Euro am Sonntag-Interview

Grenke-Chef: "Wir sind das älteste Fintech Deutschlands"

04.04.18 08:00 Uhr

Grenke-Chef: "Wir sind das älteste Fintech Deutschlands" | finanzen.net
Wolfgang Grenke

Der Gründer des Finanzdienstleisters Grenke hat sich als Vorstandschef zurückgezogen. Nun spricht er über seine Zukunft sowie über neue Aufgaben innerhalb und außerhalb des Konzerns.

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von Gerhard Bläske, €uro am Sonntag

Nomen est omen. Neuer Markt 2 lautet die Adresse des Unternehmens im Neubaugebiet nahe des Baden-Badener Bahnhofs. Im einstigen Wachstumssegment der Deutschen Börse begann das Börsenabenteuer des Unternehmens, das eine der wenigen Erfolgsgeschichten dieser Zeit der Börsen­hysterie schrieb.

€uro am Sonntag: Herr Grenke, Sie legten Ende Februar Ihr Mandat als Vorstandsvorsitzender nieder. Was ist das für ein Gefühl, wenn man bei dem Unternehmen, das man gegründet hat, jetzt die Zügel loslässt?
Wolfgang Grenke: Das ist ein normaler Vorgang. Ich habe mich schon in den letzten Jahren stärker aus der operativen Führung zurückgezogen und mich in erster Linie um strategische Fragen gekümmert. Und ich habe auch meine Bereitschaft signalisiert, in den Aufsichtsrat zu wechseln.

Als Vorsitzender?
Nein, den Vorsitz peile ich nicht an.

Warum treten Sie gerade jetzt ab?
Eigentlich wollte ich diesen Schritt schon früher vollziehen, um mir einen Wunschtraum zu erfüllen: eine Weltumsegelung. Aber je näher dieser Zeitpunkt kam, desto weniger wollte ich es. Ich finde im Mittelmeer immer noch Ecken, in denen ich nicht war. Außerdem ist es dort sicherer.

Sie haben schon vor Jahren Antje Leminsky in Ihr Unternehmen ­geholt und zur Nachfolgerin auf­gebaut. Warum gerade sie?
Weil sie selbst einen Hintergrund als Eigentümerin eines Unternehmens hat, weil sie Know-how aus den Bereichen Buchhaltung und Abschluss mitbringt, sich mit Start-ups auskennt und weil sie eine IT-Expertin ist. Das alles passt zu uns. Wir sind schließlich das älteste Fintech Deutschlands. Außerdem hat sie mehrere gute Vorstandskollegen. Einer von ihnen hat Anfang der 90er-Jahre sogar seine Diplomarbeit bei uns gemacht.

Sie haben drei Söhne, einer von ­ihnen arbeitet bei Grenke. Warum nicht er?
Wir haben schon darüber gesprochen. Er ist heute im Controlling und hat da viel vor. Alles andere ist für ihn in den nächsten Jahren kein Thema. Aber natürlich kann es mal ein Thema werden. Wer weiß? Die beiden anderen Söhne machen andere Dinge. Einer strebt wohl in die Wissenschaft, der andere berät Start-ups.

Sie selbst ziehen sich ja auch nicht vollständig zurück. Außer dem Mandat als Aufsichtsrat, das Sie anstreben, sind Sie Präsident des Industrie- und Handelskammertages in Baden-Württemberg (BWIHK). Welche Anliegen sind Ihnen besonders wichtig?
Ich bin auch noch Vizepräsident von Eurochambres und kümmere mich um viele Themen im deutsch-französischen Verhältnis. Wir sind ja nur 15 Kilometer vom Elsass entfernt. Da geht es um Fragen wie den unzureichenden grenzüberschreitenden Nahverkehr, die trinationale Metropolregion Oberrhein mit Nordwest-­Schweiz, Elsass und Baden, um den Flughafen Straßburg, der seit der Eröffnung der neuen TGV-Linie zwischen Straßburg und Paris große Probleme hat, aber auch um grenzüberschreitende Ausbildung. Da wäre mehr möglich.

Und im BWIHK?
Auch da ist mir Europa ein besonderes Anliegen. Da gibt es noch viele praktische Hindernisse, die den grenzüberschreitenden Austausch erschweren, etwa bei der Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland. Wenn wir solche Fragen nicht lösen, erlahmt die Begeisterung für Europa. Und das gefährdet langfristig sogar den Frieden. Da müssen wir als IHK ein kraftvolles Wort sprechen. Und deshalb bin ich auch für die Zwangsmitgliedschaft.

Gibt es andere Punkte, die Ihnen am Herzen liegen?
Ja, ich will die Arbeit dort stärker entpolitisieren. Wir brauchen eine stärkere Ausrichtung auf schnelle Datenleitungen und Digitalisierung. Da sind die Ansätze der Großen Koalition schon richtig. Wir brauchen höhere Übertragungsgeschwindigkeiten. Ein großes Thema für mich ist auch die hohe Besteuerung der Personengesellschaften, die gegenüber Kapitalgesellschaften benachteiligt sind. Das muss sich ändern. Denn diese Unternehmen stellen das Rückgrat der Wirtschaft dar. In Personengesellschaften trägt man ja auch persönliche Risiken.

Grenke hat einst als Start-up begonnen. Wird genug getan, um Unternehmensgründungen zu fördern?
Wir brauchen keinen Kindergarten für Unternehmen. Aber richtig ist: Am Anfang ist es besonders schwierig. Der amerikanische Ansatz, dass Investoren mit viel Eigenkapital einsteigen und dann im Erfolgsfall ­einen schnellen Exit suchen, ist da sinnvoll, wo die technische Entwicklung schnell voranschreitet. Hier in Deutschland sind die Brüche in der Regel nicht so schnell.

Und warum ist das US-Modell bei Start-ups nicht auf Deutschland übertragbar?
Es ist höchstens sektoriell übertragbar. Die meisten Start-ups sind nicht im Hightech-Sektor tätig. Viele Gründer bieten einfache Dienstleistungen an. Manche Gründung erfolgt aus der Arbeitslosigkeit heraus. In der Vergangenheit handelte es sich auch oft um Cafés und Kneipen. Da helfen solche Ansätze gar nicht.

Die Zahl der Gründungen geht ja ­zurück. Wie wichtig ist die persön­liche Prägung für Gründer? Ihre ­Eltern hatten einen Lebensmittel­laden.
Na ja, das ist schon prägend. Bei mir zu Hause hat man nie zu einer bestimmten Uhrzeit den Griffel fallen lassen können. Ich habe während meines Studiums zunächst nebenher gearbeitet, um es zu finanzieren, als Taxifahrer zum Beispiel. Zum Leasing kam ich eher zufällig über einen Job, den mir mein Schwager angeboten hatte. Irgendwann lief es dann so gut, dass das Studium in den Hintergrund geriet und ich es irgendwann abbrach. Ich konnte meine Sparkasse überzeugen, die Expansion zu finanzieren.

Als Präsident des BWIHK haben Sie sich auch mit der Nachfolgethematik bei vielen Mittelständlern ­befasst. Nicht überall ist das so gut ­gelöst wie bei Ihnen.
Ja, in mehr als der Hälfte der Unternehmen sind die Chefs über 50. Wir als Kammern wollen auf diesem Gebiet unsere Beratungskompetenz stärken und beraten die Kammermitglieder kostenlos. Das ist noch zu wenig bekannt.

Sie wollen nach dem Rücktritt als CEO ein aktiver Aufsichtsrat sein. Was heißt das?
Ich selbst habe im Laufe meiner Tätigkeit eine Reihe von Controlling-­Tools aufgebaut. Bei Grenke müssen die Daten nicht aus verschiedenen Unternehmen und Systemen zusammengeführt werden, sondern sind zentral verfügbar. Sie ermög­lichen Vorstand und Aufsichtsrat die Entwicklung von Neugeschäft, Profitabilität und Schadensverlauf zu verfolgen. Das schaue ich mir weiter an und werde mich auch dazu äußern.

Da spricht der Statistikexperte.
Ich habe immer darauf geachtet, möglichst viele Grunddaten zu ­haben. Wir haben derzeit etwa 670 000 laufende Leasingverträge in 31 Ländern. Da gibt es vieles, was in jedem Land gleich ist, und manches, was unterschiedlich ist. Auch die Unterschiede berücksichtigen wir in unseren Kalkulationsmodellen. In Italien beispielsweise hat es Jahre gedauert, bis sich unser Geschäft richtig entwickelt hat. Heute haben wir da mehr Neugeschäft als in Deutschland.

Was sind die Herausforderungen für Grenke in den nächsten Jahren?
Blockchain-Technologien, Instant-­Payment-Lösungen und generell die Digitalisierung, in der wir stecken. Da sind wir aber mittendrin. Aktuell sind ein Viertel unserer Verträge elektronisch - ohne Papier. In Italien ist der Anteil noch höher. Wissen Sie warum? Weil dort die Post so langsam ist. Zwischen der Unterschrift und dem Auslauf des Vertrags fassen wir schon seit 20 Jahren kein Papier mehr an - außer es tritt eine Störung auf. Auch da liefert etwa die künstliche Intelligenz zukünftig Hilfsmittel. Ebenfalls die Blockchain-Technologie beim Prüfprozess.

Sie bauen auch das Factoring-­Geschäft aus?
Ja, derzeit sind Deutschland und die Schweiz unsere größten Märkte. Gerade bauen wir das Geschäftsmodell in Italien auf und wollen in Portugal Fuß fassen. Dafür brauchen wir eine Bank. Die haben wir ja mit der Grenke-Bank im Haus.

Sie gehen jetzt aber auch in andere Bereiche: Medizingeräte. Warum? Verzetteln Sie sich da nicht?
Im Bereich Tiermedizin hatten wir schon lange Geräte. Nun haben wir eine Firma übernommen, die medizintechnische Geräte verleast. Dort war einer meiner früheren Mitarbeiter Geschäftsführer und ist an mich herangetreten. Da geht es etwa um Zahnarztstühle, Operationsroboter und Ähnliches. Das durchschnittliche Vertragsvolumen ist mit etwa 20 000 Euro höher als bei unseren anderen Leasingverträgen mit 8700 Euro. Aber die Profitabilität ist vergleichbar und dieses Geschäft steuert schon acht Prozent zum ­Umsatz bei.

Sie verleasen neuerdings auch ­andere Maschinen. Welche?
Das ist ein B-to-B-Geschäft. Es geht etwa um professionelle Reinigungsmaschinen von Kärcher oder um Industrieroboter. Das sind kleine Tickets. Das ist aber auch irgendwie IT, weil heute überall IT drin ist. Insofern ist das in gewisser Weise auch klassisches Geschäft für uns.

Können Sie Ihre hohen Wachstumsraten fortsetzen?
Wir peilen für 2018 eine Wachstumsrate von 16 bis 20 Prozent an. Auch der Nettogewinn sollte in ähnlicher Weise steigen. Wir wären aber auch nicht unglücklich, wenn es mehr wäre.

Gibt es Pläne, in die USA zu gehen?
Wir sehen den US-Markt durchaus als eine mögliche Option für die ­Zukunft auch wegen der verbesserten steuerlichen Rahmenbedingungen. Im benachbarten Kanada sind wir jedenfalls schon erfolgreich ­unterwegs.

Denken Sie an eine weitere Aus­weitung Ihres Geschäfts durch neue Aktivitäten?
Ja, sicher. Neben der Zusammen­arbeit über Händler sprechen wir Kunden auch direkt an. Denn Kunden ab fünf Mitarbeitern brauchen öfter mal einen neuen Computer oder Drucker. Denen bieten wir elektronisch abrufbare Leasingrahmenverträge im Volumen ab 50 000 Euro an. Die Kunden können jeweils bei Bedarf innerhalb des vereinbarten Volumens schnell darauf zugreifen. Die Einzelverträge haben dann weiter das übliche Volumen. Wir können ihnen aufgrund unserer Kostenführerschaft Kleingeräte günstiger anbieten als andere.

Weil Sie viele Aufgaben zentralisiert und vereinheitlicht haben?
Ja, genau, wir sind deshalb Kostenführer. Unsere Cost-Income-Ratio liegt bei rund 50 Prozent. Gleich­zeitig haben wir über unsere 132 ­Niederlassungen den persönlichen Kontakt zu den Kunden. Der persönliche Aspekt ist sehr wichtig. Unsere Mitarbeiter dort haben eigene Entscheidungskompetenzen.

Daneben sind Sie an Programmen auf Landes- oder Bundesebene ­beteiligt?
Wir haben die Ausschreibung des Bundes für ein Mikrokreditprogramm gewonnen. Das Verfahren der Bonitätsprüfung dazu hat mein ältester Sohn entwickelt. Da geht es darum, Menschen, die keine Sicherheiten bieten können und kein Vermögen haben, etwa Menschen mit Migrationshintergrund, kleine Darlehen zu geben. Bei verschiedenen Förderprogrammen für Start-ups haben wir Hausbankfunktion.

Die Grenke-Bank sollte ja für Sie ­ursprünglich auch eine wichtige Refinanzierungsquelle sein. Das ist angesichts der niedrigen Zinsen ja anders gekommen.
Ja, sie sollte neben ABS-Programmen und Anleihen gleichermaßen zu unserer Finanzierung beitragen. Heute finanzieren wir uns zu 60 Prozent über Anleihen und zu jeweils 20 Prozent durch die beiden anderen Quellen. Die Zinsen bei Anleihen sind gegenwärtig besonders niedrig und somit für uns sehr günstig. Die Bank hilft uns aber mit ihrer europäischen Lizenz bei der Entwicklung des Auslandsgeschäfts.

Die Aktie hat sich ja auch nach dem Aktiensplit 2017 sehr gut entwickelt. Rechnen Sie mit einer baldigen Aufnahme in den MDAX?
Das war nie unser strategisches Ziel, hätte aber sicher Vorteile bei der Imagebildung für uns. Wenn wir einen Teil der Familienanteile auf den Markt würfen, wären wir wohl im MDAX. Aber da unsere Familiengesellschaft als Ankeraktionär 42,7 Prozent der Aktien hält und nicht verkaufen will, ändert sich nichts.

Sie haben das schon vor Jahren ­geregelt?
Ja. Meine drei Söhne haben jeweils 20 Prozent erhalten. Ich wollte, dass das Unternehmen in Familienbesitz bleibt. Es sollte vermieden werden, dass die Anteile gezielt aufgekauft oder das Unternehmen zerschlagen wird. Ich wollte nicht, dass mein Lebenswerk so endet, und mit dieser Struktur kann das Unternehmen ­ruhig arbeiten.

Kurzvita

Selfmademan
Bereits als Junge übernahm Wolfgang Grenke die Buchführung im elterlichen Lebensmittelladen: weil er so gut rechnen konnte. Später brach der inzwischen junge Mann sein Studium der Mathematik und Wirtschaft ab, weil das Leasinggeschäft, mit dem er es finanzieren wollte, so gut lief. Grenke hat das Geschäft mit knapp 67 Jahren nun in jüngere Hände gegeben. Der Vater von drei Söhnen lehnt sich jedoch nicht zurück. Er ist Präsident des Baden-­Württembergischen Industrie- und Handelskammertags, will sich in den Aufsichtsrat wählen ­lassen, bleibt großzügiger Förderer des Schachsports und ­betätigt sich als Mäzen seiner ­Heimatstadt Baden-Baden.

Die Aktie

Vorübergehend unter Druck
Die Einführung des neuen Rechnungslegungsstandards IFRS 9 zu Jahresbeginn hat signifikante Auswirkungen. Während bisher nur tatsächlich eingetretene Verluste bilanziert wurden, müssen Prognosen nun auch ­erwartete Verluste enthalten - bei Grenke (ISIN DE000A161N30) aus Leasingforderungen. Mit IFRS 9 rechnet Finanzvorstand Sebastian Hirsch für 2018 mit 123 bis 131 Millionen Euro Gewinn - ohne wären es 145 bis 153 Millionen Euro. Auf Grenkes Gesamtprofitabilität haben die Standards keine Auswirkungen. Kursschwäche deshalb zum Kauf nutzen.









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