Kopf der Woche

Von der Marktfrau zur Millionärin

10.11.09 17:07 Uhr

Angefangen hatte Jenny Lou mit einem Obststand im Botschaftsviertel. Dank des Appetits ihrer europäischen Kunden auf Käse, Wein und Schokolade und eines cleveren Geschäftsmodells wurde daraus Beijings bekannteste Supermarktkette für internationale Lebensmittel.

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von Daniela Meyer, Peking

Die Kette ihres rostigen Fahrrads knackt, als Jenny Wang in die Pedalen tritt. Die Räder klappern. Lachend fährt sie die kleine Straße vor ihrem Backsteinhaus am Stadtrand von Beijing entlang. Vorbei an Kletterrosen, frisch gemähten Rasenflächen und dem mit Flutlicht beleuchteten Tennisplatz. Ihre dreijährige Tochter Xiao Yu sitzt jauchzend auf der Ladefläche.

Die Zeit, in der Jenny jede Nacht um zwei Uhr aufstehen musste, um vier Stunden lang mit ihrem Lastenrad zum Großmarkt und zurück in die Beijinger Innenstadt zu fahren, scheint es nie gegeben zu haben. Aus Jenny Wang, der Gemüseverkäuferin, ist Jenny Lou, die Geschäftsfrau, geworden. Die simple Idee, westliche Produkte nach China zu importieren, machte sie zur Besitzerin der ersten Beijinger Supermarktkette für internationale Lebensmittel. Und nebenbei zur Dollarmillionärin.

Geboren wurde Jenny als typisches Bauernmädchen in der Kleinstadt Ming Gao in der ostchinesischen Provinz Henan. Während ihre Mutter das Land der Familie bestellte, Obst und Gemüse pflanzte, arbeitete ihr Vater in einer nahege-legenen Textilfabrik. „Erste Priorität war es immer, genug zu essen zu haben. Große Träume kann man sich da nicht leisten“, erzählt sie.

Um seinen drei Kindern eine Ausbildung in der Stadt zu ermöglichen, entschied Jennys Vater 1983, nach Beijing zu ziehen. Er hatte einen Job als Schneider in einer Bekleidungsfabrik gefunden, der besser bezahlt wurde als seine Arbeit auf dem Land. Jenny war damals 13 Jahre alt. Vier Jahre ging sie in Chinas Hauptstadt noch zur Schule. Dann musste sie einen Job finden. „Sechs Monate habe ich gesucht. Ohne Erfolg“, seufzt sie. Die Zeiten so kurz nach der Öffnung Chinas gen Westen seien schlecht gewesen, die Arbeitsplätze knapp. Als sie 18 Jahre alt war, schenkte ihr Vater ihr 200 Renmimbi – etwa 20 Euro. Eine Starthilfe für ein selbstständiges Leben, für die er lange hatte sparen müssen. Mit dem Transportrad, das sie sich 1988 von dem Geld kaufte, fährt Jenny heute nur noch ihre Tochter spazieren. Und manchmal zum Einkaufen. Aber meistens steht das rostige Gefährt in der Garage – direkt neben ihrem roten Mercedes-Benz.

„Das Rad war wohl die beste Anschaffung meines Lebens“, meint sie, während sie die schwere Eingangstür zu ihrem Haus aufschließt. Im Flur tauscht sie ihre weißen Mokassins gegen ausgetretene Gummilatschen. Die kleine Xiao Yu rennt barfuß ins Wohnzimmer. Was von außen noch gutbürgerliche Kleinstadtvilla war, ist innen durch und durch chinesischer Schick – zwei Elefanten aus Tropenholz stehen neben einem gigantischen Flachbildfernseher. Auf der Mahagonicouch liegen unzählige knallrote Seidenkissen, die das Licht vom Kronleuchter reflektieren, weil sie in Folie eingeschweißt sind. „Damit sie nicht schmutzig werden natürlich“, erklärt Jenny mit fassungslosem Gesichtsausdruck, als ob ein Plastikbezug auf dem Sofa das Alltäglichste überhaupt wäre.

Vielleicht ist diese Vorsichtsmaßnahme ein Überbleibsel aus ihrer Vergangenheit, als sie jeden Tag ab sechs Uhr morgens auf dem Markt stand und Gemüse verkaufte. Etwa 100 Euro verdiente sie dort -umgerechnet im Monat. Davon sparte sie eisern 80. „Ich musste keine Miete zahlen, da ich noch bei meinen Eltern wohnte. Trotzdem war das eine harte Zeit in meinem Leben“, sagt sie.

Der Markt, auf dem sie verkaufte, lag mitten in Sanlitun, dem Botschaftsviertel. Zum Glück habe sie nie den Fehler gemacht, ausländischen Kunden mehr Geld für ihre Einkäufe abzuknöpfen. „Viele Kolleginnen taten das. Die Kunden fühlten sich betrogen und kamen nur noch zu mir“, strahlt Jenny.

Die Ausländer hätten angefangen zu fragen, ob sie von einem anderen Stand Eier für sie kaufen könnte – zum günstigen chinesi-schen Preis. Andere hätten Käse, oder Schokolade gewollt. Dinge, die es in China zu der Zeit fast nirgends gab. Sie habe die Kunden gebeten, ihr Verpackungen von westlichen Lebensmitteln mitzubringen, die sie in China vermissten: „Ich habe dann nach dem gleichen oder einem ähnlichen Produkt gesucht“, erklärt sie. So habe sie auch eine chinesische Firma entdeckt, die Käse nach westlicher Art herstellte. Heute kommen, abgesehen von frischem Gemüse und Fleisch, fast alle Produkte, die man bei Jenny Lou’s kaufen kann, aus Europa und den USA.

Auf ihren Esszimmertisch verirren sich westliche Lebensmittel derweil nur selten. „Chinesisches Essen ist einfach gesünder“, erklärt sie und füllt ihrer Tochter drei Wan Tans, landestypische Teigtaschen, auf den Teller. Dazu gibt es gekochtes Gemüse und Fisch mit Ingwer. Zubereitet hat die Speisen Jennys Haushaltshilfe, die sich auch um Xiao Yu kümmert, wenn Jenny unterwegs ist. Erstmals machte sie sich im Jahr 2000, nachdem zuerst ihr Marktstand und dann ihr erster Laden zu klein für den riesigen Kundenansturm geworden waren, auf den Weg nach Chicago zur International Food Convention. „Ich wollte herausfinden, wie ein Supermarkt im Westen aufgebaut ist. Und was es kostet, Lebensmittel zu importieren“, sagt sie. Zurück kam sie mit einem Cargocontainer voll US-Produkte, die sie in ihrem ersten großen Supermarkt nach westlichem Vorbild verkaufte. Mittlerweile gibt es fünf dieser Oasen für deutschen Käse, französischen Wein und amerikanische Cornflakes in Beijing. Anfang 2010 kommt ein sechster hinzu. „Bis ich in Rente gehe, will ich mindestens 20 haben“, erklärt Jenny. Und das scheint bei der schnellen wirtschaftlichen Entwicklung Chinas nicht zu hoch gegriffen.

Mehr als 50 000 Renmimbi Umsatz macht sie in jedem Laden täglich, umgerechnet knapp zwei Millionen Euro im Jahr. Die Gewinnspanne will sie nicht verraten, aber sie muss hoch sein. Ein Stück Schafskäse, das in Deutschland für zwei Euro zu haben ist, kostet hier sechs. Eine kleine Schachtel Ferrero Rocher sogar zehn Euro. „Meine Kunden achten auf Qualität und sind bereit, dafür mehr zu zahlen“, sagt sie nur. Von der Wirtschaftskrise hätte sie daher kaum etwas gespürt. Und auch um die wachsende Konkurrenz macht Jenny sich wenig Sorgen. In jeder größeren chinesischen Stadt findet man heute Filialen des französischen Handelsriesen Carrefour sowie die sogenannten Cityshops, die hauptsächlich deutsche Produkte verkaufen. In Beijing hat Jenny zudem mit April Gourmet einen direkten Wettbewerber mit ähnlichem Konzept. Schaden könne ihr das aber nicht, glaubt sie: „Ich habe viele Stammkunden und die besten Standorte der Stadt.“

Zudem vertraut Jenny auf ihre Geschäftsphilosophie: „Ich eröffne nur einen neuen Laden, wenn ich es mir leisten kann und leihe mir niemals Geld.“ Auch Luxustäschchen und teures Make-up seien ihr fremd. Sie trägt T-Shirt und Jeans, einen unkomplizierten Bürstenhaarschnitt und außer einem Holzarmreif kein einziges Schmuckstück. Bevor sie sich selbst ein Haus leistete, kaufte sie eins für ihre Eltern und eins für die Schwiegereltern.

Nur bei der Ausbildung ihrer Kinder ist sie bereit, viel zu investieren. Ihr 13-jähriger Sohn besucht ein internationales Internat. Tochter Xiao Yu adoptierte sie aus ihrer alten Heimat von einer Bauernfamilie, die schon drei Töchter hatte und sich keine vierte leisten konnte. „Sie soll eine Chance im Leben haben. Ich möchte von dem Glück, das ich hatte, etwas zurückgeben“, erklärt Jenny.

Jedes Jahr besucht sie ihre Heimatstadt, wo viele Menschen auch heute noch in Armut leben. Zurück in die Hauptstadt fährt sie nie allein: „Ich nehme immer Jugendliche mit, die keine Arbeit finden, damit sie bei mir eine Ausbildung machen.“ Über 90 Prozent von Jennys Angestellten sind so von Ming Gao nach Beijing gekommen – 118 insgesamt. Das sei ihre Art, sich dafür zu bedanken, dass sie heute keinen Hunger mehr leiden müsse.

Nach dem Abendessen darf Jennys Tochter sich aus einer Schachtel noch etwas Süßes aussuchen. Mit leuchtenden Augen blickt sie hinein, überlegt angestrengt, die Zunge im Mundwinkel. Dann greift sie nach einem großen Stück Schokolade. Was für Millionen Kinder weltweit ein abendliches Ritual ist, war bis vor Kurzem für Xiao Yu nicht selbstverständlich. Sie ist weit gekommen – aus einer armen Bauernfamilie in eine schicke Stadtvilla. Genau wie ihre Adoptivmutter, die trotzdem ihre Heimat nicht vergessen hat. Daran erinnert das klapprige Fahrrad in der Garage.

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