Interview Exklusiv

Henkel-Finanzvorstand: "Größere Übernahmen schließen wir nicht aus"

05.07.14 15:00 Uhr

Carsten Knobel, Finanzvorstand von Henkel, über die M&A-Strategie des Konzern, höhere Margen und die Aussichten für mehr Dividende.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Jüngst hatte der Konsumgüterriese Henkel mit zwei Akquisitionen in kurzer Folge und 1,2 Milliarden Euro Gesamtwert überrascht. Für weitere Zukäufe könnten die Düsseldorfer auch mehr als drei Milliarden Euro zurückgreifen.

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Euro am Sonntag: Herr Knobel, vor einem Jahr hielt Henkel von 300 Übernahmezielen, die man näher analysiert hatte, rund 80 für verfolgenswert. Vor wenigen Wochen griff Henkel dann zu. Bei Spotless in Frankreich und auf dem US Markt bei den drei Haarmarken SexyHair, Alterna und Kenra. Was war der Auslöser für die kurze Serie mittelgroßer Zukäufe?
Carsten Knobel: Zukäufe sind integraler Bestandteil unserer Strategie und der Ziele, die wir bis Ende 2016 erreichen wollen. Wir wollen den Umsatz von gegenwärtig 16,4 auf 20 Milliarden Euro steigern, zehn Milliarden davon sollen aus den Wachstumsmärkten kommen. Zudem soll das Ergebnis je Aktie um durchschnittlich zehn Prozent pro Jahr gesteigert werden. Kurz gefasst: 20 - 10 - 10. Die Analyse und Prozessplanung möglicher Übernahmen ist dabei kein statischer Prozess, sondern läuft kontinuierlich im Hintergrund. Als sich nun konkrete Übernahmeziele mit strategischem Fit zu einem angemessenen Preis ergeben haben, wollten wir diese auch erwerben.

Mit dem Einbezug von Übernahmen in die Ziele hat sich der Vorstand freiwillig zusätzlichem Druck ausgesetzt.
Wir haben klar gesagt, was wir uns über einen Zeitraum von vier Jahren vornehmen. Das empfinden wir nicht als zusätzlichen Druck. Die Unternehmenskultur bei Henkel hat sich verändert. Ambitionierte Ziele zu verfolgen gehört zu unserer Philosophie einer starken Leistungsorientierung.

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Was will Henkel mit seiner Strategie bei Zukäufen erreichen?
Grundsätzlich wollen wir uns in allen drei Geschäftsbereichen verstärken, also bei Klebstoffen, Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Kosmetik und Körperpflege. In der größten Konzernsparte Klebstoffe haben wir 2008 mit der Übernahme der Klebstoffgeschäfte von National Starch unsere Position als Weltmarkführer weiter ausgebaut. Hier sind wir sowohl regional betrachtet als auch nach Produktkategorien deutlich führend. In diesem Bereich liegt unser Augenmerk bei Übernahmen deshalb vor allem auf neuen Technologien.

Und in den Verbraucher-Sparten Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetik und Körperpflege?
Dort geht es nicht primär darum eine weltweit dominante Position der jeweiligen Sparte aufzubauen, sondern um die Stärke einer bestimmten Produktkategorie in einem Land. In dieser Fokussierung sehen wir das stärkere Potenzial zur weiteren Verbesserung unserer Marge. Größere Übernahmen schließen wir damit aber auch hier nicht aus.

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Was verändern die jüngsten Zukäufe?
Spotless erzielt rund die Hälfte von 270 Millionen Euro Umsatz im Bereich Waschhilfsmittel, wie etwa Fleckenentferner oder Farbschutz und jeweils ein Viertel mit Insektenschutzmitteln und Haushaltspflege. Durch die Übernahme von führenden und ertragsstarken Marken in attraktiven Segmenten stärken wir unser Markenportfolio. Gleichzeitig nutzen wir auf der Kostenseite die Synergien unserer starken Geschäftsposition in Westeuropa. Wir können uns aber auch vorstellen, einzelne Produkte außerhalb der bisherigen Märkte in West- und Südeuropa anzubieten.

Und im besonders profitablen Haargeschäft in Amerika?
Dort sind wir im sogenannten Friseurgeschäft mit Schwarzkopf bisher im Bereich Colorationen präsent. SexyHair, Alterna und Kenra ergänzen die Präsenz um die Segmente Haarpflege und Styling. Mit dieser Akquisition stärken wir unsere Marktposition in diesem Segment deutlich.

Henkel hat die Anzahl seiner Marken während der vergangen Jahre sehr deutlich reduziert. Bleiben die jetzt erworbenen Marken erhalten?
Im Geschäft mit Konsumenten ist der Prozess der Markenbereinigung weitestgehend abgeschlossen. Die weitere Reduzierung von rund 300 auf etwa 250 Marken bis 2016 betrifft überwiegend den Bereich Klebstoffe. Hier verfolgen wir ein konsequentes Dachmarkenkonzept.

Im Haargeschäft, das über 60 Prozent des Spartenumsatzes bringt, nimmt Henkel im besonders profitablen US-Markt bisher noch keine bedeutende Position ein. Gibt es deshalb bei Übernahmen eine Präferenz für den US-Markt?
Im US-Retailmarkt sind wir nicht in allen Segmenten des Haargeschäfts vertreten, sondern konzentrieren uns sehr stark auf den Bereich Styling. Was Übernahmen betrifft, gibt es keine Präferenzen nach Ländern und Regionen, auch nicht nach reifen oder Wachstumsmärkten. Entscheidend sind drei Kriterien. Die Firmen müssen strategisch zu Henkel passen, sie müssen finanziell interessant sein, also beim Kaufpreis und bei den Margen und sie müssen verfügbar sein. Feindliche Übernahmen sehen wir eher nicht.

Wie sehen Sie Henkel: als Wachstumswert oder als Value-Aktie aus dem Konsumbereich mit möglichst attraktiver Dividendenrendite?
Das muss jeder Anleger für sich entscheiden. Aus unserer Sicht hat sich die Kombination aus den Konsumentengeschäften in den traditionellen Bereichen Waschmittel sowie Kosmetik und dem überwiegend von Industriekunden geprägten Klebstoffgeschäft während der Finanzkrise 2009 sehr gut bewährt. Mit diesem ausgewogenen Portfolio ist es uns gelungen die operative Marge im Konzern von etwa zehn Prozent im Jahr 2008 auf heute über 15 Prozent zu steigern. Parallel dazu haben sich relevante Finanzkennzahlen wie die freien Mittelzuflüsse, der sogenannte Cashflow, oder die Nettoverschuldung deutlich verbessert. Ohne unseren künftigen strategischen Handlungsspielraum einzuschränken konnten wir uns deshalb die Erhöhung der Dividendenausschüttung für 2013 von 25 auf 30 Prozent des bereinigten operativen Gewinns leisten. Zudem haben wir einen Korridor für künftige Ausschüttungen festgelegt, der zwischen 25 und 35 Prozent des operativen Gewinns liegt.

Was muss geschehen, damit Henkel mehr ausschüttet?
Wir werden das jährlich prüfen. Natürlich gäbe es auch die Möglichkeit, unsere Aktionäre neben der Dividendenausschüttung auch über Aktienrückkäufe stärker am Gewinn zu beteiligen. Derzeit ist das für uns aber keine Option. Wir sind überzeugt, das Investitionen in die Weiterentwicklung des Konzerns einschließlich Akquisitionen, auch im Sinne der Anteilseigner, der beste Weg für Wertsteigerungen bleibt.

Gab es bei der Dividende auch Druck von der Eigentümerfamilie?
Nein. Die Erhöhung für 2013 und den Korridor für künftige Ausschüttungen können wir uns leisten, weil wir die wesentlichen Finanzkennzahlen und unsere Profitabilität nachhaltig verbessert haben.

Währungseffekte drückten den Umsatz im vergangenen Jahr. Kann das für 2014 wieder der Fall sein?
Operativ, also ohne Berücksichtigung der Währungseffekte, konnten wir die Umsätze im ersten Quartal rund vier Prozent steigern. Und das, obwohl Währungskurseffekte einen negativen Einfluss auf die Erlöse von fast sieben Prozent hatten. Wir erwarten auch für das zweite und dritte Quartal keine maßgebliche Veränderung dieser Situation. Kurzfristig können wir diese negativen Effekte nur sehr bedingt auffangen und müssen diese Schwankungen deshalb aushalten.

Sind Preiserhöhungen in Schwellenländern eine Option?
Nein. Aus unserer Sicht ist die Korrelation zwischen Preisen und Währungseffekten gering. Über höhere Preise können wir nur den Anstieg bei Rohstoff- und Materialkosten ausgleichen. Und eine wesentliche Verteuerung ist hier für 2014 bisher nicht zu erwarten.

In einigen Schwellenländern hat Henkel Mut zum Verzicht bewiesen. Während der vergangenen Jahre hat sich der Konzern mit Markenartikeln aus Indien zurückgezogen und in China das Geschäft mit Waschmitteln aufgegeben. Stehen derzeit weitere Segmente oder Länder unter Beobachtung?
Nein. Aber im Rahmen unseres Portfolio-Managements überprüfen wir kontinuierlich anhand konkreter Ziele die Geschäftsentwicklungen in den einzelnen Bereichen. Wenn alles funktioniert, wird weiter investiert. Wenn nicht, dann sind wir auch bereit, eine Entscheidung zu treffen und diese umzusetzen. In dieser Hinsicht sind wir heute deutlich konsequenter als noch vor einigen Jahren.

Russland und die Ukraine sind für Henkel wichtige Märkte in den Schwellenländern. Trotz der politischen Spannungen blieb das Geschäft dort erstaunlich robust. Gilt das auch für die nächsten Monate?
Angesichts der fast bürgerkriegsähnlichen Zustände liegt unser Augenmerk vor allem auf der Sicherheit und dem Wohlergehen unserer Mitarbeiter vor Ort. Wir spüren derzeit vor allem in der Ukraine Beeinträchtigung unserer Geschäfte. Für uns ist das jedoch kein Anlass bei den Investitionen in die beiden Länder etwas zu ändern. Russland und die Ukraine sind und bleiben für uns in allen drei Sparten extrem wichtige Märkte.

Im vergangenen Jahr hat Henkel in Dubai, Indien, Südkorea und Südafrika vier von sieben Entwicklungszentren eröffnet, die in Schwellenländern geplant sind. Was ändert das gegenüber einer zentralen Entwicklung, wenn 85 Prozent des Verkaufs bei den zehn größten Marken des Konzerns über die Zentrale in Düsseldorf gesteuert wird?
Wir müssen die Entwicklung der Produkte an die Anforderungen der Kunden vor Ort anpassen. In Amerika wird Wäsche bei deutlich niedrigeren Temperaturen gewaschen und in Europa, Asien oder Afrikas unterscheiden sich zum Beispiel die Eigenschaften der Haare sehr deutlich voneinander.

Bei Waschmitteln bietet Henkel seine Produkte in verschiedenen Ländern unter unterschiedlichen Namen an, bildlich gesprochen, Persil-Pulver in den gleichen Karton der entsprechenden französischen Waschmittelmarke. Kommt es bei Kunden deshalb nicht zu Irritationen?
Nein, gar nicht. Wenn ein Kunde in Frankreich eine hohe Qualität mit einem bestimmten, etablierten Markennamen verbindet, dann entsprechen wir dieser Erwartung. Da macht es keinen Sinn, mit viel Aufwand den gleichen Namen wie in Deutschland zu etablieren.

Als Konzern deutlich schneller und bei den Kosten deutlich günstiger will Henkel vor allem über sogenannte shared service center werden. Was verbirgt sich hinter dem technischen Zauberwort?
Im Wesentlichen geht es um die Bündelung und Standardisierung von Prozessen und Abläufen, die in jedem Land, in jeder Sparte und in jedem Bereich eines Unternehmens mit weltweit 47 000 Mitarbeitern, ähnlich verlaufen. Wir wollen Henkels Umsatz während der vier Jahre zwischen 2012 und 2016 mit einer etwa gleichbleibenden Anzahl von Mitarbeitern um 25 Prozent steigern. Das funktioniert nur über effiziente Strukturen. Daher sind wir auch dabei die Anzahl der IT-Systeme von derzeit über 30 auf eins zu reduzieren. In Asien wurde die Einführung gerade abgeschlossen. Eine einheitliche IT-Plattform ersetzt dort die mehr als 20 bisherigen Systeme.

Allerdings sollen auch in der Produktion während der nächsten zwei Jahre weltweit weitere Fabriken geschlossen werden.
Hier sehen wir vor allem in der Klebstoffsparte noch Potenzial für Verbesserungen unseres Produktionsnetzwerkes. Im Zuge der Portfolio-Optimierung sehen wir im Rahmen unserer Strategie außerdem den Verkauf von Geschäften mit 500 Millionen Euro Gesamtumsatz zwischen 2012 und 2016 vor. Auch hier spielt die Anpassung des Portfolios im Bereich Klebstoffe auf Geschäfte mit hohen Margen eine wichtige Rolle.

Und die geplante Reduzierung der Zulieferer um etwa 40 Prozent?
Die betrifft alle Unternehmensbereiche. Zulieferfirmen werden künftig noch stärker an der Produktentwicklung beteiligt. Deshalb werden größere Auftragsvolumen auf einzelne Zulieferer verteilt und die Zusammenarbeit intensiviert.

Mehr Effizienz und Professionalisierung gibt es inzwischen auch in der Bundesliga. Bei ihren Lieblingsclub Hertha BSC ist vor einiger Zeit der Finanzinvestor KKR eingestiegen, um die Vermarktung des Hauptstadt-Vereins zu professionalisieren. Zuvor war KKR jahrelang bei bei ProSiebenSat1 engagiert. Wie schätzt der Fussballfan und Finanzfachmann Knobel diese Entwicklung ein?
Unabhängig vom Einstieg von KKR bin ich der Meinung, dass bei Hertha BSC schon heute sehr professionell gearbeitet wird. Wie weit dies gehen kann, sieht man bei Bayern München, bekanntermaßen der Lieblingsverein unseres Vorstandschefs Kasper Rorsted. Mit professionellem Management können Vereine heute viel erreichen und wer in diesem Umfeld mehr verdienen will, muss seine Strukturen weiter aufwerten. Was ich mir als Fußballfan allerdings nicht wünsche, ist eine Entwicklung wie sie zum Teil in England zu beobachten ist, wo einzelne Investoren die Kontrolle über Vereine übernehmen. Zum Glück ist das in Deutschland nicht möglich.

Investor-Info

DER KONZERN
Zackige Ziffern
Seit 2008 haben sich wichtige Profitabilitätskenn-ziffern wie etwa die operative Gewinnmarge (Ebit) deutlich verbessert. Zudem wird eigenes und -fremdes Kapital effizienter eingesetzt. Die Kapitalrendite (ROIC) legte auf über 16 Prozent zu. Ohne Berücksichtigung von Zukäufen könnten sich Henkels Cashreserven nach Einschätzung der Analysten von Berenberg und Deutscher Bank in drei Jahren auf fünf Milliarden Euro knapp verfünffachen. Im ersten Quartal überraschte Henkel mit starkem Umsatzwachstum. Die jüngsten Zukäufe erhöhen das Gewinnwachstum für 2014 nach Einschätzung der Deutschen Bank um drei Prozentpunkte.

DIE AKTIE
Klebt rein gar nicht
Henkel stellt jährlich zehn Prozent mehr Gewinn in Aussicht. Einen Beitrag dazu liefern auch Zukäufe wie die jüngsten, die einen positiven Effekt auf das Gewinnwachstum hatten. Eine stabile Konjunktur vorausgesetzt, sollte sich auch die Profitabilität der Klebstoffsparte weiter verbessern. Der Bereich liefert mehr als die Hälfte des operativen Gewinns. Analysten sind skeptisch und erwarten bis 2016 lediglich ein Gewinnwachstum zwischen sieben und neun Prozent jährlich. Daran gemessen ist die Aktie teuer. Wir halten das Papier langfristig für attraktiv.

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NameHebelKOEmittent
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Analysen zu Henkel KGaA St.

DatumRatingAnalyst
02.08.2012Henkel neutralUBS AG
01.08.2012Henkel holdCommerzbank Corp. & Markets
16.03.2009Henkel zwischen 16 und 18 EUR interessant Wirtschaftswoche
12.11.2007Henkel haltenEuro am Sonntag
14.09.2006Henkel interessantFinanzwoche
DatumRatingAnalyst
16.03.2009Henkel zwischen 16 und 18 EUR interessant Wirtschaftswoche
14.09.2006Henkel interessantFinanzwoche
03.05.2005Henkel: OutperformerLB Rheinland-Pfalz
03.05.2005Henkel: OutperformerLB Rheinland-Pfalz
27.04.2005Henkel: KaufenHelaba Trust
DatumRatingAnalyst
02.08.2012Henkel neutralUBS AG
01.08.2012Henkel holdCommerzbank Corp. & Markets
12.11.2007Henkel haltenEuro am Sonntag
DatumRatingAnalyst
25.05.2006Henkel underweightLehman Brothers

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