Euro am Sonntag-Titel

Die besten Chancen 2012: Was die Profis empfehlen

12.01.12 06:00 Uhr

Was vier Experten den Lesern von €uro am Sonntag auf ihre Fragen zu Aktien, Anleihen, Fonds oder Steuern bei der großen Telefonaktion empfohlen haben.

Werte in diesem Artikel
Rohstoffe

2.632,09 USD 6,44 USD 0,25%

Devisen

1,0518 USD 0,0022 USD 0,21%

Indizes

19.311,9 PKT -93,3 PKT -0,48%

44.736,6 PKT 440,1 PKT 0,99%

4.772,6 PKT -27,3 PKT -0,57%

26.304,3 PKT -165,2 PKT -0,62%

20.804,9 PKT 28,7 PKT 0,14%

19.054,8 PKT 51,2 PKT 0,27%

5.987,4 PKT 18,0 PKT 0,30%

13.367,9 PKT -142,5 PKT -1,05%

4.295,7 PKT -13,3 PKT -0,31%

3.406,9 PKT 1,7 PKT 0,05%

Werden wir am Jahresende noch in Euro bezahlen? Welche Anlageformen bleiben stabil, falls die Währung kollabiert? Brisante Fragen, die Leser im Rahmen unserer großen Telefonaktion an die Experten Gerd Häcker, Max Otte, Christoph Schlienkamp und Stefan Thiem stellten.

Eurokrise

Werden wir 2012 die D-Mark wieder ­bekommen? Wie muss ich mich positionieren, falls das geschieht?
Schlienkamp: Ich glaube nicht an dieses Szenario. Aber wenn die D-Mark kommt, dann wird sie womöglich um 50 Prozent gegenüber den europäi­schen Währungen aufwerten. Dann sollte man keine Exportwerte im Depot haben. Im Szenario, das ich für am wahrscheinlichsten halte — der Euro bleibt und die Konjunkturflaute ist moderat — werden Exportwerte im zweiten Halbjahr interessant.

Ich habe Angst, dass der Euro zerbricht. Macht es Sinn, auf mehrere Währungen zu setzen?
Häcker: Es ist vernünftig, sich interna­tional aufzustellen. Zu einem gewissen Grad gehören Fremdwährungen ins Portfolio. Ich rate zu einem Mix aus Qualitätswährungen. Dazu zählen Rohstoffvaluten wie der Kanadische Dollar oder die Norwegische Krone, aber auch Schweizer Franken, Schwedische Krone oder Singapur-Dollar.
Die Weltleitwährung US-Dollar darf ebenfalls nicht fehlen. Zu bedenken ist, dass diese Devisen zum Euro schon kräftig gestiegen sind. Daher ist es sinnvoll, bei einer Korrektur zu inves­tieren. Bei der Norwegischen Krone zum Beispiel, wenn der Ölpreis zurückgeht.

Ich führe in Deutschland Fremdwährungskonten in Australischen Dollar, Norwegischen Kronen und Schweizer Franken. Sind sie im Fall einer Sonderabgabe oder eines Währungsschnitts vor dem Zugriff des Staates sicher?
Otte: Nein. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie der Staat seine Bürger im Fall der Fälle zur Kasse bitten kann: Erstens eine Sondersteuer auf Vermögen, die übrigens keines Währungsschnitts bedarf, an den ich auch nicht glaube, weil das vor den Wählern schlecht aussähe. Die zweite und wahrscheinlichere Möglichkeit, die Schulden loszuwerden, heißt Inflation. Insofern sind Sie mit einer Streuung Ihrer Anlagen in verschiedenen Währungen auf dem richtigen Dampfer. Wenn Sie wirklich Angst vor einem Währungsschnitt haben, macht es Sinn, das Geld dort anzulegen, wo es hingehört, beispielsweise also in Zürich oder Oslo. Das lohnt sich wegen teils hoher Bankgebühren aber nur bei größeren Summen.

Ich habe Angst, dass sich die Eurokrise 2012 noch verschärft. Was kommt als Aktionär im neuen Jahr auf mich zu?
Schlienkamp: Ich rechne nicht mit einem Scheitern des Euro. Und ich gehe zum jetzigen Zeitpunkt nicht von einer tiefen ­Rezession, sondern lediglich von einer konjunkturellen Abschwächung aus. Im Jahresverlauf dürften zunächst schlechte Unternehmensnachrichten überwiegen. Ich bin aber von einer Renaissance der Aktie in der zweiten Jahreshälfte überzeugt. 2012 müssen Anleger deshalb flexibel agieren: zunächst vorsichtig, dann offensiv.

Sind wenigstens deutsche Staatsanleihen immer noch ein sicherer Hafen?
Häcker: Die Realzinsen sind negativ. Eigentlich ist es unsinnig, deutsche Staatsanleihen zu erwerben. Doch die Zeiten haben sich geändert. Bei allen Krisen nach dem Zweiten Weltkrieg hatten diese Papiere eine Schutzfunktion. Eine kleine Beimischung ist sicher kein Fehler. Allerdings sollten sie eine Korrektur abwarten und nur auf kurze Fälligkeiten setzen.

Gold

Schützen Immobilien und Gold vor ­einem Zusammenbruch der Eurozone?
Häcker: Wie der Name schon sagt, Immobilien sind immobil. Die können nicht ­davonlaufen. Das weiß auch der Staat. In ­Extremszenarien besteht das Risiko, dass Eigentümer von Häusern und Wohnungen hoch besteuert werden. In Spanien, Italien und Griechenland ist das bereits der Fall. Auch in schweren Krisen in der Vergangenheit kam das oft vor. Ähnlich ist das bei Gold. In den 30er-Jahren wurde es in den USA sogar konfisziert. Bei Gold wird zudem gegenwärtig die Schmerzgrenze der Anleger getestet. Dauert die momentane Korrektur länger an, wird sich zeigen, ob die Leute, die im Sommer zu hohen Preisen gekauft haben, die Nerven behalten. Der langfristige Aufwärtstrend ist noch nicht gebrochen. Sollte Gold jedoch unter 1200 US-Dollar je Feinunze fallen, hat sich grundlegend etwas verändert.

Macht es jetzt Sinn,Gold nachzukaufen?
Otte: Ich würde noch etwas abwarten. Wenn der Preis um weitere 15 bis 20 Prozent nachgibt, würde ich aufstocken, ansonsten bestehende Positionen einfach weiterlaufen lassen. Auch wenn ich überzeugt bin, dass wir früher oder später ­Notierungen über 2000 Dollar pro Unze sehen werden, ist Gold für mich ein Wertaufbewahrungsmittel, um für den Fall der Fälle gewappnet zu sein. Für die Rendite bevorzuge ich qualitativ hochwertige Aktien.

Ich habe meinen Gold­anteil im Depot im Dezember 2010 auf rund 25 Prozent erhöht. Soll ich jetzt wieder reduzieren?
Schlienkamp: Gewöhnlich sollte der ­Anteil im Depot bei fünf bis zehn Prozent liegen. In unsicheren Zeiten wie diesen ist aber auch ein höherer Anteil sinnvoll. Wenn sich die Märkte normalisieren, sollten Sie sich klassisches Sachanlagevermögen in Form von Aktien kaufen.

Ich habe kürzlich Kinross Gold gekauft und liege mit der Position im Minus. Wenn ich da noch mal ohne Verlust rauskomme, werde ich verkaufen. Soll ich in Barrick Gold oder in Newmont ­Mining umschichten, die sich vergleichsweise besser gehalten haben?
Otte: Ein bisschen Geduld müssen sie schon mitbringen. Börsenerfolg stellt sich nicht von heute auf morgen ein. Außerdem haben sie die Aktie bestimmt nicht gekauft, um sie null auf null wieder zu verkaufen, sondern Sie wollten sicher etwas damit verdienen. Ich finde alle drei genannten Goldminenaktien gleicher­maßen interessant.

Ich habe Xetra-Gold in meinem Depot und musste nun Abgeltungsteuer zahlen. Das sehe ich aber nicht ein. Schließlich hat man mir, als ich das Produkt gekauft habe, erklärt, dass ich damit das Recht ­erwerbe, physisches Gold ausgeliefert zu bekommen. Was kann ich tun?
Thiem: Der Fiskus unterwirft die Gewinne tatsächlich der Abgeltungsteuer. Es gibt ein Musterverfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH, Az. IX R 62/10). Sie müssen also Gewinne aus Xetra-Gold in der Steuererklärung angeben. Legen Sie dabei ­ruhig offen, dass Sie die Gewinne als steuerfrei betrachten. Dann legen Sie Einspruch gegen den Steuerbescheid ein, verweisen auf das BFH-Verfahren und beantragen das Ruhen Ihres Verfahrens. Dann profitieren Sie, falls die BFH-Richter anlegerfreundlich urteilen.

Anlagestrategie

Zu welcher Depotstreuung raten Sie in diesen unsicheren Zeiten?
Häcker: Die Sicherheit der Vergangenheit ist nicht mehr die Sicherheit der Zukunft. Anleger müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie künftig höhere Schwankungen auszuhalten haben. Neben verschiedenen Währungen gehören Aktien, Unternehmensbonds, etwas Gold, ausgewählte Immobilienfonds, Bundesanleihen und Cash ins Portfolio. Wir bei Huber, Reuss & Kollegen teilen das Kapital derzeit folgendermaßen auf: 20 Prozent Aktien, 18 Prozent Währungen, 15 Prozent Unternehmensbonds, sieben Prozent Immobilien, 13 Prozent Bundesschätze, zwölf Prozent Cash, fünf Prozent Gold. Zudem sind wir mit zehn Prozent in Trendfolgerfonds investiert.

Sollten sicherheitsorientierte Anleger nicht ganz auf Aktien verzichten?
Häcker: Wer keine Aktien hat, ist auch ein Spekulant. Denn er setzt auf die langfristige Aufrechterhaltung des bestehenden Geldsystems. Der Staat hat, historisch betrachtet, ein hohes Interesse daran, dass es Unternehmen gut geht. Dann sprudeln die Steuereinnahmen, und es werden Arbeitsplätze geschaffen. Daher wird die Regierung alles tun, damit die Firmen auch künftig überlebensfähig sind. Die Beispiele Argentinien, Brasilien und Türkei zeigten, wie Anleger bei Staatspleiten und Inflation ihre Kaufkraft mit Aktien erhalten konnten.

Soll ich jetzt wieder Aktien kaufen?
Häcker: Es besteht keine Eile. Ich rechne damit, dass der Boden an den Börsen erst in der zweiten Jahreshälfte 2012 erreicht wird.

Soll ich jetzt in Aktien mit hoher ­Dividendenrendite investieren — oder rechnen Sie damit, dass die Ausschüttungen sinken?
Schlienkamp: Generell müssen Anleger damit rechnen, dass die Dividenden für 2012 niedriger ausfallen können, weil sich die Gewinnsituation eintrübt. Eine hohe Dividendenrendite ist im gegenwärtigen Umfeld jedoch ein wichtiges Argument — falls die Ausschüttung nachhaltig ­erwirtschaftet wird. Ein Gegenbeispiel: Bei der Deutschen Telekom ist die Dividende tendenziell zu hoch. Der Konzern bietet darüber hinaus kaum Aspekte, die für Anleger attraktiv sind. Unternehmen mit guten Wachstumsaussichten, bei denen sich Investitionen in den Geschäftsausbau lohnen, weisen in der Regel Dividendenrenditen von nicht mehr als fünf, sechs Prozent auf. Internationale Konzerne mit breitem Portfolio wie Nestlé oder auch Unilever sind aus diesem Grund interessant und im Übrigen nicht zu teuer.
Häcker: Eine Dividendenstrategie ist kein Allheilmittel. Als wertorientierte Strategie macht sie Sinn. Nur, in der Vergangenheit zeigte sich, dass mit dieser Vorgehensweise jahrelang oft dann schlechte Ergebnis­se erzielt wurden, wenn sie in Mode war. Das ist derzeit wieder der Fall. Eine hohe Dividende an sich ist kein Qualitätskriterium für Aktien­invest­ments. Häufig ist es besser, Unterneh­menswerte zu kaufen, die nur einen Teil des Gewinns ausschütten, den Rest dafür höher verzinst wieder reinvestieren und so für Wachstum sorgen. Ich nenne das: Aktien mit nachhaltiger Dividende erwerben.

Bankaktien sind 2011 heftig verprügelt worden. Ist ein antizyklischer Einstieg sinnvoll?
Häcker: Die rühre ich nicht an. Kein Mensch weiß, wie viele Kapitalerhöhungen uns im Bankenbereich noch bevorstehen. Zudem drohen mittelfristig Verstaatlichungen. Mich stören die intransparenten Bilanzen. Mit Finanztiteln holt man sich eine Black Box ins Portfolio.

Wo finde ich denn noch solide Wachstumswerte? Vielleicht in den Emerging Markets?
Häcker: Ich rate zu einem globalen Mix. Der Schwerpunkt sollte in Kern­­europa liegen, also in Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Skandinavien. Auch US-Aktien sind nicht zu vernachlässigen. Die werden zwar negativ gesehen. Anleger können es sich aber nicht leisten, den größten Kapitalmarkt der Welt außen vor zu lassen. Dort gibt es viele Topfirmen, die schuldenfrei sind, etwa Microsoft oder Google. Emerging Markets schaue ich mir wieder an, da sie seit Anfang 2011 im Schnitt um 20 Prozent gefallen sind. Vor zwei Jahren wollten da alle rein. Der Hype ist vorbei, die Überbewertung teilweise abgebaut. Die Türkei und Indien sind attraktiv. Mit mehr als 15 Prozent des Portfolios sollten sich Anleger dort aber nicht engagieren.

Was ist mit chinesischen Aktien? Die kamen doch auch stark zurück?
Häcker: Die Kurse sinken schon seit eineinhalb Jahren. Ich glaube, der Boden ist dort noch nicht erreicht. Mein Depot ist etwa 125 000 Euro wert, davon steckt ein großer Anteil in ETFs auf den Euro Stoxx. Soll ich die noch halten? Schlienkamp: Ab dem zweiten Halbjahr dürfte der Euro Stoxx wieder zulegen. Unsere Prognose für das Jahresende liegt hier bei 2650 Punkten. Um mich an die Börsenlegende André Kostolany anzulehnen: Die Börse ist keine Einbahnstraße, die nur nach unten führt.

Welche Aktien kann ich in solchen Zeiten überhaupt kaufen?
Schlienkamp: Ich empfehle grundsätzlich Unternehmen, die eine gute Bilanzstruktur und eine markt­führende Position haben. Niedrige Schulden, hohe Cashflows und Unabhängigkeit von Bankkrediten sind Attribute, die im jetzigen Umfeld von großem Vorteil sind. Kritische Situationen am Finanzmarkt, beispielsweise eine Kreditklemme oder eine Bankenpleite, sind eben möglich.

Einzelwerte

Ich war vor meiner Pensionierung bei der Bundesbank beschäftigt. Jetzt mache ich mir große Sorgen um die Geldwertstabilität. Deshalb habe ich neben Gold in nicht­zyklische Aktien investiert, meine größte Position ist Nestlé. Soll ich die Aktie weiter halten?
Otte: Wegen der verschärften Gesetzeslage können wir Einzelaktien gern für Sie analysieren, beraten dürfen wir Sie allerdings nicht, die Anlageentscheidung müssen Sie selbst treffen. In Ihrem Fall scheint Beratung auch gar nicht nötig zu sein, denn Sie sind ja offensichtlich vom Fach. Nestlé ist ein Basisinvestment für ein vernünftig strukturiertes Aktiendepot.

In Italien kehrt nach dem Rücktritt Berlusconis das Vertrauen zurück. Deshalb müsste es doch ein gün­stiger Zeitpunkt sein, italienische ­Aktien zu kaufen …
Otte: Den Wechsel des Ministerpräsidenten würde ich nicht überbewerten. Was wir jetzt in Italien haben, ist eine Technokratenregierung, deren Chef nicht von der Bevölkerung gewählt, sondern von den großen Banken und Finanzmarktakteuren gewollt wurde. Aber was die Bewertungen angeht, gebe ich Ihnen recht. Interessant finde ich gerade Berlusconis Medienkonzern Mediaset. Der Kurs hat wegen der politischen Querelen und der Personaldebatte extrem gelitten. Vor zwölf Jahren kostete eine Aktie 25 Euro, heute gibt es sie für ein Zehntel des Betrags. Die Dividendenrendite bewegt sich im zweistelligen Bereich.

Kann man langsam anfangen, in griechische Aktien zu investieren?
Otte: Einige Aktien mit dem Malus bestimmter Herkunftsländer, da­run­ter auch griechische Titel, sind auf Bewertungsniveaus angekom­men, die sehr günstig erscheinen. Für den Privatinvestor-Fonds sehen wir uns beispielsweise Hellenic Telecom an.

Welche DAX- und MDAX-Werte muss ich 2012 haben?
Schlienkamp: Aus dem DAX empfehlen wir VW, BASF und Henkel, international stark positionierte und finanziell solide Konzerne, die gute Wachstumsperspektiven besitzen. Im MDAX finden wir Fielmann, Hugo Boss oder auch Fuchs Petrolub interessant. Fielmann hat ein konjunkturunabhängiges Geschäft, ist die Nummer 1 bei Brillen in Europa. An Boss schätzen wir die internationale Stärke. Die Marke findet vor allem bei den Luxuskäufern in China reißenden Absatz. Fuchs Petrolub ist zwar ein zyklischer Titel, hier gibt es im ersten Halbjahr Risiken. Das Unternehmen ist aber hervorragend aufgestellt, das Management ist krisenerfahren und macht gute Arbeit.

Welche Alternativen zu Bundes­anleihen gibt es?
Häcker: Wir leben in einer anderen Welt als früher. Das Vertrauen in Staatsanleihen vieler Länder ist nicht mehr vorhanden. Besser aufgestellt sind heute große weltweit ­tätige Qualitätsunternehmen, die kaum verschuldet sind wie etwa Nestlé, McDonald’s, Microsoft oder BASF. Deren Anleihen bieten zwar auch nur noch geringe Renditen, aber hohe Sicherheit. Von hohen ­Kupons sollten sich Anleger sowieso nicht blenden lassen. Oft stehen ­dahinter Firmen mit zweifelhafter Bonität oder Staaten mit hoher Schuldenlast. Wenn Sie hohe Renditen suchen, könnten Bonds von Siemens, Grenke Finance oder — etwas offensiver — Fiat und Verbund für Sie interessant sein.

Ich habe teils hohe Verluste mit meinen Aktien gemacht, etwa mit Porsche, Conti und auch mit Volkswagen. Soll ich aussteigen?
Schlienkamp: Papiere, die Sie aus wohlüberlegten Gründen zu höheren Kursen gekauft haben, sollten Sie jetzt keinesfalls verkaufen. Wenn Sie Qualitätstitel wie Volkswagen haben, dann liegen Sie richtig. Das ­Unternehmen ist auf dem Weg zur weltweiten Nummer 1, hat eine ­Auslastung bis weit ins Jahr 2012 ­hinein. Auch Conti und Porsche sind solide Werte. Die Lenker in den großen ­Automobilkonzernen sehen wenig Grund zum Pessimismus, auch weil die Wirtschaft in China weiter läuft.

Kann man nach den jüngsten Kursrückschlägen wieder deutsche ­Autowerte kaufen?
Otte: Inzwischen sind sowohl Daimler als auch BMW und VW auf einem Niveau angelangt, das Luft nach oben lässt. Interessant sehen im Moment BMW-Vorzüge aus.

Ich habe Solarworld und Q-Cells im Depot. Kommen die wieder?
Schlienkamp: Hier dürfte einzig ­Solarworld Überlebenschancen besitzen. Zuletzt hat die Insolvenz von Solar Millennium gezeigt, in welch schlechter Verfassung die Branche ist. Tauschen Sie Q-Cells in Solarworld um, wenn Sie im Solarsektor investiert bleiben wollen — was ich allerdings nicht empfehle.
Otte: Mit Solarworld können sie nach dem starken Kursverfall ein wenig zocken, wenn’s denn sein muss. Wenn der Markt zu einer Erholungsrally ansetzt, kann es da mal ein paar Tage steil nach oben gehen. Kurse von 20 Euro und mehr werden wir aber kaum wiedersehen. Bei Q-Cells hilft nur noch Beten.

Weil ich in Ethikaktien anlegen wollte, sitze ich vor allem mit Solartiteln auf riesigen Verlusten. Was soll ich jetzt tun?
Otte: Mir waren Solartitel immer zu heiß, deshalb haben meine Kunden zunächst den einen oder anderen Euro nicht verdient — und jetzt auch nicht wieder verloren. Wenn Sie nach ethischen Gesichtspunkten investieren wollen, sollten Sie sich vielleicht Werte wie Geberit anschauen. Die Produkte helfen, Wasser zu sparen. Auch Shimano, ein japanischer Hersteller von Fahr­rad­kom­po­nen­ten, ­erscheint auf dem derzeitigen Kurs­niveau interessant.

WMF blieb lange Zeit stabil, jetzt fängt auch diese Aktie an zu fallen. Muss ich mir Sorgen machen wegen der Stahlkonjunktur?
Otte: Auch WMF würde ich als ethisch korrektes Investment einstufen, zumindest schaden die Produkte niemandem. WMF stellt zum einen Kochgeschirr und Besteck her. Beides wird zwar aus Stahl gefertigt, hat aber mit dem hochgradig zyklischen Geschäft der Stahlproduktion nichts zu tun. Zum anderen gewinnen Kaffeemaschinen zunehmend an Bedeutung für das Geschäftsmodell von WMF. Das ist ein völlig anderes Geschäft als Stahl. Da die Aktie günstig bewertet ist, sollten Sie sich von kurzfristigen Schwächephasen nicht nervös machen lassen. In einer Baisse fallen eben auch Qualitätstitel.

Klöckner und Co oder Salzgitter?
Otte: Jetzt kommen wir also zu den echten Stahlwerten. Schwer zu sagen, welcher der Titel zu favorisieren ist. Wenn wir eine Depression bekommen, werden Sie mit beiden nicht glücklich. Wenn nicht — wovon ich ausgehe —, haben beide Erholungspotenzial. Aber bevor Sie zyklische Werte kaufen, sollten Sie mal über ganz normale Aktien nachdenken. Wo sind in Ihrem Depot die Basisinvestments wie Nestlé, Novartis oder McDonald’s?

Finden Sie defensive Branchen wie beispielsweise Pharma oder Versorger interessant?
Schlienkamp: Es gibt derzeit kaum generelle Empfehlungen für Branchen. Man muss die richtigen Einzelwerte finden, Stock-Picking ist angesagt. Im Bereich Pharma etwa gibt es oft spezifische Themen, wie die ­Diskussion um die Zulassung des Schlaganfallmittels Xarelto von Bayer. Versorger haben ein strategisches Problem. Sowohl Eon als auch RWE müssen ihre Hausaufgaben ­machen. Hier sehe ich noch keinen Grund einzusteigen, auch wenn die Entwicklung 2011 weit unterdurchschnittlich war.

Roche oder Novartis?
Otte: Das nimmt sich nicht viel. Der eine ist auf diesem Gebiet stärker, der andere auf jenem. Beides sind solide Pharmatitel.

Kraft Foods oder Philip Morris?
Otte: Beide. Sie haben sich zwei US-Klassiker ausgesucht, die im Moment nicht zu teuer sind.

Grenke oder Fuchs Petrolub?
Otte: Beide Werte gefallen mir sehr gut, wir halten auch beide im Privatinvestor-Fonds. Wenn ich mich für einen entscheiden müsste, dann für den Mannheimer Schmierstoffhersteller Fuchs, weil das Unternehmen bereits in dritter Generation von der Gründerfamilie geführt wird und in einem Markt tätig ist, in dem die Konkurrenz gerade im wahrsten Sinne des Wortes abschmiert. Das soll aber keine Wertung sein.

Lufthansa oder Nokia?
Otte: Stark gefallen sind beide, was sie bewertungstechnisch interessant macht. Nokia hat den Anschluss bei Smartphones verpasst und will nun aufholen. Das ist eine heiße Spekulation, die gut gehen kann oder auch nicht. Deshalb lieber Lufthan­sa, obwohl das Geschäft stark zyklisch ist. Aber die Lufthansa ist eine der besten Airlines der Welt, deshalb sollte man der Aktie zumindest den Buchwert zubilligen, der zwischen 16 und 17 Euro liegt. Auf dieses Niveau sollte sie unter normalen Umständen irgendwann wieder steigen.

Bank of Ireland oder AIG?
Otte: Weder noch. Das sind keine Aktien mehr, das sind Optionen geworden. Überlebt einer aus eigener Kraft, kann sich der Kurs vervielfachen. Auf der anderen Seite kann es auch gegen null gehen. Die Bank of Ireland taucht in Screenings institutioneller Investoren immer wieder mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis unter 0,1 auf. Aber Buchwerte können sich in der Finanzindustrie über Nacht in Luft auflösen, wie wir gelernt haben.

Glencore oder Vale?
Otte: Eindeutig Vale, ein gut aufgestellter brasilianischer Rohstoffkonzern mit solider Börsenhistorie. Bei Börsenneulingen wie Glencore bin ich grundsätzlich vorsichtig.

Was halten Sie von Zooplus?
Schlienkamp: Ein gut aufgestelltes Unternehmen — aber ein Einzelhändler, der vornehmlich online verkauft. Ich habe den Eindruck, dass vor allem britische Investoren Zooplus als Internetunternehmen sehen und die Kurse in Richtung 70 Euro getrieben haben. Wir sehen die Aktie bei etwa 45 Euro fair bewertet.

Steuern

Ich habe im vergangenen Jahr aus Aktien Verluste von mehreren Tausend Euro realisiert, kann ich diese mit Aktiengewinnen aus diesem Jahr gegenrechnen?
Thiem: Das können Sie sehr gut. Auf diese Weise müssen Sie unter Umständen gar keine Steuern zahlen. Passen Sie aber auf, wenn Sie die Verluste und Gewinne bei unterschiedlichen Banken realisiert haben. Dann müssen Sie bis zum 15. Dezember eines Jahres bei der Bank eine Verlustbescheinigung beantragen, um die Verrechnung der Gewinne und Verluste in der Steuererklärung geltend machen zu können.

Ich habe Altverluste aus der Zeit vor 2009 und sehe in der aktuellen Börsenlage kaum eine Möglichkeit, diese abzuschmelzen. Zudem habe ich den Eindruck, dass ich von meinen Altverlusten nicht wegkomme, obwohl ich in den vergangenen Jahren immer wieder Gewinne und Verluste realisiert habe.
Thiem: Die Bank verrechnet zuerst einmal nur die laufenden Verluste, bevor sie Altverluste berücksichtigt. Sie können aber weiterhin versuchen, diese Verluste mit Gewinnen aus Wertpapiergeschäften zu verrechnen. Nach 2013 ist das nicht mehr möglich, dann können Sie diese Altverluste nur noch mit Gewinnen aus dem Verkauf von Immobilien oder etwa Kunstgegenständen verrechnen. Banken bieten jedoch durchaus Modelle an, bei denen die Altverluste in Neuverluste umgewandelt werden. Sie sollten dazu mit Ihrer Bank Kontakt aufnehmen.

Ich habe 2009 rund 7000 Euro ­Abgeltungsteuer gezahlt, in 2010 hatte ich 12 000 Euro Verluste. Kann ich diese Verluste auch zurücktragen, um meine Steuerlast nachträglich zu mindern?
Thiem: Im System der Abgeltungsteuer gibt es keinen Verlustrücktrag. Sie können mit Ihren Verlusten aus 2010 nur Ihre zukünftige Steuerlast drücken.

Kann ich den Sparerpauschbetrag meiner Kinder nutzen, um meine Steuerlast zu senken?
Thiem: Das können Sie tun. Allerdings müssen Sie dazu die entsprechenden Kapitalanlagen Ihren Kindern schenken. Sie können jedem Ihrer Kinder alle zehn Jahre Vermögen von 400.000 Euro steuerfrei schenken. Beachten Sie jedoch, dass Sie in diesem Fall zwar das Geld im Sinne Ihrer Tochter oder Ihres Sohnes anlegen, aber nicht mehr frei darüber verfügen können. Wollen Sie sich die Kapitalanlage oder die Erträge wieder zurückschenken lassen, gelten ungleich niedrigere Freibeträge und Sie müssen unter Umständen Schenkungsteuer zahlen.

Was sind fiktive Quellensteuern?
Thiem: Fiktive Quellensteuern sind eine Art Entwicklungshilfe Deutschlands für einige Staaten. Sie wurden in den Doppelbesteuerungsabkommen, die Deutschland mit den einzelnen Staaten geschlossen hat, festgelegt. Das funktioniert so: Der Anleger zahlt in dem jeweiligen Staat keine Quellensteuer, dennoch wird diese fiktive Steuer vom deutschen Fiskus wie gezahlte Quellensteuer angerechnet. Aus steuerlicher Sicht ein gutes Geschäft für Anleger.

Inwiefern helfen verschiedene Verlusttöpfe beim Steuern sparen?
Thiem: Es gibt grundsätzlich zwei Verlusttöpfe: Verluste aus Aktiengeschäften und sonstige Verluste, wie zum Beispiel bezahlte negative Stückzinsen. Verlusttöpfe werden bei den einzelnen Banken grundsätzlich ins nächste Jahr vorgetragen. Wenn Sie jedoch bei einer anderen Bank Gewinne erzielt haben, können Sie bei der „Verlust-Bank“ bis zum 15. Dezember eine Verlust­bescheinigung beantragen, um eine Verrechnung der Gewinne und Verluste im Rahmen der Steuererklärung zu erreichen. Dazu sollten Sie Ihre Verluste und Gewinne im laufenden Jahr genau beobachten.

Unsere Experten:

Max Otte
Professor Dr. Max Otte (47) ist Spezialist für Value Investing, Aktienanalyse, Unternehmensführung und -kultur. Als gefragter Wirtschafts- und Finanzexperte ist er regelmäßig mit Fachbeiträgen oder als Interviewpartner in den Medien präsent. Er hat mehr als ein Dutzend Bücher veröffentlicht, darunter „Der Crash kommt“, worin er bereits im Sommer 2006 die Finanzkrise und ihre Auswirkungen prognostizierte. Zudem führt er das Institut für Vermögensentwicklung (IFVE) und berät den Fonds PI Global Value.

Gerd Häcker
Huber, Reuss & Kollegen
Der Leiter des Assetmanagements der Vermögensverwaltung Huber, Reuss & Kollegen beschäftigt sich bereits seit mehr als 25 Jahren mit Wertpapiergeschäften. Das Münchner Unternehmen betreut ein Vermögen von mehr als 500 Millionen Euro, u. a. für Stiftungen, Spezialfonds und wohlhabende Privatanleger. Zuvor war Häcker (44) bei einer deutschen Großbank für die Asset Allocation verantwortlich. Sein Anlagestil ist konservativ und zeichnet sich durch konsequentes Risikomanagement aus.

Stefan Thiem,
Rechtsanwalt und Steuerberater
Nach dem Jurastudium hat der 41-Jährige die Steuerberaterausbildung absolviert. Nach fünf Jahren bei einer mittelständischen Wirtschaftsprüfergesellschaft startete Thiem 2007 im Münchner Büro der Kanzlei Ebner Stolz Mönning Bachem. Ein Jahr später wurde er Prokurist. In dieser Funktion berät er unter anderem Kapitalanleger in Steuerfragen. Der Vater einer Tochter besucht in seiner Freizeit gern Theater, liest oder geht in die Berge.

Christoph Schlienkamp,
Leiter Research Bankhaus Lampe

Der Analyst und Volkswirt (52) hat langjährige Erfahrung in Konjunktur-, Zins- und Aktienanalyse. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in Fachmedien zu aktienrelevanten Themen, verfasste Bücher über Bilanz- und Kapitalmarktanalyse. Schlienkamp ist Dozent für Portfoliomanagement und Asset Allocation an der International School of Management und Leiter des Arbeitskreises Small Caps bei der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse. Seit 1997 verantwortet er das Aktienresearch des Bankhauses Lampe.

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