6, 3, 1?
Eine alte Börsenweisheit besagt, dass man am Aktienmarkt im Mai aussteigen soll. Bei näherer Betrachtung der vergangenen Jahrzehnte zeigt sich tatsächlich, dass der Mai kein guter Börsenmonat ist.
Auslöser für die Rally am Aktienmarkt, war die Erwartung einer baldigen Zinswende. Zunächst gingen die Marktteilnehmer von insgesamt sechs Zinssenkungen in diesem Jahr aus. Nachdem der "Starttermin" immer weiter verschoben wurde, erwartete man Ende März immer noch drei Zinssenkungen in der zweiten Jahreshälfte. Mittlerweile ist auch dies offensichtlich zu optimistisch, so dass die Mehrheit der Anleger nun nur noch von einer Zinssenkung in der zweiten Jahreshälfte ausgehen. Damit stellt sich die Frage, ob die Rally am Aktienmarkt, welche ja in besonderem Maße von der Erwartung fallender Zinsen getragen wurde, über das Ziel hinausgeschossen ist.
Undenkbares Szenario?
Während die Inflation hierzulande im April mit 2,2 Prozent auf dem Niveau vom März dieses Jahres verharrt, darf man gespannt auf die US-Inflation sein. Diese hat im März weiter zugelegt und ist auf 3,5 Prozent gestiegen. Da die US-Wirtschaft nach wie vor stabil ist, gibt es auch noch keinen Anlass für eine baldige Zinswende in den USA. Im Gegenteil - gibt es doch erste Stimmen, die sogar eine weitere Zinsanhebung nicht mehr ausschließen. Dies ist zwar bislang noch kein breiter Konsens, dennoch zeigt sich damit ein Szenario, welches noch vor einigen Wochen undenkbar gewesen wäre.
Besonders der Ausblick wird mit Spannung erwartet!
Zwar liegt die Inflation in Deutschland mit 2,2 Prozent für den Monat April deutlich niedriger als die Teuerungsrate in den USA, die Bundesbank warnt aber vor einem Anstieg auf drei Prozent. Die Europäische Zentralbank wird im Juni erstmals den Leitzins senken. Allgemein erwarten die Marktteilnehmer im weiteren Jahresverlauf noch zwei weitere Zinssenkungen, es muss sich allerdings erst zeigen, wie sich die europäische Wirtschaft entwickeln wird. Aktuell wird in diesem Jahr für Europa mit einem Wachstum von einem Prozent gerechnet, Deutschland liegt mit einem Mini-Wachstum von erwarteten 0,5 Prozent angeschlagen zurück. Sollten sich diese Zahlen allerdings bessern und die Inflation doch nicht so rasch weiter absinken, könnte der Druck auf die EZB wachsen, die Zinszügel doch wieder zu straffen. In jedem Fall müssen die Unternehmen mit der Vorlage der Quartalszahlen belegen, dass die errungenen Kursanstiege auch berechtigt sind. Fast noch wichtiger dürfte dabei der Ausblick auf die kommenden Quartale bzw. auf das Gesamtjahr sein. Trübt sich dieser etwas ein, könnte dies Auslöser für eine korrigierende Bewegung in den Sommermonaten sein. Aus saisonaler Sicht wäre dies zumindest keine Überraschung.
Stephan Feuerstein ist Chefredakteur des Börsenbriefes Hebelzertifikate-Trader. Bereits seit Anfang der 90er Jahre beschäftigt er sich mit dem Thema Börse, speziell der Technischen Analyse. Infos: www.hebelzertifikate-trader.de Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.