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Commerzbank-Chef: Zum Banker geboren

02.06.15 03:00 Uhr

Commerzbank-Chef: Zum Banker geboren | finanzen.net

Martin Blessing, Commerzbank-Chef, führt Deutschlands zweitgrößte Bank langsam und mühsam aus der Krise. Es ist seine zweite große Mission bei der Bank - und vielleicht seine letzte.

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von Alexander Strum, €uro am Sonntag

Neuerdings geschieht auf Pressekonferenzen der Commerzbank das bis vor Kurzem Undenkbare. Es wird gelacht, und zwar aus einer Position der Stärke. So wie Mitte Februar im 49. Stock des Commerzbank-Turms. Gefragt, was die Bank von den Finanzverbünden der Sparkassen und Genossenschaftsbanken unterscheide, kann sich Martin Blessing eine kecke Antwort nicht verkneifen. "Wir haben sechs Wochen gebraucht, um unsere Kontostands-App einzuführen", sagt er stolz. "In den Verbünden brauchen sie sechs Wochen, um die Einladung zum Verbandsmeeting abzustimmen." Durch den Raum geht ein Raunen.



Blessing hat schon schlechtere Zeiten erlebt. Noch vor wenigen Jahren forderten Commerzbank-Aktionäre auf Hauptversammlungen regelmäßig seinen Rücktritt und beschimpften ihn als ­"Totalversager". Er biss dann die Zähne zusammen und harrte am Pranger aus. In all den Jahren, als die Bank nicht herausfand aus dem Sumpf von Verlusten, Abschreibungen und Kapitalerhöhungen, war Blessing mehr als einmal angezählt. Hauptversammlungen kann er noch immer nicht leiden.

Abgeschrieben und auferstanden

Heute kann sich der 51-Jährige kleine Momente des Triumphs erlauben. Die Bank ächzt zwar unter den Spätfolgen der Krise, aber ab und an überrascht sie mit Erfolgsmeldungen. Auch hat sich die Commerzbank vom Image einer Pleitebank erholt. Seit sie in TV-Werbespots eine joggende Filialleiterin über Vertrauen in Banken sinnieren lässt und die Fußballnationalmannschaft sponsert, hat sie etwas Sympathien gesammelt. Im Gegensatz zum Rivalen Deutsche Bank, der sich in unzähligen Skandalen zerlegt. Und in der Finanzbranche, in der man die Commerzbank wegen der milliardenschweren Staatshilfe in der Finanzkrise lange als Staatsbank verspottete, ist die Häme Neid gewichen. Auch, weil das Geldhaus dank Lockprämien für Girokonten anderen Banken massenhaft Kunden abluchst. Aus der Lachnummer ist ein Feind geworden.


Tatsächlich hat Blessing seit seinem Antritt als Bankchef im Mai 2008 einiges geschafft, was ihm viele nicht zugetraut hätten. So hat er die Dresdner Bank, deren Übernahme von der Allianz die Commerzbank an den Rand der Pleite gebracht hatte, erfolgreich inte­griert. Die Milliarden aus dem Bankenrettungsfonds der Bundesregierung hat die Commerzbank längst zurückgezahlt und den Stresstest der Europäischen Zentralbank bestanden.

Doch Blessing hat den Aktionären viel zugemutet. Seit 2008 hat die Commerzbank-Aktie fast 90 Prozent verloren, auch weil er eine Kapitalerhöhung nach der anderen durchpeitschte. Seit der Finanzkrise sind die Eigenkapitalauflagen der Regulierer schärfer geworden. Und die Hilfen des Bundes wollte Blessing schnell zurückzahlen, um den lästigen Staat loszuwerden. Nur wovon? Gewinn warf die Bank lange kaum ab. Also pumpte er die Aktionäre an. Seit Blessings Antritt hat sich die Zahl der Commerzbank-Aktien verzwanzigfacht.


Erst kürzlich gab er über Nacht 114 Millionen neue Papiere aus. Die Aktionäre mussten mit ansehen, wie der Kurs einknickte. Ihre Wut sprach Klaus Nieding, Vizepräsident des Anlegerschutzvereins DSW, auf der jüngsten Hauptversammlung aus. "Herr Blessing, Sie sind der ungekrönte König der Anteilsverwässerung", schimpfte er. Es sei ein Armutszeugnis, dass Deutschlands zweitgrößte Bank nicht in der Lage sei, aus eigener Kraft ihr Kapital zu stärken. Was ist Blessing nun? Einer der größten Kapitalvernichter im DAX oder ein Glücksfall für die Commerzbank? Wahrscheinlich ist er beides.

Mühsamer Kampf um Normalität

Unbestreitbar ist, dass die Bank Fortschritte macht. So hat sie seit 2012 unter dem Strich knapp 600 000 Privatkunden gewonnen. Doch Blessing, der privat Marathon läuft, braucht auch bei der Sanierung einen langen Atem. Von den Erträgen mit den Privatkunden etwa bleibt wenig Gewinn hängen. Die Niedrigzinsen drücken auf das Zinsgeschäft, zugleich sind die Filialen teuer. Die Mittelstandsparte vergibt zwar mehr Kredite an Unternehmen, aber da die sich am Kapitalmarkt günstig verschulden können, sinken die Margen. Schmiert die Konjunktur ab, wird es für die Commerzbank richtig gefährlich. Dann nehmen Kreditausfälle zu. Und das Investmentbanking liefert solide Ergebnisse, ist aber klein. Gleichwohl wächst die Commerzbank in Polen, Tschechien und der Slowakei stetig.

Im ersten Quartal konnte das Geldhaus immerhin das operative Ergebnis verdoppeln. Die Bank habe sich stark entwickelt, sagt Dirk Becker, Analyst bei Kepler Cheuvreux. Doch die Entwicklung lasse sich nicht über das Gesamtjahr fortschreiben. Auch sind die absoluten Beträge klein. So hat die Deutsche Bank 2014 mit 3,1 Milliarden Euro vor Steuern fünfmal so viel verdient wie die Commerzbank. Und in deren interner Bad Bank schlummern faule Schiffs- und Immobilienpapiere in Höhe von 30 Milliarden Euro. Der Abbau verschlingt viel Geld, auch wenn der Börsenboom dabei hilft.

"Die Commerzbank arbeitet sich mit Trippelschritten aus der Krise", sagt ­Anlegerschützer Nieding. Ob sie für den nächsten großen Sturm gerüstet ist, sei indes zu bezweifeln. So muss Blessing eisern sparen und hoffen, dass die Märkte nicht kollabieren, die Konjunktur nicht einbricht und die Zinsen irgendwann steigen. Sonst kann es schnell wieder ungemütlich werden.

Ein Ehrgeizling auf der Überholspur

Wie mühsam Blessings Ringen ist, zeigt ein Blick auf die eigenen Ziele. Im Kerngeschäft will er die Eigenkapitalrendite bis 2016 von zuletzt 7,5 auf über zehn Prozent steigern. Angesichts der niedrigen Zinsen ist das ein weiter Weg. Doch Ziele zurückzunehmen kommt für Blessing nicht infrage. "Ich sehe keinen Anlass, den Kampf aufzugeben", sagte er jüngst. Und gab zu: "Es wird schwieriger, als wir gedacht hatten."

Zurückstecken, nachlassen, sich mit weniger begnügen - das würde nicht zu Blessing passen. Sein Leben lang hat er aufs Tempo gedrückt. Geboren in einer Bankerfamilie (siehe Vita unten), machte er vorgezogen das Abitur an einem Jungen-Gymnasium in Königstein im Taunus, absolvierte binnen 16 Monaten eine Banklehre bei der Dresdner Bank und schrieb sich währenddessen schon zum BWL-Studium an der Frankfurter Goethe-Universität ein. Von dort schafft er es an die Schweizer Kaderschmiede St. Gallen und legt einen MBA in Chicago obendrauf. Mit 25 Jahren und zwei Abschlüssen heuert er als Unternehmensberater bei McKinsey an, mit 31 steigt er in den Kreis der Partner auf.

Als er 1997 ins Privatkundengeschäft der Dresdner Bank wechselt, wird er im Bewerbungsgespräch gefragt, was er als Bankchef tun würde. Blessings Antwort: "Die Commerzbank kaufen." Es kommt bekanntlich andersherum. Trotz seines Erfolgs gibt sich Blessing bodenständig. Beim Besuch von Filialen sucht er das Gespräch mit einfachen ­Angestellten, mit Nachwuchsmanagern geht er zum Jobbeginn Mittagessen, und im kleinen Kreis legt er gern Sakko und Krawatte ab. Diese Nahbarkeit gepaart mit seinem Kommunikationstalent ­haben seine Blitzkarriere gefördert. Der Schnelldenker Blessing spricht druckreif und ohne Schnörkel. Jüngst lobten Sprachforscher seine Rhetorik. Und auch wenn er als Bankchef seine Worte abwägen muss: Um einen lockeren Spruch ist Blessing nie verlegen.

Der Schatten der Dresdner Bank

Indes werfen manche ihm vor, sein Ehrgeiz habe das Debakel um die Übernahme der Dresdner Bank mit befördert. Als die Commerzbank im August 2008 mit Unterstützung aus Berlin den Kauf des Konkurrenten besiegelte, kann sie den Deal kaum stemmen. Doch der frisch gekürte Bankchef Blessing will die Übernahme. Kurz darauf bricht die Finanzkrise aus, und die Dresdner Bank wird zum Giftcocktail. In ihrer Bilanz kommen riskante Geschäfte in Milliardenhöhe ans Licht. Hätte der Bund nicht mit gut 18 Milliarden Euro Steuergeld ­geholfen, die Commerzbank wäre zur deutschen Lehman Brothers geworden.

Hätte Blessing die Gefahr nicht ahnen können? Oder ahnte er sie, wischte aber den Gedanken beiseite, weil er von ­einer neuen Großbank träumte? Er rechtfertigt sich, das Ausmaß der Krise habe niemand vorhersehen können - ein Argument, das sich schwer entkräften lässt. Heute ist die Integration der Dresdner Bank sein größtes Werk.

Dass die Commerzbank die verhängnisvolle Übernahme nun hinter sich lässt und Licht am Ende des Tunnels sieht, freut den Bund. Er hält noch 15 Prozent der Anteile. Steigt der Kurs, wird die Beteiligung wertvoller.

Blessings großes Ziel

Dass Blessing der Einfluss des Staates nervt, ist in Finanzkreisen ein offenes Geheimnis. Er würde lieber eine normale Bank führen. Stattdessen musste er aus Rücksicht auf politische Befindlichkeiten die Kosten für seinen Dienstwagen und First-Class-Flüge zu Terminen in den USA erklären. Jahrelang war sein Gehalt wegen der Staatshilfen auf 500 000 Euro gedeckelt. 2014 verdiente Blessing 2,7 Millionen Euro, erstmals nahm er wieder einen Bonus an.

Kürzlich bekam Blessing besonders heftig die Fesseln des Staates zu spüren. Auf der Hauptversammlung blockierte das Bundesfinanzministerium seinen Plan, die Obergrenze für Boni von Bankern unterhalb des Vorstands auf das Doppelte der Fixgehälter anzuheben - und brüskierte Blessing so öffentlich. Es war der bisher größte Zusammenstoß mit dem Bund.

Der Affront dürfte Blessing die Entscheidung, seinen 2016 auslaufenden Vertrag bei der Commerzbank zu verlängern, nicht leichter machen. Ihm werden Gespräche um hohe Posten in der Finanzbranche nachgesagt. Im kommenden Jahr hat er acht harte Jahre an der Spitze der Bank hinter sich. Fast jeder Chefposten im DAX dürfte angenehmer gewesen sein. So oder so, eines hat Blessing in jedem Fall noch vor. 2016 soll die Commerzbank erstmals seit der Finanzkrise wieder eine Dividende zahlen. Auch wenn sie 20 Cent nicht übersteigen dürfte, ­allein die Zahlungsfähigkeit der Bank hat hohe Symbolkraft. Damit würde Blessing zeigen, dass er die Wende geschafft hat. Denn als Kapitalvernichter will er sicher nicht in Erinnerung bleiben.

Kurzvita

Martin Blessing wurde am 6. Juli 1963 in Bremen als Spross einer Bankerfamilie geboren. Sein Großvater war Präsident der Bundesbank, sein Vater Vorstand bei der Deutschen Bank. "Lern’ was Anständiges, werd’ kein Banker", gab er dem jungen Blessing ­witzelnd mit auf den Weg. Der studierte in Frankfurt, St. Gallen und Chicago Betriebswirtschaftslehre und wurde nach einigen Jahren als Unternehmensberater Banker.
Im Studium lernte Blessing seine heutige Ehefrau Dorothee kennen. Sie leitet das Investment­banking der US-Bank JP Morgan in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Paar hat drei Töchter.

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Bildquellen: Commerzbank

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