mit seiner Firma selbst die Amazon Web Services nutzt, glaubt zwar, dass AWS im Vergleich zur Konkurrenz "in vielen Fällen strukturelle Vorteile" biete, das dürfte jedoch womöglich nicht ausreichen. Laut ihm könnte es Andy Jassys größte Herausforderung als CEO von Amazon werden, die Gefahr zu eliminieren, die AWS-Kunden in der Zusammenarbeit mit dem Unternehmen wittern, so dass diese sich wieder voll auf die Vorteile der Amazon-Cloud konzentrieren. Sollte ihm dies nicht gelingen und AWS Marktanteile an die Konkurrenz verlieren, wäre das aufgrund der immensen Bedeutung dieses Geschäftsfeldes auch für den gesamten Konzern ein harter Schlag.
Redaktion finanzen.net
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