Interview Exklusiv

Klaus Kaldemorgen: "Das Kaufinteresse für Aktien ist da"

aktualisiert 22.03.14 22:44 Uhr

DWS-Chefstratege Kaldemorgen analysiert die Aktienmärkte in Europa, Amerika und Asien. Der chinesische Aktienmarkt bereitet ihm die größten Sorgen.

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von Benjamin Summa

Herr Kaldemorgen, die Stimmung am deutschen Aktienmarkt hat sich deutlich eingetrübt. Die Anleger sind angesichts der Krimkrise und hoher Börsenbewertungen offenbar stark verunsichert. Welche Chancen und welche Risiken machen Sie im laufenden Jahr für den deutschen Aktienmarkt aus?
Klaus Kaldemorgen: Die meisten Anleger sind in dieses Jahr mit einem sehr großen Optimismus und mit hoher Risikobereitschaft gestartet. Wenn dann wegen geopolitischer Krisen und einer deutlichen Wirtschaftsabschwächung in den Emerging Markets gegenläufige Bewegungen auftreten, kommt es zu diesen Kursverlusten.

Angesichts der sehr unattraktiven Renditen bei Anleihen sollten die Kursrückgänge aber genügend Kaufinteresse für Aktien erzeugen und so für eine Stabilisierung des Marktes sorgen. Wir werden in diesem Jahr vermutlich noch öfter das Wechselspiel zwischen überzogenen und enttäuschten Erwartungen an den Kapitalmärkten erleben.

Sie haben es angesprochen: Die schwächelnde Konjunktur in den Schwellenländern bereitet derzeit große Sorgen. Wie bedrohlich ist diese Entwicklung für die globalen Finanzmärkte?
In den Schwellenländern ist in den vergangenen Monaten einiges passiert. Die Aussicht auf steigende Zinsen in den USA hat viele Investoren veranlasst, den Emerging Markets den Rücken zu kehren. Das Ergebnis waren fallende Börsen und Währungen. Aber auch die Zinsen sind in diesen Ländern sehr stark gestiegen, um die Kapitalabflüsse zu stoppen. Die Emerging Markets haben sicherlich ein Problem: die Wachstumsschwäche. Durch die Zinssteigerungen wird dieses Problem noch verschärft.

Aber die heutige Situation darf nicht verglichen werden mit der in den 1990er-Jahren. Einige werden sich noch an die Tequila-Krise in Mexiko und die Asienkrise erinnern. Letztere begann 1997 in Thailand und griff auf mehrere asiatische Staaten über, insbesondere auf viele der sogenannten Tiger- und Pantherstaaten. Damals hatten die betroffenen Länder eine sehr starke Verschuldung in Fremdwährungen - das ist heute nicht mehr der Fall.

Aufgrund der Entwicklung der Rohstoffe müssen Länder wie Brasilien und Indonesien jetzt niedrigere Wachstumsraten hinnehmen - in Verbindung mit Leistungsbilanzdefiziten. Das macht die Investoren natürlich nervös, aber die derzeitige Krise der Schwellenländer hat sich zu einem Großteil bereits in den Kursen niedergeschlagen. Die Bedrohung für die globalen Finanzmärkte ist aus meiner Sicht begrenzt.

Der marktbreite US-Index S&P 500 hat in den vergangenen fünf Jahren rund 140 Prozent zugelegt. Viele Marktbeobachter sprechen bereits von viel zu hohen Bewertungsniveaus. Wie sehen Sie den US-Aktienmarkt?
Keine Frage, die Bewertungsniveaus in den USA haben sich letztes Jahr deutlich ausgeweitet und sind vergleichsweise hoch. Allerdings scheint die Wirtschaft dort solide zwischen 2,5 und 3 Prozent in diesem Jahr zu wachsen. Anders als Europa sind die USA relativ immun gegen eine Wachstumsabschwächung in China. Die niedrigen Energiepreise und ein vergleichsweise schwacher US-Dollar helfen der Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie. Ich denke, dass dies moderate Kursgewinne im einstelligen Bereich erlaubt, bei deutlich niedrigeren Kursschwankungen.

Der chinesische Aktienmarkt hinkt dem deutschen oder amerikanischen seit Monaten hinterher. Ist jetzt schon der richtige Zeitpunkt zum Einstieg gekommen?
Der chinesische Aktienmarkt und die Wirtschaftsentwicklung in China bereiten mir die größten Sorgen. Viele Analysten prognostizieren für China ein Wachstum von 7,5 Prozent, allerdings warnen einige, dass China diese Vorgabe nicht erreichen könnte. Ich glaube nicht, dass bereits eine Einstiegsgelegenheit gekommen ist für den chinesischen Aktienmarkt. Das Land möchte in den kommenden Jahren die Zinsen freigeben. Damit wäre das Geschäftsfeld der chinesischen Banken in großer Gefahr. Denn die bekommen heute feste Zinsen für ihre Einlagen und Ausleihungen. Dazwischen gab es bisher einen netten Spread, von dem die Banken gut leben konnten. Vor diesem Hintergrund muss konstatiert werden, dass der chinesische Finanzsektor wenig Potenzial hat. Der chinesische Aktienmarkt besteht aber leider zu 60 Prozent aus Finanzwerten.

Die Finanzmärkte sind weiterhin von den gigantischen Milliardenspritzen der Notenbanken abhängig. Vor allem die Krisenländer sind auf niedrige Zinsen angewiesen, da sie sonst ihre überbordenden Schulden gar nicht bedienen könnten. Wird uns die Niedrigzinsphase Ihrer Meinung nach dauerhaft begleiten?
Die amerikanische Notenbank wird ihr Tapering-Programm weiter fortsetzen und die Anleihekäufe vermutlich bis Ende des Jahres zurückführen. Die quantitative Geldpolitik in den USA wäre damit weitestgehend beendet. Das heißt aber nicht, dass wir eine Zinswende dort sehen werden. Experten rechnen frühestens 2015 mit einer vorsichtigen Zinserhöhung. In Europa wird die leichte Geldpolitik vermutlich noch länger anhalten. In Japan sowieso. Nur in den Schwellenländern sieht man - wie vorhin angesprochen - eine ziemlich brutale Umkehr. Die Türkei und Brasilien haben die Zinsen beispielsweise auf über zehn Prozent erhöht. Dort haben wir positive Realzinsen, in den USA und Europa haben wir weiterhin negative.

Für die meisten Menschen ist das Thema "Geldanlage" derzeit eine große Herausforderung. Sie konzentrieren sich bei Ihrem vermögensverwaltenden Fonds auf die Streuung des Fondsvermögens über verschiedene Anlageklassen. Können Sie dieses Total-Return-Konzept bitte konkretisieren?
Im Augenblick gleicht die Kapitalanlage der Quadratur des Kreises. Anlagen in vergleichsweise sicheren Anleihen bringen kaum noch nennenswerte Renditen. Höhere Renditen lassen sich nur durch entsprechend höhere Risiken erzielen. Anleger sehen zwar das Potenzial der Aktienanlage, möchten aber gleichzeitig ihre Risikokomfortzone in ihrem Portfolio nicht verlassen. Der DWS Concept Kaldemorgen ist ein Total Return Fonds, der versucht, möglichst stetig positive Renditen zu erzielen. Er folgt dabei keiner Benchmark, sondert hat ein definiertes Risikoziel. Dieses Ziel soll durch eine sehr flexible Streuung des Fondsvermögens über verschiedene Anlageformen wie Aktien, Anleihen, Cash und Währungen erreicht werden.

In welche Assetklassen sind Sie konkret investiert und wie ist die Gewichtung?
35 Prozent sind in Aktien angelegt, davon sind allerdings über zehn Prozent über Terminkontrakte abgesichert. Natürlich sind Aktien im Vergleich zu Geld- und Rentenanlagen momentan attraktiver. Aktien sind aber ganz sicher nicht risikolos. 80 Prozent des liquiden Anlagevermögens in Aktien zu investieren, wäre aus meiner Sicht kein guter Ratschlag. Aber eine Übergewichtung von Aktien steht bei deutschen Anlegern auch nicht zu befürchten. Nur fünf bis sechs Prozent des Geldvermögens der Deutschen sind in Aktien angelegt. Unser Fonds versucht, dieses Dilemma zu lösen: Die Anleger sollen über einen solchen risikoarmen Fonds indirekt an Aktien herangeführt werden.

16 Prozent sind in Anleihen investiert. Hier gibt es künftig neben dem Credit-Spread- und dem Währungsrisiko sicherlich verstärkt das Zinsänderungsrisiko. Dieses habe ich über Short-Positionen komplett abgesichert. Das Portfolio ist damit gegen einen Anstieg der längerfristigen Zinsen weitestgehend immun.

47 Prozent sind in Währungen angelegt. Bei den Währungen spielt natürlich der US-Dollar eine besonders große Rolle. Wenn die Anleger risikoscheuer werden, flüchten sie gemeinhin in die US-Währung. Zusätzlich habe ich wieder zwei Prozent Gold im Portfolio, nachdem ich diese Position im vergangenen Jahr abgebaut habe.

Welche Branchen und Regionen bevorzugen Sie derzeit bei den Aktien?
Wir fokussieren uns auf Titel, die eine hohe Dividendenrendite haben. Diese kommen aus ganz unterschiedlichen Branchen. Dazu gehört eine Royal Dutch aus dem Energiesektor oder die belgische Post mit einer Dividendenrendite von über fünf Prozent. Dazu haben wir auch solche Titel aufgenommen, die bereits stark gefallen sind, und auch Titel aus den Emerging Markets, da wir der Meinung sind, dass bei diesen Werten das Gros der schlechten Nachrichten schon eingepreist ist.

Nach heftigen Korrekturen im Vorjahr - Gold hatte 28 Prozent an Wert verloren - ist der Goldpreis in diesem Jahr bereits um zehn Prozent gestiegen, der beste Jahresstart seit 1983. Hat der Goldmarkt Ihrer Meinung nach die Talsohle durchschritten oder ist darin nur ein kurzes Aufbäumen vor dem nächsten Kursrutsch zu sehen?
Die zehn Prozent Gewinn müssen natürlich vor dem Hintergrund der drastischen Verluste im vergangenen Jahr gesehen werden. Wir machen immer folgende Rechnung: Wie viele Aktien kann ich mir mit einer Unze Gold kaufen? Anfang des Jahres 2013 kam da ein Rekordwert raus - man konnte also noch nie so viele Aktien für eine Unze Gold kaufen. Gold war relativ teuer. Durch die starken Kurszuwächse am Aktienmarkt und die Korrekturen beim Gold hat sich diese Relation wieder beruhigt. Gold ist - auch im Verhältnis zu seinen Produktionskosten - derzeit also nicht übermäßig teuer. Ich denke, dass wir mittlerweile eine Bodenbildung beim Gold gesehen haben - natürlich auch beeinflusst durch die geopolitische Krise in der Ukraine. Anleger sollten Gold als alternative Währung begreifen, die wichtiger wird, wenn man den Papierwährungen nicht mehr vertraut.

Kurzvita Klaus Kaldemorgen

Mitglied der Geschäftsführung der DWS Holding & Service GmbH und Chief Strategist Equities DWS. Managt seit 2011 den Total Return Fonds "DWS Concept Kaldemorgen". Die DWS ist die größte deutsche Fondsgesellschaft. Sie ist Teil der Deutschen Asset Management und gehört zur Deutsche Bank-Gruppe.

Kaldemorgen ist seit 1982 bei der DWS als Fondsmanager tätig und wurde 1991 Leiter des internationalen Aktienfondsmanagements. Von 2003 bis 2010 war er Mitglied, ab 2007 Sprecher der Geschäftsführung der DWS Investment GmbH.
Klaus Kaldemorgen studierte Volkswirtschaftslehre an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz.

Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist Unternehmenssprecher der pro aurum KG, München

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