Dirk Müller: Rally im ersten und Crash im zweiten Halbjahr
Mr. DAX spricht über Donald Trump, die Politik der Fed sowie den Ölpreis und Gold. Er glaubt an eine Fahnenstangen-Rally im ersten Halbjahr.
von Benjamin Summa
Herr Müller, Donald Trump ist seit ein paar Tagen im Amt. Seine Antrittsrede war martialisch und nationalistisch. Der Grundtenor: Protektionismus statt Freihandel. Blicken Sie mit Sorge auf diese Präsidentschaft?
Dirk Müller: Ich schaue mit sehr großem Interesse auf diese Präsidentschaft. Ich kann die Kritik, die an Trumps Antrittsrede geübt worden ist, überhaupt nicht nachvollziehen. Mir ist nichts aufgefallen, was man aus amerikanischer Sicht nicht unterschreiben könnte. Er übt scharfe Kritik an der Form der Globalisierung, die wir haben. Auch seine Forderung, dass Produkte, die in Amerika verbraucht werden, verstärkt in den USA produziert werden sollen, ist nachvollziehbar. Die angekündigte Steuerreform wird zudem positive Effekte für die Mittelklasse und Unternehmen entfalten.
Chinas Staatspräsident Xi hat sich beim Weltwirtschaftsforum in Davos als Stimme der Vernunft und Vorreiter des freien Handels präsentiert. China quasi als "Führer der freien Welt" - verkehrte Welt, oder?
China fürchtet sich davor, dass die eigenen Felle davonschwimmen könnten. Trump entlarvt einen Missstand ja ganz deutlich: Die Chinesen verkaufen relativ frei in die USA und nach Europa, aber deutsche oder US-Unternehmen haben in China riesengroße Probleme. Google und Facebook unterliegen beispielsweise teilweise der Zensur, deutsche Autobauer müssen dort mit chinesischen Partnern zusammenarbeiten, wenn sie im Land der Mitte Autos verkaufen wollen. Präsident Xi möchte sich natürlich diese Politik des Rosinenpickens bewahren - vor diesem Hintergrund verstehe ich seine Rede in Davos.
In den vergangenen Wochen haben wir eine regelrechte Trump-Rallye gesehen. Was können die Aktienmärkte von einem Präsidenten Donald Trump künftig erwarten?
Das vor uns liegende Jahr wird enorm spannend. In den kommenden Wochen könnten wir eine leichte Konsolidierung vor dem Hintergrund des starken Anstiegs sehen, aber keine deutlichen Rückgänge. Im ersten Halbjahr könnten wir dann eine regelrechte Fahnenstange-Rallye sehen: Trump wird jetzt seine angekündigte Politik schnell umsetzen wollen - Steuersenkungen für die Unternehmen wirken wie ein Booster für amerikanische Aktienwerte. Es werden viele gut bezahlte Jobs entstehen, dadurch könnte ein Nachfrageboom in den USA ausgelöst werden. Damit einher geht aber dann auch die Gefahr einer Überhitzung im zweiten Halbjahr. Die Fed wird wohl mit Zinserhöhungen gegensteuern, die dann zu schweren Verwerfungen in den Schwellenländern führen könnten - der Kapitalabfluss ist jetzt schon ein großes Problem für die Chinesen. Leitzinserhöhungen in den USA könnten also auch negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben.
Die Europäische Zentralbank behält hingegen ihren Kurs bei: Sie belässt den Leitzins der Eurozone unverändert bei null Prozent und kauft unvermindert Anleihen in Milliardenhöhe. Viele kritisieren diese Nullzinspolitik angesichts der ansteigenden Inflation. Wie ist Ihre Bewertung?
Die EZB wandelt weiter auf alten Pfaden. Es wird weiterhin versucht, die Inflation anzuheizen und mit der dann entstehenden negativen Realverzinsung die enormen Schuldenberge in Europa abzuschmelzen. Eines Tages wird die Europäische Zentralbank auch umschwenken müssen, aber derzeit versucht sie, mit ihrer Politik den Südländern weiter unter die Arme zu greifen. Diese haben nach wie vor große wirtschaftliche Probleme. Sie haben von dem seit 2009 andauernden Boom nicht stark profitieren können. Man kann sich kaum ausmalen, was dort passiert, wenn dieser Boom-Zyklus in ein paar Jahren endet.
Die britische Premierministerin May hat kürzlich einen harten Brexit angekündigt. Welche Auswirkungen wird dies auf die EU haben und wie bewerten Sie die Zukunft Großbritanniens nach einem erfolgten Austritt?
Ich habe das Brexit-Thema nie so negativ gesehen. Man sollte sich da nicht verrückt machen lassen. Am Anfang wird es Anpassungsprobleme und eine Phase der Unsicherheit geben. Danach wird die EU mit den Briten eine pragmatische Abrede treffen, weil wir die Briten als Handelspartner ebenso brauchen, wie die Briten den Euroraum brauchen. Großbritannien wird weltweite bilaterale Abkommen abschließen. Meines Erachtens bleibt auch der Londoner Finanzplatz erhalten. Er könnte noch mächtiger werden, wenn die Briten Regulierungsauflagen künftig heruntersetzen können. Zudem kann man ein Industrieparadies mit speziellen Steuersätzen schaffen. Global Britain könnte Realität werden.
Im November 2016 hatte sich die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) dazu durchgerungen, dem Ölpreisverfall nicht länger zuzusehen und die Fördermenge erstmals seit acht Jahren zu kürzen. Dadurch soll das Überangebot reduziert werden, das für die fallenden Preise verantwortlich ist. Wird diese Maßnahme Ihrer Einschätzung nach helfen, den Ölpreis dauerhaft zu stabilisieren?
Nein, das sehe ich überhaupt nicht. Es wäre das erste Mal, dass der zahnlose Tiger OPEC einen wirklichen Schulterschluss abseits von Lippenbekenntnissen zeigt. Ich glaube nicht an eine deutliche Drosselung der Öl-Liquidität. Am Ölpreis wird sich aus meiner Sicht nicht viel tun - es sei denn, wir bekommen militärische Spannungen im Mittleren Osten.
Hat Gold Ihrer Meinung nach 2016 den Boden gefunden?
Gold hat meiner Meinung nach absolut den Boden geschafft. Wir haben jetzt eine sehr, sehr gute Ausgangslage für eine deutliche Aufwärtsbewegung. Die Gefahren darf man aber auch nicht übersehen: In Indien, einem Kernland des Goldes, wurden urplötzlich Beschränkungen für Goldbesitz eingeführt. Im Zusammenhang mit einer teilweisen Abschaffung des Bargeldes muss man künftig auch in anderen Ländern solche Schritte befürchten. Aber im Augenblick sieht es für physisches Gold und Minenaktien sehr gut aus.
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Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist freier Mitarbeiter bei finanzen.net. Er interviewt regelmäßig Finanzexperten zu aktuellen Themen.
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Bildquellen: Dirk Müller