Euro am Sonntag-Interview

BMW-Vorstand Schwarzenbauer: "Nicht schwarz malen"

20.06.16 03:00 Uhr

BMW-Vorstand Schwarzenbauer: "Nicht schwarz malen" | finanzen.net

Der BMW-Vorstand über die Unternehmenskultur deutscher Premium-Autobauer, den Wettbewerb mit Uber im Sharing-Markt und dieverborgenen Schwächen des US-Elektropioniers Tesla.

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von S. Bauer, P. Gewalt, S. Gusbeth und J. Spiering, Euro am Sonntag

Der Mann ist viel beschäftigt in diesen Tagen. Peter Schwarzenbauer, bei BMW für neue Mobilitätskonzepte zuständig, muss mit der ­Konkurrenz mithalten. Während Daimler-Chef Dieter Zetsche in Berlin mit Travis Kalanick, dem Gründer des Taxi-Schrecks Uber, über die Zukunft der Branche diskutiert, stellt sich Schwarzenbauer kritischen Fragen. Es gibt schließlich Erklärungsbedarf. Die heile Welt der Automobilhersteller ist gründlich durcheinandergeraten: Dieselskandal und das stotternde Wachstum in China vermiesen den Managern die Laune. Die jüngere Generation interessiert sich vornehmlich für Smartphones oder findet vor allem Elektro­pioniere wie Tesla cool. Allerorten schießen Onlineplattformen wie Uber ins Kraut, die das klassische Geschäftsmodell bedrohen: Autos verkaufen. BMW-Vorstand Schwarzenbauer stand der Redaktion von €uro am Sonntag bei einem Besuch ausgiebig Rede und Antwort.



€uro am Sonntag: Herr Schwarzenbauer, Sie sind Mitte 50. Für einen Großteil Ihrer Altersgenossen ist ein eigenes Auto selbstverständlich. Jüngere ticken da anders, der fahrbare Untersatz gilt vielen als verzichtbar. Wie stellen Sie sich auf diesen Wandel ein?
Peter Schwarzenbauer: Wir führen bei der BMW Group eine intensive Strategiediskussion. Uns geht es darum, eine konkrete Vorstellung zu entwickeln, wie die Mobilität im Jahr 2025 und danach aussehen könnte. Menschen, die auf dem Land wohnen, brauchen zwar weiterhin Autos, um irgendwo hinzukommen. Aber im urbanen Umfeld gibt es große Veränderungen. Wir müssen hier die Chancen sehen, anstatt schwarzzumalen.

Wie sieht Ihr Mobilitätsszenario für den Städter im Jahr 2025 aus?
Wir haben alle möglichen Fahrten analysiert, auch den Wochenendausflug oder die Urlaubsfahrt. Die gefahrenen Strecken sind kürzer, als wir dachten. Die Parkplatzsuche macht allein etwa ein Drittel des Stadtverkehrs aus. Das wichtigste Ergebnis aber ist: Durch Sharing, die minutenweise Miete, kann ein großer Teil dieser Mobilitätsbedürfnisse abgedeckt werden.

Schafft sich der Autohersteller BMW also selbst ab?
Überhaupt nicht. Der Mobilitätsmarkt wächst, die Zahl der weltweit gefahrenen Kilometer bis 2025 nimmt stark zu. In Ländern wie China, Brasilien oder Indien gibt es eine besonders rasch wachsende Nachfrage. Und solange das Mobilitätsbedürfnis weltweit steigt, solange wächst der Markt für die BMW Group. Nur ein Beispiel: Ein Unternehmen, das 1,5 Prozent Marktanteil an den heute weltweit insgesamt gefahrenen Kilometern erreichen würde und 1,50 Dollar pro Minute bekäme, läge nach Umsatz auf ­Niveau der Größten der Branche.

Will die aufstrebende Familie in China nicht erst mal ein eigenes Auto, auch um es den Nachbarn zu zeigen?
Grundsätzlich ja. Doch die Beschränkungen in den Großstädten Chinas werden immer schärfer. In Peking brauchen Sie rein statistisch hundert Jahre, bis Sie eine Zulassung zugelost bekommen. Aber auch hier gilt: Die Grenzen zwischen der alten und der neuen Mobilitätswelt sind fließend, auch für Sharing gibt es einen großen Markt.

Ist BMW in zehn Jahren mehr Autoverkäufer oder mehr Vermieter?
Beides. Wie groß diese Anteile sein werden, lässt sich nicht seriös vorhersagen. Gut möglich, dass wir ­irgendwann weniger Autos verkaufen, aber dafür mehr vermieten. Das heißt aber nicht, dass das Geschäft kleiner wird. Unser Umsatz wird nach meiner Überzeugung in der neuen Mobilitätswelt wachsen.

Laut Uber-Gründer Travis Kalanick lohnt sich der Dienst für alle, die weniger als 10 000 Kilometer im Jahr fahren. Kalanick will die Schwelle auf 15 000 Kilometer ­bringen. Das klingt schon nach Bedrohung, oder?
Damit unser Markt nicht wegbricht, kümmern wir uns heute um diese Themen. Uber ist eine aggressiv wachsende Plattform. Deren Vor­gehensweise ist aber nicht unsere. Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken, auf den Premiumaspekt. In Seattle etwa bieten wir Bring- und Holdienste für Sharingkunden an. Für die Fahrt zum Flughafen wird ­Ihnen dort Ihr Auto vor die Haustür ­gestellt. Wir bieten günstige Wochenend- und Firmentarife. Unser Angebot ist viel breiter als das von Uber.

Was wissen Sie über Ihre Kunden bei DriveNow?
Das ist ganz klar ein Generationenthema. Der Kunde ist im Schnitt 32 Jahre alt und wohnt in der Stadt. Er verlässt DriveNow oft im Alter von 37 bis 38 Jahren, wenn er Familie und Kinder hat und sich ein eigenes Auto zulegt - bestenfalls einen BMW oder Mini. Dann nutzt er Drive­Now aber möglicherweise noch anstelle des Zweitwagens oder auf Reisen. Wir sehen, dass dann ab 50 das Interesse an Carsharing aufgrund der Lebensumstände wieder steigt. Wir wissen auch, dass ein Sharingfahrzeug in den Städten sieben bis acht meist ältere Autos ersetzt.

Gibt es außer der Landbevölkerung und den Familien weitere Wachstumsbremsen für die neue Art der Mobilität?
Das Parkplatzangebot in den Städten. Wir sind beim Carsharing auf Parklizenzen an der Straße angewiesen. In San Francisco beispielsweise wurden uns nur Plätze in Parkhäusern angeboten, deshalb haben wir uns dort zurückgezogen. Die Leute wollen nicht ins Parkhaus laufen, um ein Auto zu bekommen. Das funktioniert nicht.

Welche Szenarien ergeben sich denn, wenn man selbstfahrende Autos in diese Konzepte einbindet?
Mit Roboterautos wird es voll­kommen neue Geschäftsmodelle geben. Gut möglich, dass man mit einem selbstfahrenden Auto, das im ­Sharingbetrieb läuft, deutlich mehr Geld im Monat verdienen kann als mit dem derzeit üblichen Leasingmodell im Autohandel.

Ihre Sparte BMWi hat mit Milliardenaufwand Elektroautos entwickelt, bislang mäßig erfolgreich. Kann das Sharing auch den schleppenden Absatz des i3 ankurbeln?
Allein in Deutschland haben rund 150 000 Kunden ihre erste elektrische Fahrt bei DriveNow absolviert. Der BMW i3 war die mutigste Entscheidung der jüngsten Jahrzehnte in der Branche. Das sage ich als jemand, der diesen Schritt an anderer Stelle (bei Audi, die Redaktion) verfolgt hat. BMW war die einzige Firma, die an Elektromobilität wirklich geglaubt und ihr Konzept konsequent umgesetzt hat. Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass sich der Markt für Elektrofahrzeuge schneller entwickelt und wir mehr i3 verkaufen. Aber fast 50 000 Stück seit Marktstart 2013 sind angesichts immer noch unzureichender Lade-Infrastruktur doch ganz gut.

Fahrzeuge der amerikanischen Tesla haben einen bedeutend größeren Radius und verkaufen sich offenbar deutlich besser ...
Weil die Amerikaner als Start-up auch ein viel höheres Risiko eingehen, beispielsweise beim sicheren Einsatz von Batterien. Wir als etablierter Hersteller können uns dabei keine Risiken leisten. Die geringere Reichweite des i3 ist auch der Preis für eine höhere Sicherheit.

Auch BMW könnte Stromer bauen, die so weit kommen wie die der Kalifornier?
Technisch ist das kein Problem. In der zweiten Jahreshälfte 2016 werden wir ein weiteres i3-Modell mit einer um 50 Prozent vergrößerten Batteriekapazität auf den Markt bringen. Tesla hat dazu beigetragen, die emotionale Begehrlichkeit von Elektrofahrzeugen zu fördern. Das ist es auch, was unsere Produkte gemeinsam haben: Dass sie die Sinne der Menschen ansprechen, nicht nur den Kopf.

Ihre Entwicklung soll sich künftig vor allem um das selbstfahrende Auto kümmern. Ist das ein Schritt weg von der Elektromobilität?
Nein. Das Team wird sich stärker auf teil- und hochautomatisiertes Fahren konzentrieren und die Marke BMWi entsprechend weiterentwickeln. Es geht um eine Erweiterung der Aufgaben. Wir machen hier beides, elektrisches und autonomes Fahren. Das nächste vollelektrische Fahrzeug von BMW, der iNext, wird hochvernetzt sein und automatisiertes Fahren wird ein Schwerpunkt.

Der iNext soll aber erst 2021 kommen. Teslas Model 3 ist bereits für Ende 2017 angekündigt und zielt auf die automobile Mittelklasse - und damit auch auf den BMW 3er und Ihr Kerngeschäft. Ist das denn keine Bedrohung?
Wir begrüßen jeden Neuzugang, der mithilft, die Elektromobilität weiter nach vorn zu bringen. Bislang sind das Ankündigungen, meist kamen die Modelle dann doch etwas später. Der Punkt ist aber, dass auch Tesla sich bald nicht mehr wie ein Start-up benehmen kann. Als etablierter Hersteller muss man auch Versprechen wie die lebenslange Garantie auf Batterien in der Praxis umsetzen.

Tesla ist quasi über Nacht in die ­Industrie geprescht. In China gibt ­ es eine ganze Schar weiterer Herausforderer für die etablierten ­Hersteller. Kommen die Angriffe künftig aus Asien?
Es gibt in China mindestens zehn ernst zu nehmende Neugründungen, die rein auf Elektroautos abzielen. Auch interessierte, finanzstarke Investoren wie Alibaba, Baidu oder Tencent sind vorhanden. Die Umweltprobleme sind riesig, die Behörden haben enormen Einfluss und entscheiden schnell. Peking könnte etwa über Nacht beschließen, in Städten nur noch elektrische Neufahrzeuge zuzulassen. Das ist gut möglich, wenn die chinesische ­Industrie erst mal E-Fahrzeuge in großem Umfang liefern kann. In China werden wir Elektromobilität im großen Stil als Erstes sehen, davon bin ich überzeugt.

Welchen Vorsprung haben Automobilkonzerne wie BMW?
Wir verfügen über viel Erfahrung, was Qualität, Komfort, Sicherheit oder eine effiziente Produktion betrifft. Aber zweifellos ist ein Auto mit E-Antrieb weniger komplex als eines mit Verbrennungsmotor. Deshalb sind die Chancen für Neueinsteiger viel größer als früher.

Sie haben bei BMW ihre Karriere ­gestartet, sind danach zu Porsche gewechselt, haben später auch bei Audi gearbeitet. Wo sehen Sie Unterschiede in Kultur und Anpassungsfähigkeit der Premiumhersteller?
Als ich nach vielen Jahren zur BMW Group zurückgekommen bin, habe ich festgestellt, dass sich die Kultur kaum verändert hat. Viele Abläufe habe ich wiedererkannt. Ich schätze bei BMW, dass das Unternehmen strategisch auf Langfristigkeit ausgerichtet ist. Das liegt auch an der ­stabilen Eigentümerstruktur. Der Haupteigentümer denkt mehr an die Interessen der nächsten Generation als an den Börsenkurs im kommenden Quartal. Das hilft unglaublich bei Themen wie der Mobilität der ­Zukunft und ist auch nicht selbst­verständlich.

Stichwort Dieselskandal: VW wird hierdurch selbst verschuldet belastet. Doch jetzt muss die gesamte ­Autobranche damit rechnen, dass die Umweltvorschriften schärfer werden. Finden Sie das unfair?
Der Dieselskandal hat Folgen für die gesamte Branche. Es gibt aber keinen Grund, den Technologiestandort Deutschland und seine Schlüssel­industrie insgesamt infrage zu stellen. Ein Generalverdacht ist fehl am Platz. Die Automobilbranche hat anspruchsvolle Aufgaben vor sich wie die Digitalisierung und die Entwicklung alternativer Antriebsformen wie der Elektromobilität. Eines ist klar: Nur mit dem Vertrauen von Kunden und Öffentlichkeit werden wir in diese Zukunftsthemen investieren können und ganz vorn mit ­dabei sein.

BMW kommt auf eine ausgesprochen hohe Dieselquote - werden Sie hier gegensteuern?
Bei BMW lag der Anteil der verkauften Fahrzeuge mit Dieselantrieb im vergangenen Jahr weltweit bei 38 Prozent, in Deutschland bei 70 Prozent. Die bisher erreichten Fortschritte bei der CO2-Reduktion in Europa sind überwiegend dem Einsatz der Dieseltechnologie zu verdanken. Künftige Anforderungen ohne Dieselantriebe zu erreichen, ist undenkbar.

Es sei denn, Elektroautos werden ein Verkaufsschlager. Sehen Sie Anzeichen, dass die deutsche Elektroprämie die Bestellungen treibt?
Wir haben schon deutlich mehr ­Kundenanfragen beim i3. Mit dem gemeinsamen Förderprogramm ­haben wir nun die richtigen Voraussetzungen geschaffen, damit Elektromobilität auch in Deutschland zum Erfolg wird. Es gibt weltweit kein Land, in dem Elektromobilität ohne staatliche Förderung erfolgreich im Markt gestartet ist. Nach ­unseren Beobachtungen hebt die Nachfrage regelrecht ab, sobald es Kaufanreize gibt. Das ­sehen wir in Kalifornien, Oslo oder Amsterdam.

Kurzvita

Peter Schwarzenbauer
Der Diplom-Betriebswirt startete seine Karriere nach dem Studium in Vertrieb und Marketing beim Münchner Autokonzern BMW. Nach mehreren Stationen bei Porsche, darunter Spanien und die USA, wechselte Schwarzenbauer 2008 zu Audi, wo er als Vertriebsvorstand arbeitete. Seit April 2013 ist der gebürtige Mittelfranke wieder bei BMW in München. Der 56-jährige Vater eines Sohnes ist im Konzernvorstand für die Automarken Mini und Rolls-Royce sowie das Geschäft der BMW Motorrad zuständig und betreut strategisch das Thema neue Mobilitätskonzepte.

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Bildquellen: BMW Group

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