Zollstreit: Freier Handel in Gefahr
Die USA erheben Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte. Jetzt schlagen die betroffenen Staaten zurückgeschlagen. Welche Belastungen dadurch zu erwarten sind - und wie der Konflikt weitergehen kann.
von Christoph Platt, Euro am Sonntag
Der Ton wird schärfer. Es seien nur noch wenige Tage bis zum Ausbruch eines Handelskriegs, warnt Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire. Der Entschluss Trumps, Strafzölle zu erheben, sei falsch und illegal, sagt der britische Handelsminister Liam Fox. Die USA seien beim Handel jahrelang von anderen Ländern über den Tisch gezogen worden, entgegnet der US-Präsident. Und kurz vor Beginn des G7-Gipfels rief der französische Präsident Emmanuel Macron mit scharfen Worten dazu auf, sich der Vormachtpolitik der USA zu widersetzen.
Die Erhebung neuer Zölle durch Trump wühlt die Weltwirtschaft auf. Zehn Prozent auf Aluminium- und 25 Prozent auf Stahlprodukte werden seit März für Unternehmen fällig, die in die USA importieren. Für Firmen aus Kanada, Mexiko und der EU wurde die Regelung zunächst ausgesetzt, doch seit dem 1. Juni müssen auch sie zahlen.
Die Handelspartner aus aller Welt hatten es zunächst mit Worten versucht, Trump von seinem protektionistischen Vorhaben abzubringen - ohne Erfolg. Nun sollen Taten folgen. Die EU plant ab Juli neue Zölle auf amerikanische Importgüter. Whiskey, Erdnussbutter, Motorräder und Jeans sollen dann mit Sonderzöllen belegt werden. Kanada will Agrargüter, Lebensmittel sowie ebenfalls Stahl und Aluminium stärker belasten, Mexiko Agrar- und Metallprodukte. Und China schwankt zwischen der Drohung, die Handelsgespräche abzubrechen, und dem Versuch, mit beruhigenden Worten die Wogen zu glätten.
Und Trump? Der sieht in den Belastungen für Stahl- und Aluminiumimporte nur einen ersten Schritt. Zölle auf Autos brachte der US-Präsident als nächste Idee aufs Tapet.
Vor den direkten Auswirkungen der Stahl- und Aluminiumzölle müssen sich die Europäische Union und Deutschland kaum fürchten. Ökonomen rechnen mit Einbußen für die EU von maximal 0,04 Prozent der Wirtschaftsleistung. Sollte Trump seine Drohung wahrmachen und Autos belasten, sähe die Sache anders aus. "Für die deutsche Wirtschaft wäre dann mit Einbußen von knapp 0,2 Prozentpunkten zu rechnen", sagt Holger Schmieding. Vernachlässigbar wäre das nicht mehr, doch man könne damit leben, meint der Chefvolkswirt der Berenberg Bank.
Viel schlimmer seien die indirekten Folgen des Handelsstreits. "Die Wirkung auf die Stimmung in der Wirtschaft ist deutlich größer als die Kosten", sagt er. Das gestörte Verhältnis zu den USA sorgt für Unsicherheit, das Vertrauen sinkt, Stimmungsindikatoren geben nach, die Wirtschaft hält sich zurück. "Im zweiten und dritten Quartal 2018 rechnen wir deshalb mit einem Wachstum in Deutschland von 1,5 Prozent. Damit bleibt die Wirtschaft unter ihren Möglichkeiten."
Auch die USA werden an Wirtschaftskraft einbüßen, vor allem durch teurere Aluminium- und Stahlprodukte, weniger durch Vergeltungszölle. "Die direkten Kosten für die USA durch die Stahl- und Aluminiumzölle betragen vermutlich 0,1 Prozent der US-Wirtschaftsleistung über höhere Preise für Verbraucher und höhere Kosten für Unternehmen, die Stahl und Aluminium verwenden", schätzt Schmieding. Anders als in Europa dürfte der Handelsstreit in den USA das Vertrauen der Wirtschaft aber nicht belasten. "Dort stützen das Fiskalpaket und Trumps Deregulierungspolitik das Geschäftsklima."
Für die Weltwirtschaft bergen die Differenzen jedoch große Gefahren. Eine Eskalation der Spannungen würde Folgen für den Welthandel haben, die den Auswirkungen der Finanzkrise 2008 entsprechen, warnt die Weltbank. Werde es in der Breite zu einer Erhöhung von Zöllen kommen, könnte der weltweite Handel um bis zu neun Prozent zurückgehen, heißt es in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Vor allem Schwellenländer dürften unter einer nachlassenden Dynamik leiden.
Wie es weitergeht im Handelsstreit, ist offen. Dass es schnell zu einer Einigung und einem offeneren Austausch kommt, ist unwahrscheinlich. Dafür scheint Trump zu sehr in seine Idee verbohrt zu sein, die USA müssten sich gegen andere Wirtschaftsmächte schützen. Zudem ist im November Wahlkampf für die US-Zwischenwahlen, in dem Trump Stärke demonstrieren will.
Wahrscheinlicher ist, dass sich die Parteien mit Nadelstichen das Leben schwermachen. "Wir sind auf dem Weg der Eskalation", sagt Karsten Junius, Chefvolkswirt der Bank J. Safra Sarasin. "Alle Seiten werden mit neuen Maßnahmen weitermachen, vor allem Trump."
Auch wenn zunächst keine Entspannung in Sicht ist, besteht zumindest Hoffnung, dass die Wirtschaft mittelfristig weniger leidet als befürchtet. Denn es ist gut möglich, dass der schwelende Handelsstreit mit zunehmender Dauer an Bedrohlichkeit verliert. "Vermutlich wird ein Gewöhnungseffekt eintreten, sodass die gedrückte Stimmung nicht bestehen bleibt", meint Berenberg-Ökonom Schmieding.
Die deutschen Unternehmen jedenfalls betrachten die Streitigkeiten mit den USA eher gelassen. Welcher Konzern sich wie stark sorgt, hat die Redaktion von Euro am Sonntag nachfolgend eingehend untersucht.
Investor-Info
Handelsbilanzsaldo USA
Hintergrund des Streits
Seit vielen Jahren importieren die USA mehr Waren, als sie exportieren. Daraus ergibt sich ein kontinuierliches Defizit in der Handelsbilanz. Trump hält das für unfair und will Güter aus dem Ausland stärker belasten. Dadurch soll die heimische Wirtschaft noch stärker in Schwung kommen.
Zölle auf Stahl und Aluminium
Die Leidtragenden
Die Nachbarn der USA werden am stärksten unter den neuen Zöllen auf Stahl und Aluminium leiden. Für Kanadas Wirtschaft sind Einbußen von knapp 2,9 Milliarden Euro zu erwarten (entspricht 0,21 Prozent des BIP).
Land Einbußen in Mio. € % des BIP
Kanada -2.881 -0,21
Mexiko -991 -0,10
Russland -414 -0,04
Brasilien -268 -0,02
China -237 0,00
Türkei -215 -0,03
BIP = Bruttoinlandsprodukt; Quelle: ifo-Institut
Zölle auf Autos
Verluste für Deutschland
Von einem US-Importzoll auf Autos wäre die deutsche Wirtschaft absolut gesehen am härtesten betroffen. Sie müsste Einbußen von fünf Milliarden Euro hinnehmen. Relativ zum BIP würde Mexiko am stärksten leiden.
Land Einbußen in Mio. € % des BIP
Deutschland -5043 -0,16
Japan -4.256 -0,10
Mexiko -3.685 -0,39
Kanada -3.230 -0,23
Südkorea -2.262 -0,18
China -1.679 -0,02
BIP = Bruttoinlandsprodukt; Quelle: ifo-Institut
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