Daimler vorsichtig optimistisch - Produktionskapazitäten werden gekappt - Aktie dreht ins Minus
Daimler verzeichnet nach dem Einbruch der Autonachfrage infolge der Corona-Pandemie wieder eine bessere Entwicklung.
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"Die Auftragseingänge entwickelten sich in den vergangenen Wochen in fast allen Kernmärkten wieder positiv", teilte der DAX-Konzern anlässlich der Hauptversammlung mit. In China seien die negativen Effekte des ersten Quartals im zweiten Quartal wieder ausgeglichen worden. In der Summe reicht das aber nicht für schwarze Zahlen im abgelaufenen Vierteljahr.
Daimler bekräftigte daher anlässlich des Aktionärstreffens den Ausblick, wonach im zweiten Quartal ein negatives bereinigtes Konzern-EBIT und ein negativer freier Cashflow im Industriegeschäft bevorstehen. Der Umsatz werde deutlich zurückgehen. Allerdings stimme die Entwicklung des Umsatzes insbesondere im Pkw-Geschäft in den vergangenen Wochen "vorsichtig optimistisch", so der Stuttgarter Konzern.
Daimler verschärft Sparkurs
Angesichts der weiter insgesamt schwierigen Lage intensiviert Daimler die Sparmaßnahmen. "Unsere bisherigen Effizienzziele haben die bevorstehende Transformation abgedeckt, aber nicht eine weltweite Rezession. Deswegen schärfen wir unseren Kurs nach", sagte CEO Ola Källenius den Aktionären. "Die notwendigen Investitionen in die Zukunft können durch Umsatzsteigerungen und 'normale' Effizienzgewinne nicht mehr erwirtschaftet werden", so der Manager. Details nannte Källenius nicht.
Rückendeckung hat das Management dabei vom Kontrollgremium: "Der Aufsichtsrat ist sich völlig bewusst, vor welchen komplexen Aufgaben der Vorstand steht und unterstützt alle geeigneten Maßnahmen, um die Zukunft erfolgreich zu gestalten", sagte Aufsichtsratschef Manfred Bischoff.
Daimler verkauft im Halbjahr 20,9 Prozent weniger Pkw
Mercedes-Benz Cars hat im ersten Halbjahr einen Absatzeinbruch um 20,9 Prozent auf 945.190 Fahrzeuge verzeichnet. Die Daimler-Stammmarke Mercedes alleine brachte es Konzernangaben zufolge in binnen sechs Monaten auf 935.089 Einheiten, ein Rückgang um 17,6 Prozent. Beim Kleinwagen Smart brach der Absatz um 83,3 Prozent auf 10.101 Fahrzeuge ein.
Nach dem coronabedingten Lockdown im April und Mai zeigt sich inzwischen allerdings eine Erholung. Im Juni lag der Absatz von Mercedes-Benz Cars bereits um 0,6 Prozent über dem Vorjahresniveau. In China verbuchte die Marke mit dem Stern mit einem Absatzplus von 21,6 Prozent auf 207.107 Fahrzeuge in den Monaten April bis Juni das bisher beste zweite Quartal.
Das Kundeninteresse sei nach der Wiedereröffnung fast aller Händler weltweit hoch, sagte Vertriebsvorstand Britta Seeger: "Wir erhalten sehr positives Feedback auf die zahlreichen Online-Aktivitäten unserer weltweiten Handelspartner. Das gibt uns Anlass für Optimismus mit Blick auf die Absatzentwicklung im dritten Quartal."
In Deutschland fiel der Absatzrückgang mit 27,9 Prozent auf 106.167 Einheiten zwar stärker aus als im Konzernschnitt, der Europa-Absatz ging mit 31,5 Prozent aber noch stärker zurück. Auf dem wichtigen US-Markt gingen die Verkäufe um 13,7 Prozent auf 127.207 Pkw zurück.
Daimler plant Abbau von Produktionskapazitäten
Daimler-Chef Ola Källenius hat wegen der Corona-Krise erneut einen verschärften Sparkurs angekündigt, bleibt Details aber zunächst schuldig.
Die bisherigen Effizienzziele hätten nur die Transformation hin zu Elektroautos abgedeckt, aber keine weltweite Rezession. "Deswegen schärfen wir unseren Kurs nach", sagte Källenius am Mittwoch auf der virtuellen Hauptversammlung. Der Vorstand habe ein Programm zur Verbesserung der Kostenstruktur im gesamten Unternehmen verabschiedet, erklärte Aufsichtsratschef Manfred Bischoff. Denn weiterhin notwendige Investitionen in Elektroautos oder Digitalisierung könnten sonst nicht mehr erwirtschaftet werden. Finanzchef Harald Wilhelm sagte, man behalte das Ziel im Blick, auch in Zukunft profitabel zu sein - etwa durch deutlich geringere Kosten und einen Abbau von Produktionskapazitäten wie etwa den Verkauf des Smart-Werks im französischen Hambach.
Im November hatte der neue Daimler-Chef Pläne vorgestellt, nach denen von 2020 bis 2022 mehr als 1,5 Milliarden Euro eingespart werden sollten. Die Personalkosten sollten durch den Wegfall von mehr als 10.000 der weltweit 300.000 Stellen um 1,4 Milliarden Euro sinken. Seither hat die COVID-19-Pandemie die Lage in der Branche drastisch verschlechtert, der Plan ist Makulatur. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sagt einen weltweiten Pkw-Absatzrückgang um 17 Prozent auf knapp 66 Millionen Fahrzeuge für 2020 voraus. Durch frische Kreditlinien und das Anhalten der Produktion habe Daimler seine Liquidität in der Krise gesichert, erklärte Wilhelm. "Wir brauchen keine Staatshilfe."
Gespräche von Management und Betriebsräten laufen Källenius zufolge schon. Die Arbeitnehmer halten an dem vor der Krise beschlossenen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2030 fest. Baden-Württembergs IG-Metall-Chef Roman Zitzelsberger, Mitglied im Daimler-Aufsichtsrat, bewertet die Lage nicht so dramatisch wie bei vielen kleinen Autozulieferern: "Daimler ist in der Situation, dass die Bedrohung extrem herausfordernd, aber nicht existenziell ist", sagte er vergangenen Woche.
China-Absatz macht Hoffnung
Aktionäre sehen den Premiumautobauer dagegen in erbärmlichem Zustand: "Daimler ist ein Sanierungsfall und gibt ein schwaches Bild ab, wohin man schaut: Aktienkurs, operatives Geschäft, Elektromobilität, CO2-Emissionen, Effizienz, Marge", erklärte Janne Werning, Vertreter der Fondsgesellschaft Union Investment. Im ersten Halbjahr sei der Absatz der Pkw-Marke Mercedes-Benz um knapp 19 Prozent auf knapp 870.000 Fahrzeuge gesunken, gab Daimler bekannt. Durch den Lockdown blieben Autohäuser zu, die Produktion wurde heruntergefahren.
Einziger Hoffnungsschimmer ist China. Dort erreichte die Marke mit dem Stern im zweiten Quartal mit einem Plus von einem Fünftel gegenüber dem Vorjahreszeitraum ihren zweitbesten Quartalsabsatz. "Wir sind vorsichtig optimistisch, dass andere Märkte an diese Entwicklung Schritt für Schritt anknüpfen können", sagte Källenius. Für das zweite Quartal rechnet Daimler mit deutlichem Umsatzrückgang und operativem Verlust. Für das Gesamtjahr wagte Källenius weiterhin keine präzise Prognose. Absatz, Umsatz und das Ergebnis des Konzerns dürften unter Vorjahr liegen, bekräftigte der Daimler-Chef. "Zur Wahrheit gehört auch: Der Weg zum Vorkrisenniveau ist noch lang."
Diesel-Untersuchung durch Anwälte
Viele der mehr als 400 schriftlich eingereichten Fragen kreisten um die wachsenden Kostenrisiken im Dieselskandal bei Mercedes. 2019 musste der DAX-Konzern rund vier Milliarden Euro für Rückstellungen, Bußgeld und Rückrufkosten aufwenden. Das Nettoergebnis sackte um fast zwei Drittel auf 2,7 Milliarden Euro ab, nachdem der Gewinn schon 2018 um knapp 30 Prozent gesunken war.
Bischoff erklärte, eine unabhängige Anwaltskanzlei untersuche, ob Vorstandsmitglieder für die Manipulation von Diesel-Abgasen verantwortlich seien. Aufsichtsrat und Vorstand wollten alles Erdenkliche tun, um die Sachverhalte aufzuklären und erforderliche Maßnahmen zu ergreifen. Investmentfonds aus Deutschland kritisierten wegen der Altlasten aus der Zeit von Källenius-Vorgänger Dieter Zetsche den Plan, den langjährigen Daimler-Chef 2021 zum Aufsichtsratschef zu machen. Bischoff will daran aber festhalten. Ingo Speich vom Sparkassen-Institut Deka lobte den Realitätsbezug des neuen Managements. Es verdiene einen Vertrauensvorschuss. "Die Aufräumarbeiten der Ära Zetsche haben begonnen." Zeitweise stieg die Daimler-Aktie via XETRA um 1,22 Prozent auf 38,10 Euro, zum Börsenschluss gab sie 1,18 Prozent ab auf 37,19 Euro.
Management entlastet - Höttges im Aufsichtsrat
Die Daimler-Aktionäre haben Vorstand und Aufsichtsrat das Vertrauen ausgesprochen. Wie im Vorjahr wurden beide Gremien mit großer Mehrheit entlastet. Allerdings fiel die Zustimmung für das Kontrollgremium mit einer Entlastung von 88,5 Prozent niedriger aus. Für die Entlastung des Vorstands stimmten knapp 97 Prozent.
Knapp fiel dagegen die Wahl von Timotheus Höttges in den Aufsichtsrat aus. Der Chef der Deutschen Telekom erhielt lediglich eine Zustimmung von rund 53 Prozent der Stimmen. Vor dem virtuell stattfindenen Aktionärstreffen am Mittwoch hatten einige Aktionärsvertreter die Wahl von Höttges kritisiert. "Mit dem Mandat bei Daimler kommt Herr Höttges (...) auf fünf Mandate und wir können seiner Wahl daher nicht zustimmen", hieß es vor der Versammlung etwa von DWS.
FRANKFURT (Dow Jones)/Frankfurt (Reuters)
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