Geldanlage-Report Armin Brack

Chinesische Spionage-Chips bei Apple und Amazon - Droht jetzt ein Crash bei Technologiewerten?

09.10.18 09:34 Uhr

Chinesische Spionage-Chips bei Apple und Amazon - Droht jetzt ein Crash bei Technologiewerten? | finanzen.net

Das US-Wirtschaftsmagazin BusinessWeek (gehört seit 2009 zu Bloomberg) recherchiert wohl schon seit November 2017 an der Story Jetzt ist sie raus: Chinesische Hardware-Hacker sollen in die Server des US-Unternehmens Super Micro (US-Kürzel SMCI) winzige Spionage-Chips eingepflanzt haben.

Damit haben sie laut BusinessWeek systematisch wichtige und vertrauliche Informationen von großen Techunternehmen, aber auch von Banken und sogar dem US-Verteidigungsministerium abgezweigt. Warum die Folgen des Skandals für die Aktienmärkte äußerst negativ sein könnten.

Zunächst ein kurzer Hinweis: Ich dazu auch auf meinem Aktien-Kanal Stellung bezogen. Das Video wird am Sonntag ab 17 Uhr online sein. Hier der direkte Link zum Kanal: https://www.youtube.com/channel/UC9t1EkBVNMxjCvIRo0yOTcQ

Zurück zur Story: Da die Implantate sehr klein waren, sei auch die Menge des darin enthaltenen Codes gering gewesen. Aber die Chips seien in der Lage gewesen, zwei sehr wichtige Dinge zu tun:

1. Das infizierte Gerät anzuweisen, mit einem von mehreren anonymen Rechnern anderswo im Internet zu kommunizieren, um komplexeren Code nachzuladen.

2. Das Betriebssystem des betroffenen Geräts so zu manipulieren, dass es diesen neuen Code akzeptierte.

BusinessWeek schreibt wörtlich: "Die illegalen Chips konnten all dies tun, weil sie mit dem Baseboard Management Controller verbunden waren, einer Art Superchip, mit dem sich Administratoren aus der Ferne bei problematischen Servern anmelden und ihnen Zugriff auf den sensibelsten Code geben, selbst auf Maschinen, die abgestürzt sind oder ausgeschaltet sind."

Rund 30 US-Unternehmen seien potenziell betroffen gewesen, u.a. Cloud-Dienstleister wie Apple und Amazon aber auch Banken und sogar das US-Verteidigungsministerium.

einer Pressemitteilung: "Apple hat nie bösartige Chips, manipulierte Hardware oder absichtlich platzierte Schwachstellen in Servern gefunden." Man habe auch das FBI nicht über verdächtige Chips informiert und unterliege keiner Geheimhaltungsverpflichtung der US-Regierung. Nur einmal sei auf einem Super Micro-Server ein infizierter Treiber gefunden worden. Dieser sei nur in Apple-Laboren eingesetzt worden. Auch habe man keine zielgerichtete Attacke gegen Apple feststellen können.

Amazon äußerte sich ähnlich. Laut BusinessWeek hat Amazon die verdächtige Technik 2015 bei der Übernahme der Firma Elemental Technologies entdeckt.

Super Micro selbst, die im Zentrum des Skandals stehen, sagten überraschenderweise auch, es seien dem Unternehmen keine Ermittlungen zu den genannten Vorwürfen bekannt und man sei auch von keiner Regierungsbehörde kontaktiert worden.

Warum der Skandal jetzt ans Licht kommt

Wenn es tatsächlich bereits seit drei Jahren umfangreiche geheime Ermittlungen der US-Behörden gibt, wie BusinessWeek schreibt, erscheint es seltsam, dass die Enthüllungen ausgerechnet jetzt an die Öffentlichkeit kommen. Der eigentliche Grund könnte folgender sein: Am 6. November finden in den USA die Wahlen statt.

Sie werden so bezeichnet, weil sie in der Mitte der Amtszeit des US-Präsidenten abgehalten werden. Ein Drittel der Senatoren und das gesamte Repräsentantenhaus wird dann neu bestimmt. Zusätzlich wird ein Teil der Gouverneure gewählt. Auch die Parlamente der meisten Bundesstaaten werden gewählt. Die Wahlen sind also von großer Bedeutung.

Donald Trump hat das politische Ziel, US-Unternehmen wie Apple zu mehr High-Tech-Produktion im Heimatland zu bringen. Sprich: Die US-Regierung hat ein Interesse daran und würde davon profitieren, wenn die chinesische Lieferkette in Verruf gerät und Apple und Co. die Produktion ihrer Hardware von Foxconn und Co. abziehen würden.

Dass das passiert ist aber unwahrscheinlich. Nicht nur würden dann die iPhones deutlich teurer werden. Die USA hat wohl auch gar nicht genug Berufstätige, um das zu stemmen. Die Arbeitslosenquote liegt ja nur noch bei 3,5 Prozent. Es gibt mehr offene Stellen als Arbeitslose.

Worum es geht ist wohl eher eine Art politischer Wahlkampf: Das alles passt perfekt in die "America First"-Doktrin vom Trump und würde ihm den benötigten Rückenwind vor den Midterm Elections geben.

Trump könnte die Vorwürfe auch als Begründung heranziehen, um weitere Zölle auf importierte IT-Hardware aus China zu erheben.

Heikles Spiel

Das ist aber ein heikles Spiel: Erstens würde er damit auch US-Techkonzernen schaden, die ja häufig in China produzieren lassen und die Produkte dann quasi re-importieren.

Andererseits könnte China selber in Reaktion auf die Vorwürfe z.B. zum Boykott gegen US-Produkte aufrufen. Bereits in der Vergangenheit folgten ja auf neue Einfuhrzölle stets umgehend Vergeltungsmaßnahmen aus dem Reich der Mitte.

Verlierer könnten letztlich die Aktien-Investoren sein. Das Ganze könnte dem ohnehin rückschlagsgefährdeten Technologie-Sektor massiv schaden. China-Internet- und Technologieaktien sind aus Angst vor einer allgemeinen Wachstumsabschwächung in China zuletzt bereits massiv zurückgekommen. Nach Tencent und Alibaba ging am Freitag der PC-Hersteller Lenovo auf Tauchstation. Er erzielt rund 25 Prozent seiner Umsätze in den USA. Anleger befürchten, dass US-Konsumenten chinesische Anbieter meiden könnten. Lenovo hat in Hongkong im Handelsverlauf in der Spitze über 20 Prozent verloren.

Zugleich wurde bei der zuletzt stark gestiegenen Aktie Kritik an den Bilanzierungspraktiken laut: https://seekingalpha.com/article/4209232-sell-lenovo-leveraged-tariff-target Die Verschuldung sei bei Lenovo viel höher als offiziell aus den Bilanzen ersichtlich ist. Vergleiche mit den Japanern Toshiba werden gezogen, die 2015 wegen unsauberer Bilanzierung bei Infrastrukturprojekten in Verruf geraten waren: https://www.nwb-experten-blog.de/toshiba-anstiftung-zur-bilanzfaelschung-wer-traegt-die-schuld/ Sollte nun auch noch operativer Gegenwind durch die Zölle kommen bzw. eine Zurückhaltung der US-Konsumenten gegenüber chinesischen Produkten, drohten massive Verluste bei Lenovo.

Die gab es in den USA bereits bei Super Micro (US-Kürzel SMCI). Die Aktien des Serverspezialisten, der im Zentrum der Spionagevorwürfe steht, sackten am Donnerstag gar um über 40 Prozent ab. In den USA hat die NASDAQ fast zwei Prozent verloren. Auch der deutsche TecDAX geht auf Tauchstation.

Überhitzt die US-Wirtschaft?

Ich bin in Moment bei Technologieaktien sehr vorsichtig. Es gibt nämlich noch ein weiteres Problem: Die Rendite für zehnjährige US-Staatanleihen ist inzwischen mit 3,31 Prozent auf den höchsten Stand seit 2014 gestiegen. Das wiederum hängt damit zusammen, dass der so genannte ADP-Report, der den US-Arbeitsmarkt untersucht, fast schon beängstigend gut ausgefallen ist. US-Firmen haben im September so viele zusätzliche Mitarbeiter eingestellt wie in den sieben Monaten zuvor nicht mehr. Der Einkaufsmanager-Index fiel ebenfalls geradezu überschäumend aus. Der Index für die Geschäftsaktivität kletterte auf 65,2. Das ist ein massiver Anstieg gegenüber den 60,7 im Vormonat und der höchste Wert seit Januar 2004 (!). Die Arbeitslosenrate in den USA ist umgekehrt auf den tiefsten Stand seit 1969 gefallen!

Die Spitzenökonomen der großen Banken wie Nomura oder JP Morgan befürchten nun ein Überhitzen der Konjunktur mit den resultierenden negativen Folgen wie einem schnellen Anspringen der Inflation und einer folgenden Aufwärtsspirale beim Leitzins. Das wiederum würde die Refinanzierung der teilweise hoch verschuldeten US-Unternehmen schwieriger und teurer machen.

MEIN FAZIT: Die Enthüllung der dreisten Ausspähungen von US-Großkonzernen und Politik durch chinesische Hacker ist für sich genommen zwar aufsehenerregend und bedenklich, würde aber noch keine echte Gefahr für die Märkte bringen. In Kombination mit dem US-Midterm-Wahlkampf, den sich ohnehin zuspitzenden Zollstreitigkeiten zwischen den USA und China und der zu überhitzen drohenden US-Wirtschaft ergibt sich aber eine gefährliche Konstellation. Die Zinsen für 10jährige Staatsanleihen sind auf den höchsten Stand seit 2014 gestiegen. Es riecht nach Korrektur am Aktienmarkt.

Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert. Es kann daher kein Interessenskonflikt vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.

Hot Stocks: Tesla, RWE und Evotec

Die Achterbahnfahrt bei Tesla (WKN A1CX3T) hält an: Statt nach der Einigung mit der US-Wertpapieraufsichtsbehörde SEC (Securities & Exchange Commission) einfach die Klappe zu halten, tritt Elon Musk nun einem Tweet nach: Er verunglimpft das Überwachungsorgan in Anspielung auf die Kürzel SEC als Shortseller Enrichment Commission. Damit will er darauf anspielen, dass die SEC durch das Verfahren, das sie gegen Tesla eingeleitet habe, den Leerverkäufern in die Hände gespielt habe. Damit nutzt er ausgerechnet das Medium, das ihm fast den Job als CEO bei Tesla gekostet hätte, um Vorwürfe gegen ein staatliches Organ zu erheben. Unterdessen hatte das Fox Business Network berichtet, dass die SEC ohnehin weiter in dem Fall ermittle, auch weil der zuständige Richter um eine Erklärung für den Einigungs-Deal gebeten hatte. Die Aktie kommt unterdessen im Zuge der schwachen NASDAQ wieder überproportional unter Druck. Unterdessen hat die Zeitschrift Consumer Reports einen Test über autonome Fahrsysteme veröffentlicht, in dem das Super Cruise System von Cadillac (die zu General Motors gehören) besser abgeschnitten hat als Teslas Autopilot.

Meine Meinung: Elon Musk spielt wieder mal mit dem Feuer. Fast bekommt man den Eindruck, er wolle seinen Rausschmiss geradezu provozieren. Dienlich ist das für den Erfolg von Tesla und seinen Aktionären auf keinen Fall. Teilweise erinnert das Gebaren etwas an deutsche Politiker, die ebenfalls weit entfernt von Sachthemen agieren und sich gegenseitig Vorwürfe machen. Meidet die Aktie weiter!

Ganz andere Sorgen hat dagegen RWE (WKN 703712). Das Verwaltungsgericht Aachen kippte das von der Polizei erlassene Verbot der Großdemonstration von Braunkohlegegnern gegen die Rodung im Hambacher Forst. RWE darf demnach nicht mit den Arbeiten beginnen, bis über eine Klage des Umweltverbands BUND entschieden ist. Das dürfte nicht vor Ende 2020 der Fall sein. RWE will roden, um den nahegelegenen Tagebau Hambach zu vergrößern. RWE rechnet durch die Verzögerungen ab 2019 jährlich mit einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag als Belastung auf EBITDA-Basis (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen). Der Börsenwert sank auf einen Schlag um über 500 Millionen Euro.

Meine Meinung: Diese Entscheidung könnte Signalwirkung haben. Zur Erinnerung: Der Entscheidung zur Rodung lag eine nach zähem Ringen getroffene Entscheidung der rotgrünen NRW-Landesregierung aus dem Jahr 2016 zugrunde. Die NRW-Kommunen sind Großaktionär bei RWE. Der Verlust der Rechtssicherheit könnte letztendlich dazu führen, dass RWE seine Braunkohle-Investitionen in Deutschland komplett stoppt. Diese Gemengelage lädt definitiv nicht zum Kauf der Aktie ein.

Ebenfalls nichts für schwache Nerven ist der Kursverlauf von Evotec (WKN 566480). Das Unternehmen meldet Entwicklungskooperationen am Fließband. Zuletzt wurde am Donnerstag mit Sanofi eine Vereinbarung zur Entwicklung neuartiger Wirkstoffkandidaten unterzeichnet. Die Aktie kam trotzdem zuletzt heftig unter Druck und fiel von 23 Euro (Ende August) auf aktuell rund 17,50 Euro.

Die Analysten tun sich schwer, die exzessive Kurssteigerung seit Anfang 2016 zu rechtfertigen. Selbst unter Berücksichtigung von möglichen Lizenzgebühren für vorklinische Phase 1 und 2-Programme und Meilensteinzahlungen aus der Kooperation mit Celgene, kommt die Berenberg-Bank nur auf ein Kursziel von 20 Euro.

Meine Meinung: Mit einem 2019er-KGV von 57 und einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 6,5 ist das Papier sehr ambitioniert bewertet. Aus meiner Sicht ist hier bereits zuviel Zukunftsfantasie im Kurs eingepreist.

Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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