Euro am Sonntag-Meinung

Theresa May: Warum man sie nicht unterschätzen darf

18.07.16 03:00 Uhr

Theresa May: Warum man sie nicht unterschätzen darf | finanzen.net

Schneller als erwartet tritt die Politikerin die Nachfolge von Premierminister David Cameron an. Die schwer einschätzbare Konservative steht vor einer Mammut-Aufgabe.

Werte in diesem Artikel
Aktien

135,75 EUR 0,30 EUR 0,22%

25,69 EUR 0,09 EUR 0,33%

Devisen

0,8365 GBP -0,0008 GBP -0,10%

von Julia Groß, Euro am Sonntag

Wäre Boris Johnson britischer Premierminister ­geworden, würde wahrscheinlich etwas über seine Frisur geschrieben. Vielleicht auch über seine Angewohnheit, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Ziemlich sicher wären seine flapsigen Sprüche ein Thema, es gibt lange Listen der besten davon. Einer davon lautet: "Meine Chancen, Premierminister zu werden, sind in etwa so groß wie die Wahrscheinlichkeit, Elvis auf dem Mars zu entdecken."

Wer­bung


Damit hat er vorläufig recht behalten, und deshalb sind jetzt überall Theresa Mays Schuhe zu sehen. Mit Leopardenmuster, Nieten, leuchtend rot oder mit hohen Absätzen - eine englische Google-­Abfrage nach Mays Fußbekleidung liefert bereits zum Amtsantritt zur Wochenmitte über drei Millionen Treffer. Inklusive Erörterungen, ob Pfennig­absätze ein politisches Macht-Statement darstellen oder was die tiefere Bedeutung von Raubkatzenfell sei.

Natürlich kann man es sexistisch, chauvinistisch und vor allem überflüssig nennen, die frisch angetretene Premierministerin ausgerechnet auf ausgefallene Schuhe zu reduzieren. Nach drei Wochen politischem Brexit-Chaos und Rücktritten von gefühlt der Hälfte aller britischen Politiker gibt es wirklich wich­tigere Themen im Zusammenhang mit dem neuen Regierungsoberhaupt.
Wer­bung


Doch die Aufmerksamkeit für Theresa Mays Schuhe rührt tatsächlich auch daher, dass man so wenig anderes über die 59-Jährige weiß. Die meisten Deutschen werden ihren Namen vermutlich in der vergangenen Woche zum ersten Mal gehört haben. May ist schon immer still und unauffällig, über ihre persönlichen Vorlieben abseits offensichtlicher Mode-Faibles ist so gut wie nichts bekannt. Wie kann man die Frau, die Großbritanniens Austritt aus der EU verhandeln soll, bloß einschätzen?

Stille Strippenzieherin

Es sieht vor allem danach aus, als dürfe man sie nicht unterschätzen. Zwar wirkt es so, als sei May die "letzte Überlebende", wie die BBC schreibt, nachdem sich ihre Konkurrenten selbst ein Bein gestellt haben. Justizminister Michael Gove intrigierte gegen seinen Freund Boris Johnson, was ihm dann selbst zum Verhängnis wurde, Arbeitsminister Stephen Crabb warb für ein ­traditionelles Familienbild, betrog aber seine Ehefrau, und zuletzt stolperte die verbliebene Mitbewerberin Andrea Leadsom über einen schöngefärbten ­Lebenslauf und einen fiesen Seitenhieb auf Theresa Mays Kinderlosigkeit.

Doch in Wahrheit hegt May schon seit Langem Ambitionen auf das Regierungsamt - sie soll bereits als junges Mädchen davon gesprochen haben. Und dass sie die Demontage ihrer Gegenkandidaten nicht aktiv betrieben hat, schließt nach Ansicht von Parlamentsinsidern keineswegs aus, dass sie dabei hinter den Kulissen die Strippen gezogen hat.
Wer­bung


May, die in der Gegend von Oxford aufgewachsen ist und in der berühmten Universitätsstadt Geografie studiert hat, gilt als harte und kalte Politikerin. Ihre ­Fähigkeit, unverblümt Kritik zu üben, ist legendär. Nach zwei verlorenen Wahlen schockierte sie 2002 ihre konservativen Parteifreunde mit dem Urteil, die Tories würden schlicht eine unattraktive Politik machen, sie seien "die hässliche Partei". Als Innenministerin legte sie sich mehrfach mit der Polizei und ihrer mächtigen Gewerkschaft an, warf den Ordnungsbeamten Korruption, Inkompetenz und Rassismus vor.

Keine Konfliktscheu

Überhaupt, das Innenministerium. Es gilt in Großbritannien als Sackgasse für ambitionierte Politiker. Mehr als eine Karriere ist dort gescheitert, doch Theresa May hielt sich erfolgreich seit 2010, länger als jeder ihrer Vorgänger der vergangenen 60 Jahre. Sie arbeitet hart, fuchst sich in Details ein - manche sagen, sie könne nicht delegieren. May gilt als pragmatisch, aber auch als ex­trem hartnäckig und kein bisschen konfliktscheu. Michael Gove und sie kommen überhaupt nicht miteinander zurecht, mit Ex-Premier David Cameron verbindet sie tiefes gegenseitiges Misstrauen. Auch mit Schatzkanzler George Osborne geriet sie häufig aneinander, seine Sparpolitik will sie auf keinen Fall weiterverfolgen. Osborne war deshalb nach ihrem Amtsantritt der erste Minister, der gehen musste. Der Konservative Ken Clarke sagte vor einigen Tagen, Theresa May sei wirklich gut in ihrem Job, aber "eine verdammt schwierige Frau".

Doch ihre Erfolgsbilanz kann sich ­sehen lassen, deshalb hat sie sich trotz aller Animositäten Respekt und Rückhalt bei ihren Parteikollegen erworben. Etwa im Fall des unter Terrorverdacht stehenden Salafistenpredigers Abu Qatada. Mehrere Gerichte hatten dessen Deportation untersagt. Daraufhin flog May nach Jordanien und verhandelte dort ein bilaterales Abkommen, das schlussendlich doch die Ausweisung Qatadas ermöglichte. May findet Lösungen und setzt sie durch - nicht die schlechteste Empfehlung für die aktuelle politische Situation.

Harte Verhandlungen

Die Entscheidung für den Brexit sei nicht umkehrbar, hat die frischgebackene Premierministerin in den vergangenen Tagen mehrfach betont, obwohl sie ursprünglich nicht auf der Seite der Brexit-Befürworter stand. Mays Versprechen, den Austritt aus der Europäischen Union zu einem Erfolg zu machen, ist jedoch eine schwere Bürde.

Bislang ist überhaupt nicht absehbar, welche Beziehung zur EU die neue Regierung anstreben wird. Zu Beginn der Kandidatenkür hat Theresa May gesagt, der Austrittsartikel 50 werde nicht vor Ende des Jahres in Kraft gesetzt werden. Doch zu diesem Zeitpunkt wurde auch erst für September mit einem neuen Regierungsoberhaupt gerechnet. Jetzt geht es vielleicht schneller: Zwar wollen die Briten zunächst informell alle Möglichkeiten ausloten. Doch bisher weigert sich der Rest der EU zu reden, bevor die offizielle Erklärung da ist.

Es werden schwierige Verhandlungen. Mit David Davis hat Theresa May bereits einen erklärten Europa-Gegner zum Brexit-Minister ernannt. Und ihre eigene, äußerst kritische Haltung zum Thema Migration dürfte für Zündstoff sorgen. Die EU wird keine Zugeständnisse in Sachen Freizügigkeit machen wollen, wenn Großbritannien um den Zugang zum Binnenmarkt pokert -schließlich haben auch Norwegen und die Schweiz EU-Bürgern freie Einreise, freie Niederlassung und freie Erwerbstätigkeit zugestehen müssen.

May gilt jedoch ausgerechnet bei diesem Thema als Hardlinerin. Sie hat in der Vergangenheit hohe Einkommensgrenzen für Nicht-EU-Bürger durchgesetzt, die beispielsweise von Lehrern oder Pflegepersonal aus anderen Ländern nicht zu erfüllen sind. Auch den rund drei Millionen Unionsbürgern, die aktuell im Vereinten Königreich leben, drohte sie mit Entzug des Bleiberechts.

Abgesehen davon hat May aber erkannt, dass das Ergebnis des EU-Referendums auch Ausdruck einer zutiefst gespaltenen britischen Gesellschaft ist. Die Schere zwischen arm und reich klafft immer weiter auf, die zuletzt positive Konjunkturentwicklung kommt bei weiten Teilen der Bevölkerung nicht an. Die Mittelschicht ächzt unter stagnierenden Löhnen und Sparmaßnahmen der Regierung, der Besitz einer Immobilie ist für viele in weite Ferne gerückt.

Maßnahmen wie die Arbeitnehmervertretung in Aufsichtsräten nach dem deutschen Vorbild der Mitbestimmung sollen die Briten versöhnen. Aktionäre dürfen nach Mays Plänen zukünftig im Detail über die Vergütung von Unternehmensvorständen entscheiden, die Transparenzvorschriften für Chefgehälter könnten verschärft werden. Theresa May will britische Firmen besser vor Übernahmen aus dem Ausland schützen, der Versuch des US-Giganten Pfizer, aus rein steuerlichen Erwägungen AstraZeneca zu kaufen, war ihr ein Dorn im Auge.

Angespannte Haushaltslage

Die neue Premierministerin wurde in den vergangenen Tagen oft mit Angela Merkel verglichen - beide sind ungefähr im gleichen Alter, beide sind Pfarrers­töchter, beide arbeiten extrem sachorientiert und lassen kaum etwas über ihr Privatleben verlauten. Doch die Spar­politik der deutschen Kanzlerin scheint May nicht kopieren zu wollen, im Gegenteil. Steuererhöhungen soll es in den kommenden vier Jahren nicht geben, dafür möchte die Britin in Infrastruktur investieren und sich dafür höher verschulden. Mit den Löchern im Staatshaushalt des Königreichs dürfte sich das nicht besonders gut vertragen.

Andererseits muss sie handeln, um die Wirtschaft anzukurbeln, schließlich rechnen Experten mit einer Rezession in Großbritannien als unmittelbare Folge der Brexit-Entscheidung. Firmen dürften Investitionen auf die lange Bank schieben, solange der Status des Landes unklar ist. Die britische Notenbank verzichtete dennoch am Donnerstag auf eine Leitzinssenkung.

Es ist eine Mammutaufgabe, die David Cameron hinterlassen hat. Theresa May will das Problem bis zum Ende der Legislaturperiode 2020 lösen. Skeptiker bezweifeln, dass sie sich so lange halten kann. Boris Johnson spekuliert vielleicht ­sogar darauf. Seine überraschende Ernennung zum Außenminister dürfte ihn nur vorübergehend ruhigstellen. Dann könnte es doch noch zum Showdown Frisur gegen Schuhe kommen.

Vita:
Mitten aus der Mittelschicht

Theresa May (59) ist die Tochter eines Pfarrers und wuchs in Oxfordshire auf. Sie besuchte überwiegend staatliche Schulen und studierte in Oxford Geografie. Nach dem Abschluss arbeitete sie bei der britischen Notenbank. May ist seit 26 Jahren mit ihrem Studienkollegen Philip verheiratet. Die Diabetikerin bezeichnet Kochen als ihr einziges Hobby.

Politik:
Die Vollblut­politikerin

Freunde und Kommilitonen sagen, Theresa May habe ihre Zukunft schon immer in der Politik gesehen. Sie war zehn Jahre lang Stadträtin in Merton im Süden von London, bevor sie 1997 zum ersten Mal ins Parlament gewählt wurde. 2002 war sie Parteivorsitzende der konservativen Tories, 2010 wurde sie Innenministerin. Theresa May gilt als liberale ­Konservative.

Ausgewählte Hebelprodukte auf AstraZeneca

Mit Knock-outs können spekulative Anleger überproportional an Kursbewegungen partizipieren. Wählen Sie einfach den gewünschten Hebel und wir zeigen Ihnen passende Open-End Produkte auf AstraZeneca

NameHebelKOEmittent
NameHebelKOEmittent
Wer­bung

Bildquellen: OLI SCARFF/AFP/Getty Images, IR Stone / Shutterstock.com

Nachrichten zu Pfizer Inc.

Wer­bung

Analysen zu Pfizer Inc.

DatumRatingAnalyst
19.12.2024Pfizer NeutralUBS AG
17.12.2024Pfizer BuyJefferies & Company Inc.
17.12.2024Pfizer NeutralUBS AG
17.12.2024Pfizer NeutralJP Morgan Chase & Co.
12.12.2024Pfizer NeutralJP Morgan Chase & Co.
DatumRatingAnalyst
17.12.2024Pfizer BuyJefferies & Company Inc.
30.10.2024Pfizer BuyGoldman Sachs Group Inc.
29.10.2024Pfizer BuyJefferies & Company Inc.
27.09.2024Pfizer BuyJefferies & Company Inc.
17.09.2024Pfizer BuyJefferies & Company Inc.
DatumRatingAnalyst
19.12.2024Pfizer NeutralUBS AG
17.12.2024Pfizer NeutralUBS AG
17.12.2024Pfizer NeutralJP Morgan Chase & Co.
12.12.2024Pfizer NeutralJP Morgan Chase & Co.
29.11.2024Pfizer HoldJoh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank)
DatumRatingAnalyst
03.05.2018Pfizer VerkaufenDZ BANK
16.05.2017Pfizer SellCitigroup Corp.
27.11.2012Pfizer verkaufenHamburger Sparkasse AG (Haspa)
28.08.2012Pfizer verkaufenHamburger Sparkasse AG (Haspa)
10.01.2012Pfizer verkaufenHamburger Sparkasse AG (Haspa)

Um die Übersicht zu verbessern, haben Sie die Möglichkeit, die Analysen für Pfizer Inc. nach folgenden Kriterien zu filtern.

Alle: Alle Empfehlungen

Buy: Kaufempfehlungen wie z.B. "kaufen" oder "buy"
Hold: Halten-Empfehlungen wie z.B. "halten" oder "neutral"
Sell: Verkaufsempfehlungn wie z.B. "verkaufen" oder "reduce"