Konkurrenz aus China

Internet-Aktie Tencent: Liebesspiele auf Drachenart

05.12.12 11:00 Uhr

Chinas Webriese Tencent lockt mit dem Chatdienst Weixin Millionen Nutzer ins mobile soziale Netzwerk. Gegen die Reize der Nummer 1 ist selbst Facebook-Gründer Mark Zuckerberg machtlos.

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von Stephan Bauer, Euro am Sonntag

Es gibt Dinge, die selbst einen Überflieger wie Mark Zuckerberg bisweilen nerven. Die Rede ist nicht etwa ­davon, dass die US-Lifestyle-Presse dem Facebook-Gründer schon vor Monaten den Titel des am schlechtesten gekleideten Mannes im Silicon Valley verpasste. Auch das verpatzte Börsendebüt im Mai überstand der selbstbewusste Selfmademilliardär, der noch zu den ersten Investorentreffen cool im Kapuzenpulli auflief, augenscheinlich recht lässig.

Was Zuckerberg die Laune wirklich vermiest, ist der Gedanke an China. 1,3 Milliarden Einwohner zählt das Reich der Mitte, Hunderte Millionen junger, technikaffiner Aufsteiger surfen dort inzwischen im Netz. Ein idealer Wachstumsmarkt für Webkonzerne wie das größte soziale Netzwerk der Welt wäre das. Doch Facebook darf nicht hin. Die Regierung in Peking verweigert den Amerikanern hartnäckig den Eintritt.

Schüttelnd zum Rendezvous
Huateng Ma ist schon da. Der Gründer des Internetkonzerns Tencent ist gerade dabei, mit seinem Chatdienst Weixin das Paarungs­verhalten junger chinesischer Großstädter zu revolutionieren. Das mobile soziale Netzwerk bietet eine Art digitalen Lockruf: Schüttelt ein Nutzer sein Smartphone, so gibt er damit neben dem Standort auch seine Flirtabsichten kund. Als Belohnung erhält er den Aufenthaltsort und die Kontaktdaten flirtfreudiger Weixin-Mitnutzer/-innen in der Nähe.

Der Liebesdienst ist nur eine von vielen Ideen — wozu beispielsweise auch kostenloses Simsen oder Videotelefonie à la Skype gehören — die Weixin bei Chinas jungen Erwachsenen im Nu zur angesagtesten mobilen Kommunikationsplattform gemacht haben.

Rund 200 Millionen Nutzer hat Tencent in zwei Jahren von Weixin überzeugt. Zum Vergleich: Zuckerbergs Facebook, das dem Ursprung nach ein Computer-Programm war und sich nur mühsam ins mobile Web bewegte, hatte nach gut zwei Jahren erst 20 Millionen mobile Fans.

Gemeinsam mit Partner Tony Zhang startete Huateng Ma vor 13 Jahren — ähnlich wie Zuckerberg — einen Klatschdienst für Teenager und Studenten. QQ, die einfach gestrickte Messagingplattform für Handys, wurde zum Riesenerfolg und wird heute von Hunderten Millionen Chinesen für Verabredungen oder zum Tratsch mit Freunden genutzt.

Gegen ausländische Konkurrenten durch die Pekinger Parteizensur geschützt, hat Ma rund um QQ einen breit aufgestellten Internetkonzern aufgebaut. Der 40-Jährige, der sich der Einfachheit halber den englisch klingenden Vornamen Pony verpasst hat, bietet seinen Landsleuten verschiedene Webdienste, auf denen sie sich per Smartphone oder Computer austauschen können. Das Kernstück ist QZone, eine Weiterentwicklung von QQ, das mit beinahe 500 Millionen Nutzern als größtes soziales Netzwerk des Landes gilt.

Die einheimische Konkurrenz hält Ma mit Innovationen wie Weixin auf Abstand. Es geht schließlich um einen Markt mit großen Perspektiven: Zwar surfen inzwischen über 500 Millionen Chinesen im World Wide Web, insgesamt sind das aber erst knapp 40 Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Onlinequote großer westlicher Industrienationen liegt weit höher. In Deutschland sind gut die Hälfte aller Einwohner im Netz, in den USA sind es über 60 Prozent. Unterschätzen würde der Internetmilliardär seine härtesten Konkurrenten aber niemals. Da wäre etwa Charles Chao.

Chao gründete einst das Onlineportal Sina, so etwas wie das Yahoo Chinas. Das Schicksal der US-ame­rikanischen Pioniere, die nach anfänglicher Begeisterung der Nutzer schnell an Anziehungskraft verloren, wollte Chao indes nicht teilen. Er erkannte früh den Trend zur mobilen Nutzung und erweiterte seine Angebots­palette um einen Twitter-ähnlichen Dienst. Heute ist Sina Weibo mit rund 120 Millionen Kunden der größte Mikroblog des Landes und steht in harter Konkurrenz zur ­Nummer 2 — Tencent Weibo, ­einem ­weiteren Produkt aus der ­Ideenschmiede Mas.

Kampf um den Videomarkt
Gilt Sina als Chinas Antwort auf Twitter, so ist Youku Toudu das Gegenstück zum US-Videoportal YouTube. Vor wenigen Monaten hat sich Chef Victor Koo den größten Konkurrenten, Toudu, durch eine Übernahme vom Hals ­geschafft. Das Videoportal kann mit hohen Zuschauerzahlen wuchern: 310 Millionen Nutzer schauen sich hier im Schnitt pro Woche Filme und Videos an. Die Menge der konsumierten Filmminuten übersteigt ­angeblich sogar die des US-Vorbilds YouTube.

Auch in diesem Markt spielt Ma mit: Tencent betreibt den drittgrößten Videodienst des Landes. Youku besticht zwar mit schierer Größe, die Schwachstelle des Videoprimus liegt jedoch in seinen Bilanzen: 2012 wird es noch ein dickes Minus geben. Zwar stellte Koo jüngst in Aussicht, dass wegen der Fusion die ­Kosten im kommenden Jahr weitaus ­weniger stark steigen sollen als der Umsatz. Analysten rechnen jedoch auch für 2013 nur mit einem geringen Gewinn. Tencent-Gründer Ma ist da ein großes Stück weiter.

Beim Profit hängt das Online­imperium aus Shenzen nicht nur Youku und die gerade so profitable Sina ab. Tencent lässt auch den Nasdaq-Überflieger Baidu hinter sich, die größte Suchmaschine des Landes und damit sehr erfolgreiches Gegenstück zu Google.

Profitabler als Facebook
Baidu wird es laut Analystenschätzungen im laufenden Jahr auf geschätzte 1,7 Milliarden Dollar Gewinn bringen. Tencent überragt mit prognostizierten 2,7 Milliarden Dollar Nettogewinn und sieben Milliarden Umsatz alle heimischen Konkurrenten. Selbst die mit über einer Milliarde Nutzern weltgrößte Freundesplattform Facebook wirkt dagegen noch unterentwickelt.

Mas Profittrick: Über seine Kommunikationsplattformen lockt er seine Nutzer auf gewinnträchtige ­Video-, Musik- und vor allem Spieleportale. Mehr als die Hälfte des Umsatzes erzielt Tencent im Spielebereich. Hinzu kommen Einnahmen aus Onlinewerbung, dem Internethandel und aus Mehrwertdiensten rund um den Mobilfunk.

Das ist ein Vorteil gegenüber den Rivalen. Bei Sina und Baidu etwa, die vor allem auf Onlinewerbung ­abzielen, blickt man auf den Trend zum mobilen Netz mit gemischten Gefühlen. Zwar steigt die Zahl der Chinesen, die ein Smartphone besitzen, rapide. Die Nutzerzahlen der Internetdienste ziehen damit stark an. Die Preise, die Werbekunden für Anzeigen auf den kleineren Bildschirmen der Handys zu zahlen bereit sind, liegen aber deutlich unter denen für Onlinewerbung auf klassischen PCs.

Für Onlinespiele hingegen, die den daddelfreudigen Chinesen auch auf Handys viel Spaß machen, zücken die Kunden gern die Kreditkarte. Megaseller wie der internationale Hit „Call of Duty“, den Tencent soeben gestartet hat, dürften die Beliebtheit weiter steigern.

Trotz des Potenzials, das die Heimat bietet, greift Tencent-Chef Ma jetzt auch im Ausland an. Die Waffe: Weixin. Unter dem Namen WeChat will Tencent den Dienst Mil­lionen von Kunden in 30 Ländern schmackhaft machen. Auf mittlere Sicht könnte so auch für Facebook ein ernsthafter Konkurrent heranwachsen.

Einziger Trost für den eh schon China-gestressten Zuckerberg: Tencent schaltet zurzeit sehr viele WeChat-Anzeigen bei Facebook.

Investor-Info

Tencent
Chinas Internetmacht
Im Gegensatz zu Konkurrenten wie Sina oder Youku ist Tencent breit aufgestellt. Der größte Webkonzern Chinas erzielt rund die Hälfte der Umsätze mit On­line­spielen, der Rest kommt aus dem Onlinehandel sowie von Video- und Mobilfunkdiensten. Der Gewinn soll im laufenden Jahr um 30 Prozent und in den nächsten zwei Jahren um jeweils über 25 Prozent steigen. Daran gemessen nicht teuer. Basisinvestment in Chinas Tech- und Internetbranche.
ISIN: KYG875721485

Baidu
Beinahe wie Google
Die größte Suchmaschine Chinas kommt sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn lange nicht an das westliche Pendant Google heran. Die Abhängigkeit von der Onlinewerbung ist ein Nachteil, die Preise sinken wegen des steigenden mobilen Anteils. Gleichwohl glänzt Baidu mit einer Nettomarge von über 45 Prozent bei geschätzten 3,6 Milliarden Dollar Umsatz. 2013 rechnen Analysten mit 25 Prozent Gewinnwachstum. Noch abwarten.
ISIN: US0567521085

Facebook
Demütiger Überflieger
Nach dem Börsengang im Mai kannte das Papier nur eine Richtung: bergab. Die Aktie war extrem hoch bewertet, zudem drückten nach Auslaufen von Haltefristen etwa für Mitarbeiter Verkaufswellen den Kurs. Am 14. Dezember läuft die nächste Haltefrist aus, dann können Altaktionäre wie Hightechinvestor Peter Thiel Kasse machen. Operativ meldete das ­Unternehmen Fortschritte im Geschäft mit dem mobilen Web. Erste Positionen aufbauen.
ISIN: US30303M1027

Zertifikat
Soziale Netze global
Wer auf das Wachstum sozialer Netzwerke und den Trend zum mobilen Internet setzen möchte, zugleich aber sein Risiko streuen will, ist mit einem Index­zertifikat (ISIN: DE000SG10SN8) auf den Solactive Social Networks Index (SONIX) der Société Générale gut bedient. Tencent, Facebook sowie das Berufsnetzwerk LinkedIn aus den USA sind mit je rund ­20 Prozent Anteil im Index die größten Positionen. Mail.ru, das größte soziale Netzwerk Russlands, ist Nummer 4. Daneben ist Renren aus China dabei, das bei seinem Börsendebüt im Sommer 2011 an der Nasdaq als „Facebook Chinas“ gehypt wurde und seitdem mächtig abgestürzt ist. Der Anteil liegt jedoch bei akzeptablen drei Prozent.

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