Kopf der Woche

Asienexperte Faber: „In China kann es zum Crash kommen“

02.08.10 06:00 Uhr

Marc Faber ist Börsenguru, Asienexperte und als Dr. Doom bekannt. Jetzt befürchtet er einen Absturz in China. Für die Weltwirtschaft erwartet Faber dennoch keine Rezession.

von Roberto Stefano

Marc Faber ist auch als „Dr. Doom“ bekannt. Zutreffende Crashprognosen sowie ein Journalist aus Hongkong, der Faber einmal so bezeichnet hat, sorgten für Spitzname und Renommee des Untergangspropheten. Tatsächlich hatte der Fondsmanager kurz vor dem Black Monday 1987 vor einem Crash gewarnt, die Asien-Krise 1997 und das Platzen der Technologieblase im Jahr 2000 sah er ebenfalls kommen. Seitdem ist er ein äußerst gefragter Gesprächspartner. Im Interview äußert sich Faber zu den Aussich­ten in China, zu Rohstoffen und seinen bevorzugten Anlageregionen.

Euro am Sonntag: Die Verunsicherung ist wieder da, die Börsen haben weltweit korrigiert. Kommt es nun zum befürchteten Double Dip?
Marc Faber: Seit dem Tiefststand im März 2009 sind die Märkte in einzelnen Schwellenländern um mehr als 100 Prozent gestiegen, aber auch Amerika hat sich um gut 80 Prozent verbessert. Viele Aktien konnten den Wert vervielfachen. Bis letzten April war viel Spekulation im Spiel. Die Weltwirtschaft konnte mithilfe der Stützungspakete und durch die Ausweitung der Geldmenge temporär stabilisiert werden.

Aber darauf folgte ein Rückschlag.
Mit finanz- und geldpolitischen Maßnahmen kann man eine Wirtschaft zwar stützen, doch verschiebt man dadurch nur die Endnachfrage. Dies zeigt sich im US-Häusermarkt. Die Leute haben dank Unterstützungsleistungen Häuser gekauft, die sie zu einem späteren Zeitpunkt sowieso gekauft hätten. Als die Stützungsprogramme eingestellt wurden, ist der Häusermarkt eingebrochen. Genauso ist es mit der Weltwirtschaft.

Der Einbruch erfolgt verzögert?
Im zweiten Halbjahr 2010 wird man merken, dass die Weltwirtschaft nicht wie erwartet wächst oder sogar leicht schrumpft. Anzeichen dafür gibt es viele: Sogar in China ist die Nachfrage zurückgegangen, die Preise für industrielle Rohstoffe wie Kupfer und Nickel sind um gut 20 Prozent gefallen, und der Baltic Dry Index, ein guter Früh­indikator, ist sogar um 40 Prozent eingebrochen.

Stehen wir vor der nächsten Krise? Die Frage ist, wie stark der Double Dip sein wird. Ich gehe nicht davon aus, dass die Wirtschaft schrumpfen wird. Sobald sich dies nämlich abzeichnet, werden die Regierungen weitere Stützungspakete lancieren, insbesondere in diesem Jahr, in dem in Amerika Zwischenwahlen sind.

Wie beurteilen Sie die Eingriffe der Zentralbanken?
In Amerika gibt es Stimmen, die sich für die Einführung von negativen Zinsen aussprechen. Das heißt, wenn man Gelder bei der Bank deponiert, erhält man nach einem Jahr weniger zurück als einbezahlt wurde. Dies würde die Leute zum Konsum bewegen, was temporär zu einer Belebung der Wirtschaft führt. Doch eigentlich haben wir schon heute eine solche Situation: Das Geld verliert an Wert, weil die Lebenshaltungskosten laufend steigen.

Wir haben bereits eine Inflation?
Natürlich, man muss sie nur richtig bemessen. Nicht allein mithilfe eines Warenkorbs, sondern auch unter Einbeziehung von Versicherungen, Erziehungskosten und Ähnlichem. €uro am Sonntag: Lange hat China die globale Konjunktur gestützt. Jetzt wird dort ein Crash erwartet. Faber: Seit Monaten sage ich, dass sich das Wirtschaftswachstum in China im zweiten Halbjahr 2010 wesentlich verlangsamen wird. Inzwischen belegen dies auch die Statistiken: Der Elektrizitätsverbrauch, der sich von April 2009 bis Dezember stark erholte, nimmt beispielsweise nicht mehr zu, da die Wirtschaft nur noch wenig wächst.

Wo sehen Sie die Anzeichen einer Blase?
Es könnte zu einem Crash kommen, denn auch China verfolgt eine sehr expansive Geldpolitik. Die Leute haben zuletzt Gelder auf­genommen, um mit Immobilien zu spekulieren. Oft wurden sogar Wucherzinsen bezahlt, um neue Mittel aufzunehmen. Solange sich die Immobilienpreise verdoppeln, mag dies funktionieren. Langfristig wird dieses System aber zusammenbrechen. Dann könnte es zu einem Crash kommen.

Von der chinesischen Regierung erwartet man, dass sie diese Auswüchse im Griff hat oder zumindest gegensteuert.
Das sagen immer alle. Im Jahr 2000 hieß es auch, die Nasdaq-Aktien seien teuer. Doch wenn die Kurse fallen würden, könnte man sie schon stützen. Dann sind sie gefallen, und auch die Stützungsaktionen haben nicht gefruchtet. Denn das Geld ist in andere Assets geflossen, in Rohstoffe zum Beispiel.

Welche Rolle wird China in Zukunft spielen?
China hat große Währungs­reserven. Das Land wird langfristig wachsen, denn die Märkte sind noch nicht gesättigt. In China leben 1,3 Milliarden Menschen. Es ist ein Land, das aus Provinzen besteht, ­wobei jede einzelne annähernd so groß ist wie Deutschland. Und der Wohlstand in diesen Provinzen ist noch weit von jenem in Europa entfernt.

Welche Gefahren gehen von China aus?
In den vergangenen 100 Jahren gab es in Europa und Amerika mehrere Rezessionen, Depressionen und Kriege. Eine ähnliche Entwicklung ist auch in China zu erwarten. Demnach wird es dort zu großen wirtschaftlichen Schwankungen kommen. Mehr noch als die finanztechnischen Angelegenheiten beunruhigen mich aber die geopolitischen Gefahren. Zum Beispiel?
Die Weltwirtschaft dürfte Schaden nehmen, wenn China die heutige Supermacht Amerika verdrängt. Und dies zeichnet sich schon heute ab: Inzwischen gehen mehr Exporte aus Südamerika nach China als in die USA. Dies wird zu Spannungen führen und am Ende zu einem Kollaps.

Viele Investoren flüchten sich entsprechend in Gold.
Mit Gold werden diese Leute ihre Kaufkraft wohl am besten er­halten. Vielleicht sinkt dessen Wert zwar, aber wenn die anderen Vermögenswerte noch stärker einbrechen, dann ist man relativ gut dran. Daher sollte man Gold nicht als Rohstoff ansehen, sondern als eine Währung, bei der die Menge der Währung nicht wesentlich erhöht werden kann – dies im Gegensatz zu Papiergeld.

Soll man trotz des hohen Preises in Gold investieren?
Man könnte argumentieren, dass der Goldpreis heute mit knapp 1200 Dollar pro Unze nicht wesentlich höher liegt als mit 300 Dollar vor zehn Jahren. Denn in der Zwischenzeit haben sich die Geldmenge und der Schuldenberg deutlich vermehrt. Technisch gesehen gab es kürzlich einen Einbruch. Die Entwicklung beim Goldkurs in den vergangenen Monaten deutete auf einen Rückgang hin. Ich gehe davon aus, dass wir nun eine Korrektur von 100 bis 150 Dollar erleben werden.


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Welche Alternativen gibt es zu Gold?
Man könnte in Silber, Platin oder Palladium investieren. In einem Umfeld, in dem Geld gedruckt wird, ist Bargeld langfristig sehr gefährlich. Könnte ich während zehn Jahren keine Anlagen tätigen, so würde ich mich sehr unwohl dabei fühlen, mein gesamtes Vermögen in Euro oder Franken zu halten. Vielleicht kostet in zehn Jahren ein Kaffee nämlich nicht mehr fünf, sondern 20 Euro. Ich bin sowieso sicher, dass die Leute eines Tages 20 Euro für ihren Kaffee zahlen werden.

Sie empfehlen daher auch den Kauf von Aktien.
Ja. Zwar sind Aktien volatil und der Kurs wird schwanken. Entscheidend ist aber der Cashflow, den die Aktien jährlich abwerfen.

Wie würden Sie eine Million Euro in bar anlegen, wenn die Lebenshaltungskosten gedeckt sind?
Ich würde empfehlen, bis Oktober dieses Jahres 30 Prozent in Aktien zu investieren. Weitere 30 Prozent würde ich in bar halten und 30 Prozent in Vermögenswerte wie Immobilien und Gold investieren. Sollten dann die Aktienmärkte noch wesentlich fallen, würde ich jenes Drittel, das heute in Bargeld ist, in Aktien investieren. Ein weiterer Rückgang ist zwar möglich, auch wenn ich der Meinung bin, dass wir die Tiefstwerte von März 2009 nicht mehr unterschreiten werden. Längerfristig bin ich nicht positiv gestimmt, was die Entwicklung der Weltwirtschaft betrifft. Wenn die Wirtschaft einbricht, ist man als Aktionär von guten Firmen besser gestellt denn als Darlehensgeber an den Staat.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Börse bis Ende des Jahres entwickeln?
Seit dem Höchststand im April waren die Märkte wie der S & P 500 zwischenzeitlich stark gefallen. Trotz der jüngsten Erholungsphase erwarte ich nicht, dass der S & P 500 sein Hoch vom 26. April mit 1229 Punkten übertreffen wird. Andererseits bin ich optimistischer als die Ökonomen Nouriel Roubini, Gary Schilling und David Rosenberg, mit denen ich mich kürzlich getroffen habe. Sie sehen den S & P 500 bei 500 bis 600 Zählern. Wenn die Märkte auf dieses Niveau fallen sollten, dann wäre es eine unglaubliche Kaufgelegenheit. Ich erwarte im September einen Rückgang auf 850 bis 970 Punkte. Dann würde ich wieder einsteigen. Hält jemand aber nur Bargeld, dann sollte er jetzt langsam wieder einsteigen.

Welche Regionen würden Sie bevorzugen?
Faber: Ich investiere vor allem in Asien, denn ich kenne die Region relativ gut. Und ich könnte ein Portefeuille an asiatischen Aktien zusammenstellen, die eine Rendite von fünf Prozent erreichen. Verglichen mit den Nullzinsen, die andernorts erhältlich sind, werde ich wenigstens dafür bezahlt, dass ich warte. Zwar fallen auch meine Aktien in Asien, aber ich habe einen Cashflow von fünf Prozent, den ich reinvestieren kann.

Im Portrait
Fondsmanager und Autor
Marc Faber ist promovierter Wirtschaftswissenschaftler. Seit 1990 ist er unabhängiger Investmentberater und Fondsmanager. Der 64-jährige Autor und Herausgeber von „The Gloom Boom & Doom Report“ lebt heute in Chiangmai, Thailand. Faber ist verheiratet und hat eine Tochter.