Euro am Sonntag-Interview

Hans-Joachim Watzke: Aktionäre auf der Ersatzbank

29.09.13 03:00 Uhr

Hans-Joachim Watzke, der Chef von Borussia Dortmund, über die Wachstumsfelder der westfälischen Fußballfirma, ertragreiche Bockwürste und Shareholder Value aus Fanperspektive.

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von Mario Müller-Dofel, Euro am Sonntag

Den Start in die Champions League hat Borussia Dortmund mit der Niederlage in Neapel am vergangenen Mittwoch verpatzt. Trotzdem sind die sportlichen und finanziellen ­Perspektiven des Fußballunternehmens gut. Die Entwicklung des BVB ist beeindruckend.

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Zu Beginn der Saison 2008/2009 — damals hatte der Geschäftsführer der börsennotierten Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA, Hans-Joachim Watzke (54), Erfolgstrainer Jürgen Klopp verpflichtet — war der BVB-Spielerkader 85 Millionen Euro wert. Inzwischen sind es 280 Millionen. Der Aktienkurs hat sich seit damals auf rund 3,50 Euro mehr als verdoppelt. Und der Jahresumsatz ist binnen fünf Jahren von 100 Millionen auf den Rekordwert von 305 Millionen Euro gestiegen.

€uro am Sonntag: Herr Watzke, Börsianer nennen so eine Entwicklung wie die des BVB eine „Wachstumsstory“. Geht sie weiter?
Hans-Joachim Watzke:
Vergessen Sie nicht, dass die 305 Millionen Euro Umsatz 51,2 Millionen Transfer­erlöse inkludieren. So eine Summe ist nicht jedes Jahr drin. Deshalb muss unser Umsatzziel bei 250 Millionen Euro plus x liegen. Mit einem dicken Transfer kommen wir womöglich über 300 Millionen.

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Die Kapitalerhöhungen in den schwierigen Jahren vor 2008, durch die Sie den Klub vor der Pleite bewahrt haben, wären ohne die Börse kaum möglich gewesen. Inzwischen könnten Sie auf den Kapitalmarkt verzichten. Schon mal an ein Delisting gedacht?
Ein Delisting hätte durchaus Vorteile, würde aber bei unserem aktuellen Kurs von rund 3,50 Euro sehr teuer werden. Deshalb belassen wir es bei der Notierung.

Beim Börsengang im Jahr 2000 lag der Ausgabekurs bei elf Euro. Danach ging es bis zum Jahr 2009 stetig bergab. Die BVB-Aktionäre haben also auch viel Geld verloren. Wie wäre es, wenn Sie nun einen festen ­Betrag aus den Champions-League-Erlösen als Dividende für die Aktionäre reservieren würden?
Wir erhöhen die Gewinnausschüttung für das abgelaufene Geschäftsjahr von sechs auf zehn Cent. Das ist doch was! Übrigens sind nach unseren Informationen mehr als 90 Prozent unserer Aktionäre im Plus, weil sie sich günstig eingedeckt haben. Die Aktie gab es ja 2009 zeitweise für weniger als einen Euro. Die meisten derjenigen, die, wie ich, vor 13 Jahren für elf Euro gekauft haben, sind aber längst ausgestiegen.

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Ein klein wenig könnten Sie schon ein schlechtes Gewissen haben.
Nach meiner Ernennung zum Geschäftsführer im Jahr 2005 haben wir die Aktionäre vor dem Totalverlust bewahrt. Und seit dem Aktientief im Jahr 2009 hat sich der Kurs vervierfacht. Jeder BVB-Aktionär muss wissen, dass er in eine GmbH und Co. KG auf Aktien investiert. Diese GmbH gehört zu 100 Prozent dem eingetragenen Verein. Und das typische Mitglied dieses Vereins möchte maximalen sportlichen Erfolg ohne Schulden — der interessiert sich nicht für Shareholder Value. Ich bin also dem Gesamtkonstrukt BVB verpflichtet. Und das besteht auch aus den Fans, den Spielern, dem Platzwart und so weiter.

Lassen Sie uns auf einzelne ­Geschäftsfelder schauen — zuerst auf den Stadionticketverkauf. Ist da noch Wachstum möglich?
Wir können überall noch wachsen, nur dort nicht mehr. Das Stadion ist ja bei fast jedem Heimspiel mit mehr als 80.000 Zuschauern ausverkauft. Damit hatten wir übrigens in den vergangenen beiden Geschäftsjahren den höchsten Zuschauerschnitt in Europa vor dem FC Barcelona.

Sie könnten die Ticketpreise ­deutlich erhöhen.
Das lehnen wir ab, weil Westfalen und Dortmund von der Kaufkraft her nicht Bayern und München sind.

Wo liegt der durchschnittliche ­Ticketpreis beim BVB?
Bei gut 20 Euro. Wir haben 28.000 Stehplätze. 28 000! Pro Stehplatz zahlt ein Fan knapp über zehn Euro als Dauerkarte und um die 15 Euro als Tageskarte. Würden wir daraus 15.000 Sitzplätze machen, hätten wir jedes Jahr ein paar Milliönchen mehr in der Kasse. Aber wir haben eben auch eine Fankultur, die ohne Stehplätze undenkbar ist.

Wie soll sich das Geschäftsfeld Sponsoring entwickeln?
Im vergangenen Geschäftsjahr haben wir knapp 70 Millionen Euro an Sponsorengeld eingenommen und sind damit allen Bundesligisten außer den Bayern enteilt. Dennoch bleibt noch Luft nach oben. So können wir den einen oder anderen Sponsor hinzunehmen und bestehende Verträge zu höheren Konditionen verlängern.

Da werden sich Ihre Großsponsoren Evonik, Opel und Puma freuen.
Das Sponsoring bei Borussia Dortmund rechnet sich für alle Beteiligten. Wir haben sportlichen Erfolg und sehr hohe Sympathiewerte. Bei Letzteren sind wir ganz klar die Nummer 1 in Deutschland. Dafür müssen wir marktgerecht bezahlt werden.

Wie sieht es in Sachen TV-Ein­nahmen aus?
Ich gehe davon aus, dass die TV-Gelder national und international weiter steigen werden, was uns zugutekäme. In den vergangenen zwei Champions-League-Jahren haben wir ohnehin viel weniger kassiert, als wir verdient hätten.

Wie meinen Sie das?
Der europäische Fußballverband UEFA verteilt die TV-Einnahmen nach einer Fünfjahreswertung, in der wir bislang weit hinten lagen, weil wir erst seit zwei Jahren wieder in der Champions League spielen. In den kommenden Jahren werden wir dramatisch aufholen.

Wie sind die Aussichten im Fanartikelverkauf?
Auch sehr gut, obwohl wir in diesem Bereich im vergangenen Geschäftsjahr schon 32 Millionen Euro eingenommen haben. Zum Vergleich: Als ich vor achteinhalb Jahren mein Amt übernahm, waren es 3,5 Millionen.

Der FC Bayern München macht ­allerdings satte 50 Millionen Euro Jahresumsatz im Merchandising.
Na bitte, da steckt also auch für uns noch Potenzial drin!

Wie kam der steile Wachstumstrend beim BVB zustande?
Durch den sportlichen Erfolg, das kann ich nur immer wieder betonen. Damals haben wir 35.000 Trikots im Jahr verkauft, in der vergangenen Saison waren es 350.000.

Eine lukrative Geldquelle ist auch das Catering. Wenn alle paar Tage 80.000 Fans in Ihrem Stadion sind, verspeisen die schließlich auch ein paar knackige Bockwürste.
Nicht nur die. Meine Vorgänger hatten das Catering im Jahr 2003 für zwölf Jahre an eine Firma vergeben. Ab 2015 erledigen wir das wieder in Eigenregie, weil dann wesentlich mehr Ertrag für uns möglich ist. Es könnte übrigens auch sein, dass wir mittelfristig die komplette Vermarktung des BVB ohne Agentur machen. Dadurch würden wir erhebliche Provisionen sparen. Es gibt also noch viele Stellschrauben.

Können Sie Bilanzverluste ausschließen für die nächsten Jahre?
Ich würde nie etwas ausschließen, aber sie sind unwahrscheinlich.

Auch wenn der sportliche Erfolg komplett ausfallen würde?
Wenn das in einer Saison mal passiert, könnten wir schnell die Kosten anpassen. Mit einem einzigen Spieler­transfer wäre die finanzielle Bilanz übrigens schnell positiv.

Manche Analysten erwarten Vorsteuer-Gewinnmargen von um die 15 Prozent bei Borussia Dortmund. Ist das realistisch?
Im abgelaufenen Geschäftsjahr hätten sie damit untertrieben. Aber mit Blick in die Zukunft halte ich die Zahl für zu hoch. So eine Marge kannst du nur durch den Verkauf eines oder mehrerer Topspieler erreichen. Bei einem Industrieunternehmen wären das die besten Maschinen. Da würde doch jeder Analyst den Kopf schütteln.

Sind Sie mit Ihren Aktien im Plus?
Ich habe anlässlich des Börsengangs 5.000 Aktien für elf Euro gekauft, um meiner Verbundenheit zum BVB Ausdruck zu verleihen. Da ich günstiger nachgekauft habe, nähere ich mich nun langsam der Gewinnzone.

Im April 2012, damals notierte die BVB-Aktie bei rund 2,50 Euro, ­haben Sie BVB-Anteilseigner und Bayern-München-Präsident Uli Hoeneß empfohlen, Aktien nachzukaufen. Wollen Sie das beim aktuellen Kurs von rund 3,50 Euro noch einmal tun?
Ich gebe Uli Hoeneß jetzt und hier ganz sicher keine Aktientipps. Aber wenn er damals nachgekauft haben sollte, fände ich es gut, wenn er mir mal eine schöne Flasche Wein schicken würde. 

zur Person:

Kaufmann der
Spitzenklasse

Hans-Joachim Watzke wurde am 21. Juni 1959 in Marsberg/Sauerland geboren. Bis der Diplom-Kaufmann 2005 zum Geschäftsführer von ­Borussia Dortmund berufen wurde, führte er die von ihm gegründete Watex Schutz-Bekleidungs GmbH, die Arbeitsschutz- und Feuerwehrkleidung herstellt. Nach seinem Amtsantritt retteten er und sein Team den verschuldeten BVB vor der Pleite. Sein Managementstil hat ermöglicht, dass der BVB heute finanziell und sportlich wieder zur europäischen Spitzenklasse im Fußball gehört.

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