Konsolidierung

Krim-Deal lässt die 200-Tage-Linie bei Siemens-Aktie platzen - Wie geht es nun weiter?

24.07.17 08:05 Uhr

Krim-Deal lässt die 200-Tage-Linie bei Siemens-Aktie platzen - Wie geht es nun weiter? | finanzen.net

Mit dem Turbinen-Verkauf an Technopromexport rutschte das DAX-Schwergewicht in eine handfeste Krise. Trotz aller Russland-Sanktionen ließ sich der Münchner Technikkonzern unter der Führung von CEO Joe Kaeser zu einem sehr fragwürdigen Deal verleiten - was bedeutet das jetzt für die Aktie?

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Siemens und der Konzern-Chef Joe Kaeser gerieten in den letzten Tagen in die Kritik, da sich die Münchner laut Medienberichten vom russischen Stromkonzern Technopromexport in die Falle locken ließen. Das DAX-Schwergewicht schloss einen Vertrag ab, welcher die Lieferung von vier Gasturbinen auf das russische Festland in Taman festlegte. Nun aber wurden mindestens zwei dieser Turbinen auf der von Russland annektierten Krim entdeckt. Die Russland-Sanktionen der EU und der Vereinigten Staaten verbieten jedoch jegliche Lieferungen dieser Art. Technopromexport erklärte unterdessen, dass man die Gasturbinen, welche für die Krim bestimmt waren, auf dem Sekundärmarkt gekauft habe, um sie danach von russischen Ingenieuren modernisieren zu lassen. Aus diesem Grund vertritt der Kreml die Ansicht, dass es sich bei den Turbinen um russische Produkte handelt, welche demnach keinen Sanktionen unterliegen.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!

In der Vergangenheit beteuerte CEO Joe Kaeser stets, die Sanktionen gegen Russland zu respektieren. Mit dem Turbinen-Vorfall wurden die Münchner jedoch ordentlich hinters Licht geführt. Nun versucht Siemens den Schaden zu begrenzen und möchte den Vorfall schnellstmöglich aufarbeiten. Offensichtlich ist jedoch, dass die eigenen Kontrollmechanismen des Konzerns in der Vergangenheit kläglich versagt haben. Schon bei den ersten Verdachtsmomenten der unrechtmäßigen Verwendung dieser Turbinen hätte der Konzern die Auslieferung kritisch hinterfragen müssen. Dabei gab es schon rund drei Monate nach Vertragsabschluss mit Technopromexport ernstzunehmende Gerüchte über eine mögliche missbräuchliche Verwendung der gelieferten Präzisionstechnik. Wäre Siemens diesen Vorwürfen gründlich nachgegangen, hätte es auch Mitte 2016 zu keiner Auslieferung kommen dürfen. Da der unterzeichnete Auslieferungsvertrag jedoch laut Siemens eine ausdrückliche Krim-Verbots-Klausel enthielt, wogen sich die Münchner vermutlich in Sicherheit.

Image ist angekratzt

Um das Vorhaben der Russen zu stoppen, ist es nun zu spät. Die Turbinen sind ausgeliefert und der Gesamtpreis in Höhe von 112 Millionen Euro höchstwahrscheinlich schon überwiesen. Dem Konzern-Vorstand kann rückwirkend nur noch Fahrlässigkeit und eine unzureichende Kontrolle im Ausland unterstellt werden. Im Bereich Compliance sind die Münchner bezüglich der Krim-Affäre ordentlich auf die Nase gefallen. Die Beziehungen zu den hofierten russischen Partnern ist nun schwer angeschlagen.

Kaeser muss jetzt abwägen

Die Zusammenarbeit zwischen Siemens und dem Gemeinschaftsunternehmen Gas Turbines Technologies, welches mit dem russischen Unternehmen Power Machines gegründet wurde, steht nun mehr als nur auf der Kippe. Laut Medienberichten soll Kaeser nun sogar das gesamte Russland-Engagement seines Konzerns in Frage stellen. In der Vergangenheit betonte der CEO noch des Öfteren, die Beziehungen zu Russland aufrechtzuerhalten, jedoch hat der Siemens-Chef auch schon bewiesen im Notfall die Notbremse zu ziehen. Mit einem Umsatz von rund 1,2 Milliarden Euro sind die Tätigkeiten in Russland für Siemens noch relativ überschaubar, die Münchner erzielen in Russland lediglich 1,5 Prozent ihres gesamten Umsatzes.

Die Aktie hat noch Potenzial

Erst vor wenigen Tagen erhielt Siemens vom deutsch-niederländischen Netzbetreiber TenneT einen Auftrag im höheren dreistelligen Millionenbereich. Die Münchner sollen die komplette Technik für den Nordsee Offshore-Windpark "DolWin6" liefern, welcher zuvor von der spanischen Firma Dragos Offshore errichtet wird. Nach der Fertigstellung dieses Projekts können knapp eine Million Privathaushalte mit Strom versorgt werden. Die Inbetriebnahme des Windparks wird für das Jahr 2023 ins Auge gefasst.

Unterdessen nimmt auch die meist unbeachtete Siemenssparte Financial Services (SFS) weiter Fahrt auf. Unter der Abteilung Siemens Financial Services bietet das Unternehmen Finanzdienstleistungen wie Unternehmens- und Projektfinanzierungen sowie Versicherungen und Leasing-Verträge an. Seit dem Jahr 2010 konnte sich das Geschäftsvolumen dieser Abteilung auf rund 26,4 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Für das Jahr 2016 erzielte Siemens in diesem Betätigungsfeld einen Rekordgewinn von 653 Millionen Euro.

IPO in Aussicht

Der Konzern könnte in naher Zukunft mit dem Börsengang der Medizintechniktochter Healthineers für eine große Überraschung sorgen. Die Sparte vertreibt unter anderem Röntgensysteme, sportmedizinische Diagnosegeräte, Strahlentherapiesysteme, Ultraschalluntersuchungssysteme und Systeme zur medizinischen Informationsverarbeitung. Der Firmenname Healthineers stellt dabei einen Neologismus dar, welcher sich aus den englischen Worten healtcare, engineer und pioneer ableiten lässt.

Was meinen die Experten?

Die Meinungen der Experten zur Siemens-Aktie sind ziemlich eindeutig: Von 21 Analysten, welche sich ausführlich mit dem Unternehmen beschäftigen, empfehlen 11 Fachleute den Kauf der Aktie. Demgegenüber stehen lediglich neun Analysten, welche die Aktie mit "Hold" einstufen. Als einziger Ausreißer unter den Analystenkommentaren gilt die Einschätzung von Goldman Sachs, die US-Investmentbank beziffert den fairen Wert der Aktie auf gerademal 112 Euro und empfiehlt somit gleichzeitig den Verkauf der Anteilsscheine. Mit dieser sehr pessimistischen Einschätzung ist die Goldman Analystin Daniela Costa jedoch weitestgehend alleine. Das durchschnittliche Kursziel aller Analysten liegt bei 135,95 Euro und somit rund 17 Prozent über dem aktuellen Preis.

Auf Tuchfühlung mit der 200-Tage-Linie

Allen positiven Analystenkommentare zum Trotz könnte die Aktie in der aktuellen Konsolidierungsphase noch weiter an Wert verlieren. Gerade der Durchbruch der 200-Tage-Linie auf einem Niveau von rund 119,20 Euro generiert aus charttechnischer Sicht ein starkes Verkaufssignal. Sollte die Aktie diese Hürde nicht nachhaltig zurückerobern können, sind weitere Kursverluste nicht ausgeschlossen.

Pierre Bonnet / Redaktion finanzen.net

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Bildquellen: Sean Gallup/Getty Images for Siemens AG, servickuz / Shutterstock.com

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