Liechtenstein

Regierungschef Tschütscher: Der Euro wird bleiben

10.01.11 06:00 Uhr

Mit dem Fall Zumwinkel vereisten die Beziehungen zwischen Deutschland und Liechtenstein. Das Fürstentum wurde als Steueroase geächtet. Klaus Tschütscher brachte es wieder auf Kurs.

von Frank-B. Werner, Euro am Sonntag

Kein leichter Start. Als Klaus Tschütscher am 25. März 2009 Regierungschef des Fürstentums Liechtensteins wurde, stand das Land auf der schwarzen Liste der OECD für Steuerparadiese. Mit der Zusage, das Bankgeheimnis zu lockern, rückte es zunächst auf die graue Liste vor. Tschütscher schloss dann in den ersten acht Monaten seiner Amtszeit die erforderlichen zwölf Abkommen nach OECD-Standard über den gegenseitigen Informationsaustausch in Bank- und Steuerfragen, um auch von dieser grauen Liste gestrichen zu werden.

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Mit Deutschland besteht seit ­September 2009 eine entsprechende Vereinbarung. Sie sieht vor, dass die Bundesrepublik und das Fürstentum sich gegenseitig ab dem Steuerjahr 2010 auf Anfrage Bankinformatio­nen von mutmaßlichen Steuersündern herausgeben. Im Interview zieht Tschütscher eine erste Bilanz, spricht über die Neupositionierung und die Schwierigkeiten mit dem schwächelnden Euro.

€uro am Sonntag: Herr Tschütscher, wie beurteilt das Fürstentum die aktuelle Eurokrise?
Klaus Tschütscher: Wir beobachten das mit Sorge, gehen aber davon aus, dass die eingeleiteten Maßnahmen greifen und der Euro bleibt.

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Ist das nicht ein bisschen blauäugig?
Nein, das ist unser Fazit, davon gehen wir aus. Natürlich klären wir intern ab, was die einzelnen Szenarien bedeuten. Aber wir vertrauen in die Vernunft der Geo­politik. Schließlich hat sich das internationale Krisenmanagement im Zuge der Ersten Hilfe nach Ausbruch der Finanzkrise 2008/2009 bewährt. Wir zollen da ausdrücklich auch Deutschland großen Respekt.

Haben Liechtensteiner Banken Papiere aus Euro­krisenländern in der Bilanz?
Da sind wir – Gott sei dank – nicht gefordert. In Liechtenstein wird überwiegend ein sehr konservatives Verwaltungsgeschäft betrieben. Auch den Anforderungen von Basel III, insbesondere den Eigenkapitalvorschriften, sehen wir gelassen entgegen.

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Liechtenstein hat eine Währungsunion mit der Schweiz. Der Franken als Fluchtwährung hat im Lauf der vergangenen Monate um mehr als 15 Prozent aufgewertet. Ist das ein Problem?
Zwar sind wir Wechselkursschwankungen gewohnt, aber eine solch starke Aufwertung stellt natürlich ein Problem dar. Schließlich gehen unsere Exporte überwiegend in den Euroraum; Deutschland ist unser größter Handelspartner. Wenn Sie so wollen: Große Teile der Wachstumseffekte aus dem welt­weiten Konjunkturaufschwung sind durch den Verfall des Eurokurses wieder aufgefressen worden.


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Nun gründet die Eurokrise offensichtlich im mangeln­den Vertrauen in die Fähigkeit bestimmter Länder, ihre Schuldenberge überhaupt wieder abtragen zu können. Reichen die aktuellen Anstrengungen aus der Sicht eines traditionellen Überschusslandes aus?
Leider haben wir mit dieser Tradition gebrochen und sind 2008/2009 mächtig ins Minus gerutscht. Für 2010 hoffen wir, dass wir um 40 bis 50 Millionen Franken besser abschneiden als das budgetierte Defizit von 160 Millionen Franken, und 2011 wollen wir auf dem Weg der Gesundung der Staatsfinanzen solche Fortschritte machen, dass wir 2015 mindestens wieder mit einem ausgeglichenen Haushalt abschließen können. Wir wissen also, welche Schmerzen mit Sparanstrengungen verbunden sind. Allerdings sind wir im Gegensatz zu Euroländern in der glücklichen Lage, dass wir keinen Schuldenberg vor uns herschieben, sondern etwa anderthalb Jahresbudgets auf der hohen Kante haben.

Dürfen wir auf die Frage zurückkommen?
Ich glaube, es steht uns nicht an, Ratschläge zu erteilen. Wir hoffen allerdings, dass unsere Euronachbarn ihre Sparbemühungen so ernst nehmen, dass auch die Finanzmärkte überzeugt werden.

Seit über einem Jahr stehen Sie nicht mehr auf der grauen OECD-Liste. Zufrieden mit der Weißgeldstrategie?
Mit Übernahme der Regierungsverantwortung im März 2009 war es mein oberstes Ziel, möglichst rasch von dieser Liste runterzukommen. Das bedurfte einer enormen Kraftanstrengung, zumal wir am Anfang nicht wussten, wie viele Abkommen über den gegenseitigen Informationsaustausch in Steuerfragen wir dafür abschließen müssten. Die zwölf, die es am Ende waren, hatten wir im November beisammen.

Wie viele Abkommen gibt es heute?
Wir sind jetzt bei 23 OECD-konformen Abkommen. Mit allen Partnern werden wir in einem nächsten Schritt über Doppelbesteuerungsabkommen verhandeln.

Braucht es denn da lange Verhandlungen?
Eigentlich nicht. Auch nicht bei der schwierigen Thematik der Legalisierung der in der Vergangenheit unversteuerten Vermögen, wie unser bewährtes Abkommen mit Großbritannien zeigt, das seit August 2009 in Kraft ist. Ähnliche Überlegungen stellen wir auch mit Deutschland an, um mit einer Abgeltungsteuer das Problem zu lösen. Beim ersten Fünfertreffen aller deutschsprachigen Finanzminister im Februar 2010 haben wir solche Alternativen zum automatischen Informationsaustausch in die Diskussion eingebracht. Sie scheinen auf fruchtbaren Boden zu stoßen.

Die Weißgeld­strategie hat den Finanzplatz beträchtlich Geschäft gekostet. Können Sie das beziffern?
Natürlich sind mehr Kunden abgezügelt als früher. Genau können wir das indes nicht nachvollziehen. Ein Indikator ist sicher die Zahl der Löschungen von Stiftungen und Trusts. Das waren in diesem Jahr gut 6000. Aber mit der nachhaltigen Neuausrichtung des Finanzplatzes kommen jetzt neue Kunden.

Was zieht sie an?
Maßgeschneiderte Lösungen und Nischenprodukte bleiben der Liechtensteiner Weg. Wir haben zum Beispiel eine sehr moderne Pensionsfondsgesetzgebung, wir sind schnell und flexibel. Mit der Umsetzung der UCIT-IV-Regeln stärken wir den Fondsplatz weiter. Ansonsten gelten die alten Tugenden für Vermögensverwaltungsstandorte: politische Stabilität, Kontinuität und Berechenbarkeit. Dieser Weg wurde uns vor Kurzem durch das Triple-A-Rating von S & P bestätigt.

Das wird allein nicht reichen …
Wir haben eine Agenda 2020 verabschiedet, mit der wir uns in allen Politikbereichen international wettbewerbsfähig machen. Was uns aktuell vor allem auszeichnet, ist unser modernes neues Steuerrecht, das jetzt in Kraft tritt und in jeder Hinsicht neutral ist.

Das müssen Sie ­erläutern.
In Liechtenstein ist es künftig egal, ob Sie eine Personen- oder eine Kapitalgesellschaft betreiben, ob Sie mit Fremd- oder Eigen­kapital finanzieren. Die Steuerbe­lastung ist immer die gleiche. Unternehmerische Entscheide dürfen nicht steuerlich gelenkt sein, das ist unsere oberste Maxime – und macht uns für große Privatvermögensstrukturen attraktiv. Gleichwohl sind wir in jeder Hinsicht EU-kompatibel.

Vielen Dank für das Gespräch.

Früchte vom verbotenen Baum

Heinrich Kleber war Mitarbeiter der fürstlichen LGT Bank in Liechtenstein. 2002 stahl er gut 9600 Datensätze zu möglichen deutschen Steuerhinterziehern und brannte diese auf eine CD. Damit versuchte er zunächst, das Fürstenhaus zu erpressen, wurde jedoch gefasst und zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. 2005 bot er diese CD dem deutschen Bundesnachrichtendienst an, der sie dann tatsächlich für einen größeren Millionenbetrag ankaufte.

Aufgrund dieser CD wurde unter anderem das Schwarzgeld des früheren Postbank-Chefs Klaus Zumwinkel entdeckt, der daraufhin vor laufenden Fernsehkameras verhaftet und später auch verurteilt wurde. Bis heute ist umstritten, ob unter dubiosen Umständen angekaufte, gestohlene Daten – letztlich also Hehlerware – von den Strafverfolgungsbehörden genutzt werden dürfen. Mit der Krücke, dass bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen weniger strenge Maßstä- be hinsichtlich eines Beweisverwertungsverbots als im Strafprozess gälten, baute das Bundesverfassungsgericht den Steuerermittlern eine Brücke.