Börse Moskau setzte Handel tagelang aus - auch in Deutschland oder den USA möglich?
Im Zuge des Ukraine-Kriegs wurde der Börsenhandel in Russland über mehrere Tage ausgesetzt. Hintergrund waren die extrem starken Kursschwankungen der Aktienmärkte, die als Reaktion auf die russische Invasion in die Ukraine stellenweise 50 Prozent einbrachen. Doch wie sieht die rechtliche Grundlage bei einem solch drastischen Schritt aus und wäre so etwas auch in Deutschland oder den USA denkbar?
• Russische Börsen blieben tagelang geschlossen
• In der Vergangenheit schon häufig Börsenschließungen aufgrund von Kriegen oder Wirtschaftskrisen
• Schließung dient dem Anlegerschutz
Der Beginn des Ukraine-Kriegs hat auch an den Aktienmärkten für große Turbulenzen gesorgt. Am deutlichsten bekamen das die russischen Börsen zu spüren: So ging es für den russischen Leitindex RTS im Tief am Tag der Invasion ganze 50 Prozent abwärts auf 610,33 Punkte. Das russische Börsenbarometer MOEX tauchte daneben zeitweise 45 Prozent ab auf 1.681,55 Zähler. Nur einen Tag später ging es aufgrund von Hoffnungen auf Friedensverhandlungen bis Handelsschluss für den RTS 26 Prozent aufwärts. Der MOEX verbuchte immerhin ein sattes Plus von 20 Prozent.
Angesichts dieser drastischen Kursschwankungen entschied die Zentralbank Russlands, die Börsen bis einschließlich des 11. März zu schließen. Laut Bloomberg verzeichnete das russische Börsenparkett damit die längste Schließungsperiode in der Geschichte Russlands. Die russischen Währungshüter wählten diesen drastischen Schritt, um die negativen Auswirkungen der westlichen Sanktionen gegen Russland abzufedern und eine weitere Panik an den Märkten zu verhindern. So kommentiert der Leiter des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht an der Universität zu Köln, Ulrich Ehricke, gegenüber der WirtschaftsWoche: "Die Börse wird in ein künstliches Koma versetzt, um die Situation zu beruhigen".
Zeit verschaffen, um Informationssicherung zu gewähren
Im Prinzip soll das Schließen der Börsen also vor allem eins gewähren: Zeit. In Kriegszeiten kommt es häufig zu sehr diffusen Informationslagen, wie es auch aktuell im Ukraine-Krieg zu beobachten ist. Um den Anlegern also die Möglichkeit zu geben, sich mehr Informationen zu beschaffen, damit eine informierte Anlageentscheidung überhaupt möglich ist, wird der Börsenhandel unterbrochen.
In kleinerem Stil kommt das an der Börse recht regelmäßig vor. So werden häufig die Aktien eines Unternehmens vom Handel ausgesetzt, wenn dieses eine Pflichtmitteilung zu einem Thema tätigen muss, welches zu großen Kursschwankungen führen könnte, wie beispielsweise einer Insolvenz oder einer Übernahme. Dies dient dem Anlegerschutz. Genauso kann der Handel einzelner Wertpapiere aufgrund von extremer Volatilität unterbrochen werden, damit ein neuer Preis ermittelt werden kann. Diese Entscheidungen trifft der Börsenbetreiber.
Bundesregierung entscheidet über Aussetzen des Börsenhandels
Anders ist es jedoch, wenn über den Börsenhandel als solches entschieden wird. Hier muss die Regierung tätig werden. Zwar liegt es theoretisch auch in der Kompetenz der Börsengeschäftsleitung, eine Schließung des Handels zu veranlassen, "wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel zeitweilig gefährdet oder wenn dies zum Schutz des Publikums geboten erscheint" und "wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel nicht mehr gewährleistet erscheint", wie es Paragraph 25 des Börsengesetzes vorschreibt, wie Ehricke jedoch argumentiert, müsse die Einstellung des Handel dann für jedes einzelne Papier begründet werden, was es seiner Meinung nach extrem unwahrscheinlich mache, dass auf dieser Grundlage der Börsenhandel eingestellt werde. Die Bundesregierung kann sich hingegen auf das Gesetz über das Kreditwesen § 46g Moratorium, Einstellung des Bank- und Börsenverkehrs berufen, dies muss jedoch in Abstimmung mit der Deutschen Bundesbank geschehen.
Unterbrechung des Handels zu Kriegs- und Krisenzeiten
Das letzte Mal, dass der deutsche Aktienhandel unterbrochen wurde, war am 11. September 2001 im Zuge des Anschlags auf das World Trade Center in New York. Allerdings kam es hier lediglich dazu, dass der Handel früher beendet wurde. Schon am nächsten Tag wurde wieder gehandelt. In den USA führte der Terroranschlag ebenfalls zur Aussetzung des Börsenhandels, hier wurde auch noch einen Tag später nicht gehandelt.
In der Vergangenheit gab es jedoch schon häufig Börsenschließungen, die sich auch über Jahre erstreckten. Meist waren Kriege die Ursache: So wurde vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs die deutsche Börse ganze vier Jahre geschlossen. Auch während des Zweiten Weltkriegs kam der Börsenhandel in Deutschland zum Erliegen. Neben Kriegen haben in der Vergangenheit auch schon große Wirtschaftskrisen zur Unterbrechung des Börsengeschehens geführt. In den USA ist hier die Zeit der "Great Depression" zu nennen, als Präsident Franklin D. Roosevelt 1933 für eine ganze Woche sogenannte "Bankenferien" ausrief, um die Auswirkungen der Finanzkrise abzufedern. Ein weiteres jüngeres Beispiel ist die Griechenland-Krise von 2015, als die Börse in Athen in eine fünfwöchige Pause geschickt wurde, während die griechische Regierung mit der EU ein weiteres Rettungspaket aushandelte.
Deutsche Börse schließt russische Aktien vom Handel aus
Obwohl es mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs auch am deutschen Aktienmarkt zu großen Verwerfungen kam und immer noch kommt, wurde bisher nicht beschlossen, den Börsenhandel als solches zu unterbrechen. Allerdings entschied die Deutsche Börse Anfang März "zum Schutz des Publikums" bis auf weiteres keine Anleihen, Aktien und Derivate aus Russland mehr zu handeln. Wie der Jurist Ulrich Ehricke gegenüber der WirtschaftsWoche verlautet, sei es jedoch denkbar, dass russische Unternehmen dagegen klagen könnten. So könne argumentiert werden, dass die Entscheidung der Deutschen Börsen den Ermessenspielraum, den § 25 BörsG zulässt, übersteige und womöglich nicht nur dem Anlegerschutz diene, sondern auch politisch motiviert sei, schließlich würde die Entscheidung "in starkem Maße die Wirtschaft in Russland und damit im Ergebnis auch den russischen Staat treffen". Dies müssten letztlich jedoch Gerichte entscheiden, bis dahin dürften russische Wertpapiere jedoch weiterhin vom Handel ausgeschlossen bleiben.
Redaktion finanzen.net
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