TINA-Strategie im Fokus: Was steckt hinter dem There is no Alternative-Investmentansatz?
Das griffige Kürzel TINA - There is no Alternative - genoss in den letzten Jahren in Börsenkreisen Hochkonjunktur. Experten erklärten mit TINA die Börsen-Hausse, Vermögensverwalter rieten mit TINA zum Aktienkauf und junge Trader riefen mit TINA zum Kauf von Meme-Aktien auf. Doch was genau steckt hinter diesen ominösen Buchstaben? Und welche Risiken bestehen bei dem Ansatz?
Werte in diesem Artikel
• "There is no Alternative": Gerade in Niedrigzinsphasen sei Aktienmarkt alternativlos
• TINA-Strategie birgt aber ein hohes Risiko - besonders in schlechten Börsenjahren
• Durch höhere Zinsen erscheinen Alternativen zu Aktien wieder attraktiver
Der Börsenjargon kennt einige griffige Sprüche, Formeln und Abkürzungen. Neben ETF, Fed, KGV, FOMO, NYSE und vielen weiteren Kürzeln machte in den vergangenen Jahren auch TINA - das Akronym für "There is no Alternative" - vermehrt die Runde. Im Folgenden wird erläutert, was hinter dem Ansatz steckt und was ihn zu einem Pulverfass machen kann.
Wofür steht TINA?
TINA beschreibt eine Investmentempfehlung, wonach es zu einem bestimmten Vermögenswert keine Alternative gibt - meist dann, weil andere Assets keine oder eine zu geringe Rendite bringen. Besonders nach 2008 wurde TINA unter Investoren zu einer beliebten Formel, um ihre Präferenz von Aktien gegenüber anderen Vermögenswerten wie Immobilien, Anleihen, Gold oder auch Festgeldkonten zu erklären. Um die Folgen der Finanzkrise durch eine hohe Geldliquidität abzumildern, beschlossen zu diesem Zeitpunkt die größten Zentralbanken der Welt - allen voran die US-Notenbank Federal Reserve Bank (Fed) und die Europäische Zentralbank - eine erhebliche Senkung der Leitzinsen. Lagen diese 2007 im Euroland noch bei vier Prozent und in den USA sogar bei über fünf Prozent, wurden sie innerhalb von wenigen Monaten auf ein Niveau von einem bis null Prozent gesenkt. Ein ähnliches Szenario spielte sich zum Beginn der COVID-19-Pandemie im Frühjahr 2020 ab, als die Fed die ohnehin bereits niedrigen Zinsen auf das Null-Prozent-Niveau senken ließ. Die EZB konnte die Zinsen sogar nicht mehr weiter runterschrauben, flutete aber ebenso wie die Fed den Markt mit Geld in Milliardenhöhe.
Warum TINA besonders in Nullzinsphasen ein weit verbreitetes Credo ist
Die ultraliquide Geldpolitik rund um den Globus zwischen 2008 und 2022 sorgte für große Kauflaune an den Aktienmärkten. Hier kommt TINA ins Spiel: Dadurch, dass das Zinsniveau sich auf einem historisch niedrigen Niveau bewegte und dementsprechend Festgeldkonten und Anleihen so gut wie gar keine Rendite abwarfen, soll es - der Argumentation zufolge - sogar für risikoaverse Anleger keine Alternative zu einem Engagement an den Börsen gegeben haben. Tatsächlich profitieren Aktien allgemein von niedrigen Zinsen, was insbesondere für wachstumsorientierte Unternehmen aus dem Tech-Sektor gilt. Dank der lockeren Geldpolitik liefen die Börsen trotz den Nachwehen der Finanzkrise und später der COVID-19-Pandemie zwischen 2009 bis Ende 2021 hervorragend. Beispielsweise stieg der breite US-Index S&P 500 in diesen 13 Jahren von etwa 800 Punkten auf einen Wert von bis zu 4.700 Zählern - ein Anstieg um satte 487 Prozent.
Bei Anleihen oder festverzinsten Anlageprodukten konnten Anleger in diesem Zeitraum hingegen kaum eine Rendite einheimsen. Trotz des Bullenmarktes ist es aber verfehlt, von "keiner Alternative" zum Aktienmarkt zu sprechen: So stiegen beispielsweise auch die Preise von Immobilien - besonders in internationalen Großstädten wie Hongkong, Los Angeles, New York City, München oder Berlin extrem an; auch hier konnten Anleger bei einem guten Timing zweistellige Jahresrenditen erzielen. Dem Immobiliensektor kamen hierbei die günstigen Zinsen zupass, da dadurch die Kreditkosten für ein Investment deutlich niedriger ausfielen. Ebenfalls entschieden sich eher risikoscheue Investoren für ein Investment in Betongold, um den Niedrig- oder gar Negativzinsen bei ihren Bankkonten zu entgehen.
TINA-Ansatz wies 2022 hohes Risiko auf
In den letzten Monaten scheint TINA jedoch an Bedeutung abgenommen zu haben. Die Geldflut war nämlich mit dafür verantwortlich, dass ab 2021 die Inflationszahlen in vielen Staaten extrem anstiegen und zeitweise im Sommer 2022 sogar ein zweistelliges Niveau erreichten. Die Zentralbanken gaben Anfang 2022 ihre Nullzinspolitik auf und beendeten ihre Anleiheankaufprogramme. Die Folge war ein äußerst schwaches Börsenjahr. Die Investoren, die voll auf TINA gebaut haben und sich bei ihrer Kapitalanlage ausschließlich auf den Aktienmarkt fokussiert hatten, mussten zumindest zeitweise erhebliche Buchverluste hinnehmen, was den riskanten Charakter der TINA-Strategie verdeutlicht.
So wurden besonders Tech-Aktien, deren potenzielle Gewinne noch weit in der Zukunft liegen und entsprechend unsicher sind, in Zinsstraffungszyklen gemieden, wohingegen klassische Value-Titel mit starken Dividendenrenditen sich höherer Beliebtheit erfreuten - 2022 war dieses Schema mustergültig zu beobachten, als Tech-Highflyer wie PayPal, Zoom, Meta, Netflix oder auch TeamViewer stark abverkauft wurden und traditionelle Value-Papiere wie Procter & Gamble, McDonald's oder Coca-Cola deutlich besser ihren Wert hielten.
Hat TINA in aktueller Hochzinsphase ausgedient?
Zwar zeigten sich die Börsen in den vergangenen Monaten wieder in einer deutlich besseren Verfassung und zogen wieder vermehrt Anlegergelder an, aber dennoch scheint TINA zunächst einmal ausgedient zu haben. Es gibt inzwischen nämlich durchaus lukrative Alternativen zum Aktienmarkt, was insbesondere für eher risikoaverse Investoren von Interesse sein dürfte. Neben einer klassischen Immobilienanlage bietet sich vielmehr auch wieder der Kauf von Anleihen an. Selbst bei den als äußerst sicher geltenden Staatsanleihen - wie bei den deutschen Bundesanleihen oder den US-amerikanischen Treasuries - gibt es wieder ein paar Prozente an jährlicher Rendite zu holen. Auch bei Unternehmensanleihen mit der Top-Bonität "AAA" wie solche von Microsoft, ExxonMobil oder Pfizer können Anleger inzwischen ein paar Prozent an Zinsen verdienen bei gleichzeitig sehr hoher Sicherheit.
Das ist das größte Risiko beim TINA-Ansatz
Das größte Manko des TINA-Credos liegt in der Einseitigkeit des Ansatzes: Konzentriert sich ein Anleger lediglich auf eine Vermögensklasse, so steigt dadurch auch das Risk Exposure, sprich das Risikopotenzial bei erheblichen Kursverlusten von Aktien - wie 2022 beispielhaft geschehen. Gerade in Zeiten wieder höherer Zinsen dürfte TINA also zumindest für weniger riskant agierende Anleger ausgedient haben. Sie können ihr Depot wieder mit besserem Gewissen diversifizieren - Anleihen und Festgeldkonten stellen inzwischen ebenso wie Immobilien und Gold attraktive Alternativen zu Aktien dar.
Redaktion finanzen.net
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