Robert Halver: "Chance auf Jahresendrally ist da"
Der Kapitalmarktexperte der Baader Bank warnt vor einem Vertrauensverlust der Investoren in die Eurozone. Warum Sparen jetzt Gift ist - und die Börsen weiter schwanken.
von Stephan Bauer, Euro am Sonntag
€uro am Sonntag: Wie beurteilen Sie die Lage an den Börsen?
Robert Halver:
Wir haben eine stürmische Korrektur, noch keinen Crash. Was mir nicht daran gefällt, ist, dass es hohe Unsicherheit auch an den Anleihemärkten gibt. Anleihen aus den europäischen Peripheriestaaten wie Italien oder Griechenland werden auf den Markt geworfen, alles flüchtet in deutsche Staatsanleihen. Es droht wieder ein großer Vertrauensverlust des Kapitalmarkts in die Eurozone.
Gibt es eine Situation aus der Vergangenheit, an die Sie dieser Absturz erinnert, etwa der Sommer 2011 oder gar der Herbst 2008?
Das ist etwas Neues. Lehman war ein weltweites Problem. Heute haben wir mehrere Unsicherheitsfaktoren wie den IS, die Ukraine oder Ebola, aber vor allem eine hausgemachte Konjunkturkrise der Europäer.
Inwiefern hausgemacht?
Anleger sehen, dass die Leitzinsen in Europa auf quasi Nullniveau sind, aber der EZB der Kaltstart der Konjunktur nicht gelungen ist. Vom Dreiklang in den USA - mehr Schulden, mehr billiges Geld, mehr Unternehmensinvestitionen - ist in Europa Punkt 3 leider ausgeblieben.
Hat EZB-Präsident Mario Draghi die Lage noch unter Kontrolle?
Eine Staatsschuldenkrise wird es nicht geben. Wenn die Renditen der Anleihen der Euro-Südstaaten zu weit steigen, dann wird Herr Draghi deren Anleihen kaufen - das ist politisch und juristisch zwar eine Herkulesaufgabe, er wird es aber tun müssen. Die Konjunkturkrise zu bekämpfen ist nicht so leicht. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in eine ähnliche Deflationsfalle geraten wie Japan in den 90er-Jahren.
Was ist zu tun?
Für Reformen ist es inzwischen zu spät, das dauert zur Lösung aktueller Probleme zu lange. Die Südländer müssen neue Schulden machen. Und auch Deutschland darf sich nicht am ausgeglichenen Staatshaushalt festbeißen. Das ist kein Ziel an sich, dafür bekommt man maximal einen Eintrag in den Geschichtsbüchern. Aus einer Konjunkturdelle kann leicht ein handfester Abschwung oder eine Rezession werden, das haben wir zuletzt ab 2008 gesehen. Das auszubügeln, wird dann viel teurer. Der Bund sollte jetzt Investitionsprogramme auflegen, aber die Maastricht-Kriterien einhalten.
Was heißt das alles für den Markt?
Wir sind aktuell im Krisenmodus. Der Markt wird zunächst weiter schwanken. Ich sehe die 8.100 Punkte im DAX als erste Untergrenze - falls wir keinen nachhaltigen Vertrauensverlust in die Eurozone bekommen und keine Eskalation der Krisen.
Wo sehen Sie den DAX am Jahresende?
Schwierig, dies angesichts der vielen Unwägbarkeiten zu sagen. Die Chance auf eine Jahresendrally ist aber da - wenn von Politik und EZB alles getan wird, um eine Deflation in der Eurozone zu verhindern.
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Bildquellen: Simon Katzer