Droht 2023 ein erneuter Börsenabschwung? Diese 10 Gefahren könnten zu Schwarzen Schwänen führen
2022 war ein turbulentes Jahr für Anleger. Ukraine-Krieg, teils zweistellige Inflationsraten, rigide Leitzinserhöhungen, Energiekrise, Rezessionstendenzen - all diese Faktoren führten zu einem gehörigen Abschwung an den Kapitalmärkten. Die Börsenparty von 2020 und 2021 hatte damit ein jähes Ende gefunden. Doch geht es 2023 wieder ruhiger zu? Oder drohen noch viel schlimmere Katastrophen?
Werte in diesem Artikel
• Saxo Bank skizziert zehn mögliche Schwarze Schwäne für 2023
• Geopolitische Risiken könnten zu negativem Börsensentiment führen
• Energiekrise und Inflation könnten weiter anhalten - möglicherweise mit dramatischen Folgen
Selten war die politische und ökonomische Lage so angespannt wie jetzt. Die dänische Saxo Bank erkennt denn auch zehn potenzielle Gefahren, die sich als dramatische Wendepunkte mit katastrophalen Folgen entpuppen könnten. Im Finanzjargon wird ein solches Ereignis als "Schwarzer Schwan" bezeichnet - doch was genau bedeutet das?
Was ist ein Schwazer Schwan?
Ein Schwarzer Schwan ist ein Begriff, der ein seltenes und unvorhersehbares Ereignis beschreibt, das erhebliche Folgen hat. Er wurde von dem Philosophen und Statistiker Nassim Nicholas Taleb durch sein Buch "The Black Swan" (2007) populär gemacht. Er beschrieb mit dem Begriff Ereignisse, die höchst unwahrscheinlich sind, aber massive Auswirkungen hätten, wenn sie doch eintreten. Auf den Finanzmärkten könnte ein Schwarzer Schwan eine plötzliche und unerwartete Finanzkrise, eine Naturkatastrophe oder ein bedeutender technologischer Durchbruch sein, der den Status quo umstößt. Diese Ereignisse können erhebliche und lang anhaltende Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben und zu erheblichen Veränderungen der Preise von Vermögenswerten und Markttrends führen. Im Nachhinein kann sich dabei durchaus auch herausstellen, dass es Anhaltspunkte für einen Schwarzen Schwan gab. In manchen Fällen wurde die Begebenheit auch von einem Experten vorausgesehen, den man allerdings nicht gehört, nicht verstanden oder nicht ernstgenommen hat. Wie jedes Jahr veröffentlichte die Saxo Bank kürzlich eine Liste mit zehn solch potenziellen Gefahren für 2023, die in Schwarze Schwäne mit gravierenden Folgen münden können.
1. Reichste Länder eröffnen neues Manhattan-Projekt für saubere Energie
Nach Definition der Saxo Bank müssen Schwarze Schwäne keineswegs immer Ereignisse mit negativen Effekten sein. So würde sich das erste Szenario, das die Saxo Bank als möglicherweise entscheidendes Ereignis für die Finanzmärkte sieht, wohl positiv auswirken. Wie die dänische Bank schreibt, sei es vorstellbar, dass der ständig wachsende Energiebedarf die reichsten Länder der Welt dazu treibt, sich zusammenzutun und ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt zu starten. Dieses wäre von einer Dimension, wie es die Welt seit dem Manhattan-Projekt (1942-1945), das den USA die erste Atombombe bescherte, nicht mehr gesehen hat.
2. Frankreichs Präsident Macron tritt zurück
Das zweite Szenario würde sich wohl besonders negativ auf die europäischen Aktienmärkte auswirken. Demnach würde der politische Stillstand in Frankreich und der Aufstieg von Marine Le Pen nach den Wahlen von 2022 den amtierenden Präsident Macron dazu zwingen, aus der Politik auszusteigen und sein Amt niederzulegen. Der als wirtschaftsliberal geltende Macron wird insgesamt von Finanzkreisen geschätzt, eine Präsidentschaft von Marine Le Pen hätte dagegen eher eine abschreckende Wirkung auf die Anleger.
3. Goldpreis steigt auf 3.000 US-Dollar
Das dritte Schwarze Schwan-Szenario dürfte Goldanleger begeistern. Denn in diesem steigt der Goldpreis auf ein Niveau von 3.000 US-Dollar je Unze, da die Märkte und Zentralbanken erkennen, dass sich die Vorstellung, die Inflation werde 2023 abnehmen, als falsch herausstellt. Die Preise blieben demnach länger als erwartet hoch, woraufhin Anleger die Flucht in Gold anträten. Gold gilt nämlich allgemein als ein Inflationsschutz und könnte somit von einer weiterhin hohen Teuerungsrate profitieren.
4. Europäische Union stellt eigenes Heer auf
In Anbetracht des Ukraine-Krieges und der damit einhergehenden Verhärtung der globalen Fronten, insbesondere zwischen der NATO und Russland, hält die Saxo Bank die Aufstellung eines eigenen EU-Heeres für möglich. Durch die Schaffung eigener Streitkräfte könnte sich die Europäische Union gegen verschiedene geopolitische Risiken, wie den Krieg zwischen Russland und der Ukraine, verteidigen. Sollte es tatsächlich zu diesem Fall kommen, dürften sich die geopolitischen Spannungen verhärten, was wiederum Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, HENSOLDT, oder Lockheed Martin zugute kommen dürfte.
5. Ein Staat verbietet Fleischproduktion bis 2030
Das fünfte Szenario dürfte auf den ersten Blick besonders skurril wirken, ist angesichts des Trends zu Nachhaltigkeit keineswegs gänzlich auszuschließen: Demnach würde ein Land sich entscheiden, die heimische Fleischproduktion bis 2030 vollends zu verbieten. In dem Bestreben, auf dem Weg zu einer Netto-Null-Emission zu einem der weltweit führenden Länder zu werden, würde ein solcher Schritt gewiss für Anerkennung vonseiten klima- und auch ernährungsbewusster Verbraucher sorgen. Bislang wird unter Experten jedoch lediglich die Möglichkeit einer gesonderten Fleischsteuer diskutiert, um den Fleischkonsum der Bevölkerung zu reduzieren; die vollständige Abschaffung der Fleischproduktion ist dagegen noch eher eine extreme und selten vertretene Forderung.
6. Großbritannien stimmt über Ausstieg aus dem Brexit ab
Großbritannien befindet sich inmitten einer schweren Wirtschaftskrise: Die Inflation ist auf den britischen Inseln besonders stark ausgeprägt, das politische Chaos im vergangenen Jahr sorgte für große Unsicherheit und auch der Brexit zeigt zusehends seine negativen Folgen für die britische Wirtschaft. So ist es laut der Saxo Bank möglich, dass es 2023 zu einem erneuten Referendum über die EU-Zugehörigkeit des Vereinigten Königreiches kommen werde. Die krisengeplagte Bevölkerung könnte dabei mehrheitlich für einen Ausstieg aus dem Brexit und eine Wiedereingliederung in die EU stimmen, was gewiss für große Turbulenzen auf dem Aktien- und Devisenmarkt sorgen würde.
7. Preiskontrollen und Rationierung zur Begrenzung der Inflation
Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass Regierungen häufig zu drastischen Maßnahmen griffen, um die offiziellen Inflationszahlen einzudämmen. Ein beliebtes Mittel waren dabei insbesondere in Kriegszeiten drastische Preiskontrollen, an die sich Produzenten und Einzelhändler halten mussten. Ebenfalls gab es gerade in Kriegszeiten oft strenge Rationierungen. Auch 2023 könnte es im schlimmsten Fall zu einer Renaissance der Kriegswirtschaft kommen, wie die Saxo Bank befürchtet. Restriktive Maßnahmen vonseiten des Staates würden zu einer Reihe unbeabsichtigter Folgen auf den Finanzmärkten führen und könnten damit eine Kernschmelze an den Börsen auslösen.
8. OPEC+, China und Indien verlassen IWF
Ein weiteres Schreckensszenario hängt ebenfalls mit der zunehmenden Polarisierung der Weltpolitik zusammen: Demnach würden die OPEC+-Staaten rund um Russland, Saudi-Arabien und Iran sowie Indien und China den Internationalen Währungsfonds (IWF) verlassen und den Handel mit neuen Währungsreserven vereinbaren. Ursache für diese drastische Maßnahme könnten laut Saxo Bank die Sanktionen gegen Russland sein. Diese hätten in den Ländern, die die USA nicht als Verbündete betrachten, zu großen Unruhen geführt. Um sich davon zu befreien, treten diese Staaten aus dem IWF aus und schaffen ein neues Reservemedium. Dies würde die Bedeutung des US-Dollars als Weltleitwährung verringern und die globalen Konfliktlinien weiter verschärfen.
9. Japanische Zentralbank beschließt Obergrenze beim USD/JPY
Der neunte potenzielle Schwarze Schwan bezieht sich auf die kriselnde Währung Japans, den Japanischen Yen. Dieser hat im Laufe des vergangenen Jahres erheblich an Wert verloren: Kostete ein Dollar Anfang 2022 noch 110 Yen, so belief sich der Wert eines Dollars im Oktober zeitweise auf etwa 150 Yen. 2023 könnte die Bank of Japan (BoJ) versuchen, ein weiteres Abrutschen der Währung zu verhindern. Bleibt der Erfolg von weniger scharfen Regulierungen versagt, wird Japan einen Neustart seines gesamten Finanzsystems einleiten. Wenn der USD/JPY über 180 Yen steigt, könnte die japanische Zentralbank einschreiten und eine gesetzliche Obergrenze bei 200 Yen pro Dollar festlegen.
10. Steueroasen werden verboten
Auch der letzte Schwarze Schwan hätte schwerwiegende Folgen: Der Verbot jeglicher Steueroasen durch die OECD-Staaten. Im allgemeinen Klima der De-Globalisierung und Polarisierung rücken nationale Interessen und die Durchsetzungsfähigkeit souveräner Staaten stärker in den Vordergrund. In diesem Sinne könnten die OECD-Länder ihre Aufmerksamkeit auf die Steueroasen wie die Bahamas, die Cayman-Inseln, die Bermuda-Inseln, oder Panama richten. Würde es den OECD-Länder tatsächlich gelingen, die Steuerschlupflöcher zu füllen, würde dies eine enorme Verschiebung oder gar Vernichtung von privatem Kapital in Milliardenhöhe evozieren. Die Staatsminister dürften sich hingegen über steigende Einnahmen freuen.
Redaktion finanzen.net
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