Hohe Gewinndynamik in Europa

Europäische Aktien: Alter Kontinent, neue Kraft

23.08.15 18:00 Uhr

Europäische Aktien: Alter Kontinent, neue Kraft | finanzen.net

Europa, das ist mehr als das Dauer-Hickhack um Griechenlands Schulden. Nämlich ein Kontinent mit besten Aussichten.

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von Andreas Zöllinger, Gastautor von Euro am Sonntag

Während die griechische Schuldendebatte weiter die Schlagzeilen bestimmt und das Interesse der Anleger auf sich zieht, erholt sich die europäische Wirtschaft fast unbemerkt und wird stärker. So hat der Einkaufsmanagerindex Markit Eurozone Composite PMI, der die Stimmung im produzierenden und Dienstleistungsgewerbe misst, im Juli erneut einen der höchsten Stände der vergangenen vier Jahre erreicht.

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Auch der europäische Arbeitsmarkt läuft laut Markit so gut wie seit 2011 nicht mehr. Um sich für einen anhaltenden Aufschwung zu rüsten, stellen Unternehmen zusätzliche Arbeitskräfte ein - im Juli den neunten Monat in Folge.

Treiber dieser positiven Entwicklung sind vor allem die Peripheriestaaten mit Ausnahme Griechenlands, in denen die Früchte jahrelanger Reformen reifen. Hinzu kommen externe Faktoren, zum Beispiel die niedrigeren Ölpreise. Diese tragen dazu bei, die Kostenbasis der Unternehmen zu verringern - schließlich ist Europa Nettoimporteur von Öl.

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Der schwächere Euro beflügelt die europäischen Exporte: Die in Europa gelisteten Unternehmen machen gut die Hälfte ihres Geschäfts außerhalb des heimischen Kontinents. Daher stärkt ein schwächerer Euro ihre internationale Wettbewerbsposition.

Auch die Privathaushalte tragen zum Aufschwung bei. Dort wirkt sich eine Mischung aus zunehmender Beschäftigung, niedrigeren Ölpreisen und in einigen Ländern steigenden Löhnen positiv auf die Ausgaben aus. Das günstige Umfeld führt dazu, dass private Verbraucher ebenso wie Unternehmen wieder mehr Kredite aufnehmen. Die Kreditnachfrage in Europa ist aktuell so hoch wie seit acht Jahren nicht mehr. Vor diesem Hintergrund haben europäische Unternehmen im ersten Quartal 2015 insgesamt das beste Quartalsergebnis seit vier Jahren abgeliefert. Und die Mehrzahl der Firmen hat die Erwartungen der Analysten übertroffen. Dies hat dazu beigetragen, dass Europas Aktienmarkt trotz der aktuellen Volatilität seit Jahresanfang deutlich zugelegt hat.

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Die Bewertungen europäischer Aktien - gemessen an den Kurs-Gewinn-Verhältnissen auf Basis der Gewinnerwartungen für die nächsten zwölf Monate - haben im historischen Vergleich inzwischen das obere Ende erreicht. Dabei ist aber zu beachten, dass das Niveau der Gewinne in Europa nach sieben Jahren verhaltenen Wirtschaftswachstums weiter deutliches Erholungspotenzial bietet. Im Vergleich zu US-Aktien und festverzinslichen Anlageprodukten halten wir europäische Aktien weiterhin für attraktiv bewertet.

Im Januar hatten wir für europäische Aktien eine Rendite von mehr als 15 Prozent für 2015 vorhergesagt. Durch die besseren konjunkturellen Aussichten in Europa sehen wir weiteres Potenzial, sodass die Rendite für das Gesamtjahr mehr als 25 Prozent erreichen könnte. Höhere Gewinnerwartungen und ein abnehmender Risikoabschlag dürften diese Entwicklung befördern.

Europas Aktienmarkt bietet
die beste Gewinndynamik

Der aktuelle Rücksetzer am Markt bietet unserer Ansicht nach eine gute Gelegenheit, Europa-Aktien höher zu gewichten. Denn wir denken, dass dieser Markt weltweit die beste Gewinndynamik bei attraktiven Bewertungen bietet. Nach fünf Jahren Krise beginnt Europa sich zu erholen. Mit Unterstützung der Geldpolitik sollte das auch in den nächsten zwölf Monaten so weitergehen.

Die Unsicherheiten rund um Griechenland begründen den Risikoabschlag auf europäische Aktien. Sobald diese Unwägbarkeiten vom Tisch sind, könnte der Abschlag zurückgehen. Eine nennenswerte Ansteckungsgefahr für den Rest Europas sehen wir nicht.

Sowohl das Verbrauchervertrauen als auch das Vertrauen der Unternehmen verbessert sich weiter. Beides unterstützt den Umsatz und belebt den Markt für Fusionen und Übernahmen, weil die Manager die Komfortzone verlassen, in die sie sich während der Rezession zurückgezogen haben. Nun schauen sie nach vorn. Bislang haben wir Fusionen und Übernahmen in den Branchen Telekommunikation, Gesundheitswesen, Konsum und Industrie gesehen. Wir rechnen im Lauf des Jahres mit weiteren Transaktionen, die die Bewertungen nach oben treiben dürften.

Kurzvita

Andreas Zöllinger,
Fondsmanager bei BlackRock

Zöllinger ist Portfoliomanager im Team für europäische Aktien bei BlackRock. Dort verwaltet er gemeinsam mit Alice Gaskell rund elf Milliarden Euro für private und institutionelle Investoren. BlackRock ist ein weltweit führender Anbieter von Investmentmanagement, Risikomanagement und Beratung für institutionelle und private Anleger. Derzeit verwaltet die Gesellschaft rund 4,7 Billionen US-Dollar.

Bildquellen: MichaelJayBerlin / Shutterstock.com, BlackRock Inc.

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