Euro am Sonntag-Interview

Clariant-Chef Kottmann: "Ich bin doppelt so gut"

11.05.15 03:00 Uhr

Clariant-Chef Kottmann: "Ich bin doppelt so gut" | finanzen.net

Hariolf Kottmann, der Konzernchef von Clariant über die Widerstände beim Kulturwandel, sein Fünf-Millionen-Lohnpaket und die Auswirkungen des harten Franken.

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von A. Stühff und S. Barmettler, Euro am Sonntag

Seit 2008 leitet der Deutsche Hariolf Kottmann den Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant. Er rückte in wirtschaftlich sehr schwierigen Zeiten auf die Chefposition, der Konzern kämpfte damals noch infolge der Finanzkrise ums Überleben. Das hat sich auch dank Stellenabbau und Verkäufen geändert. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete Clariant rund sechs Milliarden Franken Umsatz. Der Betriebsgewinn lag bei 525 Millionen Franken.

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€uro am Sonntag: Hat es beim jüngsten Management-Meeting gerumpelt?
Hariolf Kottmann:
Wie kommen Sie darauf?

Gemäß unseren Quellen haben ­ Sie dem Top-Kader vorgeworfen, der Kulturwandel bei Clariant erfolge zu langsam, richtig?
Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, aber ich bin unzufrieden über die Langsamkeit dieses Wandels.

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Ihre Ambitionen waren zu hoch?
Vielleicht habe ich es falsch eingeschätzt, weil ich jemand bin, der Veränderungen offen gegenübersteht. Die Mehrzahl der Mitarbeiter im Unternehmen - vor allem in Europa - ist Veränderungen gegenüber wenig aufgeschlossen.

Es gibt viel zu tun. Clariant ist im Branchenvergleich mit 49 Konkurrenten braver Durchschnitt.
Wir haben es von Platz 43 auf Platz 28 geschafft - dank Kostensenkungen und Personalabbau. Ich sehe Clariant längerfristig im obersten Viertel der Branche.

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Ein langer Weg, den Sie mit Clariant vor sich haben.
Sie müssen sehen, woher wir kommen. Ein Großteil der Clariant-Belegschaft stammt aus den Firmen Hoechst, Süd-Chemie und Sandoz. Die Mitarbeiter aus diesen traditionsreichen Firmen hatten nie gelernt, eine Kundensegmentierung zu machen, den Wert des Produktes zu vermarkten oder zuerst mit dem Kunden zu reden, um zu erfahren, was der eigentlich von uns will. Die Branche war es gewohnt, ein neues Produkt zu kreieren und darauf zu hoffen, dass es jemand kauft. Bezüglich Kundennähe sind uns viele Konkurrenten voraus.

Wie wollen Sie das Tempo beschleunigen und die Kundennähe stärken?
Wir haben 2015 eine weitere Stufe gezündet, indem wir Kaderleute intensiv schulen. Diese Schulungen dehnen wir auf acht regionale Zen­tren aus. So hoffen wir, dass die Dynamik zunimmt.

Prinzip Hoffnung?
Nein. Wir werden auch systematisch alle Verkäufer des Unternehmens, die unsere Visitenkarte nach außen sind, in ein Assessment schicken. Wir wollen alle Schwächen und Stärken ihrer Persönlichkeit kennenlernen, um abschätzen zu können, ob sie den Kulturwandel mittragen ­können oder zu sehr in alten Handlungsweisen verhaftet sind. Trifft Letzteres zu, wird ihnen eine andere Aufgabe angeboten oder wir trennen uns.

Das heißt, Sie wechseln Leute aus?
In diesem Prozess stecken wir seit zwei Jahren.

Wie viele Mitarbeiter hat Clariant Ende 2015 noch? Derzeit sind es rund 17.000 weltweit.
Ich glaube nicht, dass wir bis Ende des Jahres signifikant darunter liegen werden. Wir haben jedenfalls kein großes Entlassungsprogramm geplant. Aber die Anzahl der Mitarbeiter in Deutschland oder in den USA wird kleiner. Dafür schaffen wir Jobs in Polen oder Indien.

Sie haben Clariant zwar vor dem Niedergang bewahrt, aber die Rentabilität ist noch nicht dort, wo sie sein sollte. Passt da Ihr Kompensationspaket von 5,4 Millionen Franken? Das ist das Doppelte des Branchen­mittels.
Ich bin auch doppelt so gut (lacht).

5,4 Millionen Franken - das ist ein Lohn aus der Finanzindustrie.
Ich erhalte ein Basisgehalt von ­1,2 Millionen Franken. Hinzu kommt eine variable Vergütung, die an die Erreichung langfristiger Unternehmensziele gekoppelt ist. Weil uns dies im vergangenen Jahr nicht im gewünschten Maße gelungen ist, ist dieser Anteil entsprechend gesunken.

Eines dieser Ziele ist eine Gewinnmarge von 16 bis 19 Prozent ab 2015. Dieses Ziel werden Sie verfehlen, richtig?
Es wäre tatsächlich sehr überraschend, wenn wir dieses Jahr über 16 Prozent kommen.

Sie liegen 2014 bei 14,2 Prozent.
Dafür gibt es viele Erklärungen. Durch die Wechselkursschwankungen in den Schwellenländern zum Beispiel verlieren wir jedes Jahr rund ein Prozent Gewinnmarge. Sonst wären wir immerhin schon bei über 15 Prozent.

Wann erreichen Sie die 16 Prozent?
Das weiß ich nicht.

Wie lange sollen sich Ihre Aktionäre noch gedulden?
Für den Moment sind wir mit dem Portfolio zufrieden, aber es ist richtig: Wir machen daraus noch zu wenig. Wir müssen jedes Jahr mehr neue Produkte mit einer höheren Wertschöpfung auf den Markt bringen.

Wie soll das geschehen?
Wir haben 300 Innovationsprojekte, die wir systematisch abhandeln. Meistens resultieren aus solchen Projekten mehrere Produkte. Bei den Top-20-Projekten rechnen wir mit der Markteinführung in den Jahren 2015 und 2016. Wir werden also pro Jahr fünf bis sieben neue Produkte auf den Markt bringen. Innerhalb eines Jahres rechnen wir mit ­einem Umsatz je Produkt in zweistelliger Millionenhöhe.

Geht Clariant dieses Jahr zusätzlich auf Einkaufstour?
Wir wollen vor allem organisch wachsen. Da wird sich zeigen, ob dies in diesem Umfeld möglich ist wie vergangenes Jahr. Und wir haben eine Liste von rund 20 Firmen, mit denen wir Gespräche führen. Das sind kleinere Unternehmen, welche zwischen zehn und 100 Millionen Franken kosten. Es gibt immer Geschäfte, die man gern hätte.

Zum Beispiel?
Electronic Chemicals, das wäre wunderbar. Das sind Chemikalien für die Elektronikindustrie, also beispielsweise zur Behandlung von Wafers oder zum Bedrucken von Leiterplatten. Dieses Geschäft musste Clariant 2004 leider verkaufen. Aber wir hätten es gern zurück.

Vielleicht wird stattdessen Clariant übernommen. Eine Option?
Dass wir auf dem Wunschzettel vieler Unternehmen stehen, lese ich überall. Gut so. Dann haben wir ja einiges richtig gemacht. Aber ich wäre sehr überrascht und auch bitter ­enttäuscht, wenn ein Konkurrent tatsächlich eine unfreundliche Übernahme starten würde. Denn die Branche weiß, dass wir nicht übernommen werden wollen.

Aber vielleicht hält sich ein Investor nicht an Ihre Vorstellungen?
Die chemische Industrie ist eine sehr konservative Industrie mit Leuten an der Spitze, die sich gegenseitig respektieren. Ich sehe die Kollegen mehrfach im Jahr, jeder spricht mit jedem über Optionen. Aber wenn ich klipp und klar Nein zu einer Übernahme sage, weil ich der Meinung bin, dass wir allein für Aktionäre mehr Wert schaffen können, dann ist der Respekt des anderen Unternehmens in der Regel so ausgeprägt, dass die Idee nicht weiterverfolgt wird.

Das hängt auch von Ihrem Ankeraktionär ab. Wie sicher sind Sie sich seiner?
Bei Clariant ist der Ankeraktionär der sogenannte Bayerische Zirkel. Das ist ein Verbund von sechs Familien, die rechtlich unabhängig voneinander arbeiten und befreundet sind. Dieser Zirkel war über Jahrzehnte Mehrheitsaktionär der Süd-Chemie. Aus diversen Gründen haben die Familien nach einer neuen Heimat für Süd-Chemie gesucht. Diese haben sie bei Clariant gefunden. Heute hält dieser Zirkel etwas über 15 Prozent der Aktien.

Das klingt zu romantisch.
Es ist so: Wir haben diesen Aktionären das Richtige geboten. Einen hohen Preis und die Möglichkeit, zwei Sitze im Verwaltungsrat einzunehmen. Wenn Sie so wollen, verspürt unser Ankeraktionär eine Dividenden-emotionale Anhänglichkeit.

Welche Folgen hat denn der starke Franken für Clariant?
Für uns hat die Aufhebung keine ­negativen Auswirkungen. Wir haben vier Prozent unserer Gesamtkosten in der Schweiz, das sind 250 Millionen Franken. Aber für die Schweizer Wirtschaft insgesamt werden die kommenden Jahre hart.

Was bringt Clariant der Standort Schweiz überhaupt? Die Firma macht vielmehr den Eindruck, ein deutsches Unternehmen zu sein.
Wir sind als Schweizer Firma ­entstanden und an der hiesigen Börse kotiert. Allerdings sind wir längst kein Schweizer Unternehmen mehr, sondern ein internationaler Konzern mit Sitz in der Schweiz. Wir haben ­17.000 Mitarbeiter, davon besitzen 241 einen Schweizer Pass. Die übrigen Mitarbeiter kommen aus 90 Nationen, nicht nur aus Deutschland.

Der Chefchemiker
Hariolf Kottmann hat an der Universität Stuttgart Chemie studiert und dort 1984 in Organischer Chemie promoviert. Er startete seine Karriere 1985 bei Hoechst in Frankfurt. 1998 wechselte er als Chef der Division Organic Chemicals zu Celanese in New Jersey, USA. Drei Jahre später wechselte er in die Konzernleitung von SGL Carbon. Im Oktober 2008 startete er als neuer CEO beim Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant. Der 59-Jährige ist verheiratet, hat einen erwachsenen Sohn und lebt im Kanton Zürich.

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Bildquellen: Clariant, Marek Vogel/Clariant

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Analysen zu Clariant AG (N)

DatumRatingAnalyst
30.09.2022Clariant OutperformCredit Suisse Group
14.07.2022Clariant SellUBS AG
16.06.2022Clariant HoldDeutsche Bank AG
16.06.2022Clariant NeutralJP Morgan Chase & Co.
15.06.2022Clariant NeutralUBS AG
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30.09.2022Clariant OutperformCredit Suisse Group
23.03.2022Clariant BuyGoldman Sachs Group Inc.
02.02.2022Clariant BuyBaader Bank
02.02.2022Clariant BuyBaader Bank
17.11.2021Clariant BuyBaader Bank
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16.06.2022Clariant HoldDeutsche Bank AG
16.06.2022Clariant NeutralJP Morgan Chase & Co.
15.06.2022Clariant NeutralUBS AG
15.02.2022Clariant HoldJefferies & Company Inc.
18.01.2022Clariant NeutralUBS AG
DatumRatingAnalyst
14.07.2022Clariant SellUBS AG
02.11.2021Clariant UnderweightJP Morgan Chase & Co.
28.10.2021Clariant UnderweightJP Morgan Chase & Co.
27.08.2021Clariant UnderweightJP Morgan Chase & Co.
29.07.2021Clariant UnderweightJP Morgan Chase & Co.

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