Bankchef Philippe Oddo: "Deutsche haben viel auf der hohen Kante"
Der französische Vorstandschef von Oddo BHF, Philippe Oddo, erklärt, warum die Expansion nach Deutschland ein Erfolgsrezept ist und wie er hier angreifen will.
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von Birgit Haas, €uro am Sonntag
Die Privatbank Oddo kümmert sich seit 1849 um wohlhabende Unternehmer in Frankreich. Daran änderte sich lange nichts. Nicht, als der 28-jährige Philippe Oddo 1984 in fünfter Generation ins Unternehmen kam. Auch nicht, als er 1987 mit seinem Bruder die Geschicke der Bank in die Hände nahm. Auch nicht, als er 1995 alleiniger Leiter wurde und das auf Aktienanlage ausgerichtete Haus durch die Finanzkrise manövrierte. Dann aber expandierte er - nach Deutschland.
Besser gesagt: Oddo startete eine wahre Shoppingtour. 2014 übernahm der heute 58-Jährige den auf mittelgroße und kleine Unternehmen spezialisierten Broker Close Brothers Seydler für 46 Millionen Euro. Bis dato war das der größte Zukauf der Firmengeschichte der Bank. 2015 folgte mit der Übernahme des Fondshauses Meriten der zweite Streich. Über den Kaufpreis herrscht Stillschweigen.
Aber er dürfte deutlich unter dem gelegen haben, was Oddo für die angeschlagene BHF-Bank Ende 2015 auf den Tisch legte: 725 Millionen Euro. Zuvor hatte der französische Banker, der zu den 200 reichsten Menschen Frankreichs zählt, den chinesischen Investor Fosun in einem monatelangen Bieterwettstreit ausgestochen. Möglich gemacht hat das eine Kapitalerhöhung. Die Eigentümerfamilie hält zurzeit 60 Prozent der Firmenanteile, weitere 30 Prozent gehören den Mitarbeitern. Wer in Oddos Unternehmen mitarbeitet, ist nicht einfach Angestellter. Er wird über eine Beteiligung Teil der Bank.
Das ist Oddo wichtig. Die deutschen Häuser hat er auch nicht übernommen, um sie unter ihren Markennamen weiterzuführen. Oddo formt einen grenzüberschreitenden deutsch-französischen Konzern und wirbelt damit die hiesige Bankenlandschaft auf. Rücken Deutschland und Frankreich in Wirtschaft und Politik enger zusammen, könnten sie die Welt verändern, glaubt Oddo. Das treibt ihn an.
€uro am Sonntag: Als junger Mann haben Sie in Köln studiert. Waren Sie auch beim Karneval?
Philippe Oddo: Ja, in meiner Zeit in Köln habe ich viele Erfahrungen gesammelt. Ich hatte Spaß und habe viele Leute kennengelernt. Gerade an Karneval war ich auf der Straße und verlor einen Teil meiner Krawatte.
Auch jetzt sind Sie viel in Deutschland unterwegs. Warum?
Normalerweise bin ich zwei Tage pro Woche in Frankfurt und einen Tag in Städten wie Baden-Baden, Berlin, Düsseldorf oder Karlsruhe unterwegs. Ich treffe viele Kunden.
Das ist nicht üblich für den Chef einer Bank ...
Nein, aber um die Anliegen der oft sehr wohlhabenden Kunden kennenzulernen, reicht es nicht, mit dem Vertrieb zu reden. Man muss mit den Kunden persönlich sprechen und dazu bin ich jederzeit bereit.
Ist es die Verbundenheit mit dem Land, die Sie dazu gebracht hat, mit der bis 2014 rein französischen Bank nach Deutschland zu expandieren?
Es war eine Mischung aus Leidenschaft und Vernunft. Vernunft, weil Frankreich und Deutschland zusammen 60 Prozent der Marktkapitalisierung der Eurozone darstellen. Da wir Marktführer in der Eurozone werden wollen, hat Deutschland einfach Sinn ergeben. Außerdem ist Deutschland das Königreich familiengeführter Unternehmen, und auf deren Betreuung sind wir spezialisiert. Die Deutschen haben darüber hinaus viel auf der hohen Kante, das ist für uns als Asset-Manager spannend.
Und die Leidenschaft?
Leidenschaft, weil ich während meiner verschiedenen Aufenthalte einen Bezug zu Deutschland bekommen habe. Ich glaube, wenn die Deutschen und die Franzosen zusammenarbeiten, können sie die Besten sein.
Die beiden Staatschefs, Emmanuel Macron und Angela Merkel, wollen bis Juni einen Plan für die gemeinsame EU-Politik vorlegen. Können Sie damit auch die Besten sein?
Macron und Merkel haben nach den langen Koalitionsverhandlungen wenig Zeit bis zur Europawahl im Mai 2019. Es sind viele Themen auf dem Tisch: Verteidigung, der Einfluss des Europarlaments auf die nationalen Parlamente, die Schaffung eines EU-Finanzministeriums, die Bankenunion und so weiter. Die Franzosen bringen Vorschläge ein und die Deutschen entscheiden. So läuft das Spiel - ein bisschen.
Ist das bei Oddo BHF genauso?
Nein. Vier Leute in unserem achtköpfigen Vorstand kommen aus Deutschland, vier aus Frankreich. Aber es gibt selbstverständlich Unterschiede. Legt zum Beispiel ein Deutscher ein Konzept vor, hat er alle Details studiert und das Projekt ausgearbeitet. Es ist eigentlich fertig. Ist ein Franzose an der Reihe, bringt er eine Idee mit, die auf die Rückseite eines Metrotickets passt. Das kann zu Missverständnissen führen. Die Deutschen sind zudem nicht pünktlich, sie sind immer fünf Minuten zu früh.
In Frankreich empfindet eine Verspätung von fünf Minuten niemand als unhöflich. Diese Unterschiede gibt es, man muss sie kennen und respektieren. Wir sind mittlerweile ein echter deutsch-französischer Konzern. Fast alle Talente, die wir einstellen, sprechen beide Sprachen und haben in beiden Ländern gearbeitet.
Die Zahl französischer Unternehmen in Deutschland hat zugelegt, PSA hat Opel übernommen, Siemens und Alstom sind fusioniert. Stehen Sie mit den anderen deutsch-französischen Unternehmern in Austausch?
Zu wenig. Wir sind nicht so viele. Aber wir wollen mit ein paar französischen Unternehmern, die in Deutschland aktiv sind, und deutschen Unternehmern die in Frankreich Geschäfte machen, ein Netzwerk aufbauen und Erfahrungen austauschen. Generell würde ich mir aber mehr Anreize zum Austausch auf einer anderen Ebene wünschen.
Auf welcher?
Ein Austauschprogramm für Arbeitnehmer nach dem Beispiel des Erasmus- Programms für Studenten. Im Moment ist ein temporärer Umzug ins Nachbarland mit einem riesigen Aufwand und Unsicherheit verbunden, was Kranken- und Arbeitslosenversicherung sowie die Steuer betrifft. Mein Vorschlag lautet: Will ein Mitarbeiter für die gleiche Gruppe für bis zu drei Jahre umziehen, muss er seinen Sozial- und Steuerstatus mitnehmen können. Für uns wäre das von großem Interesse. Franzosen und Deutsche würden sich aber auch insgesamt besser kennenlernen. Aktuell machen 13 Millionen Deutsche jedes Jahr in Frankreich Urlaub und belegen damit Rang 1 im Tourismus. Umgekehrt sind es aber nur drei Millionen Franzosen, die ihre Ferien in Deutschland verbringen. Das könnten mehr sein.
Deutschland und Frankreich können wirtschaftlich sicher starke Partner sein. Im Bankensektor zeigt sich aber, dass französische Banken die Finanzkrise schneller verkraftet haben und stärker sind. Neben den strukturellen Problemen der deutschen Häuser ist daran der Kampf um Anteile in einem stark fragmentierten Markt schuld. Wo greifen Sie mit Oddo BHF an?
Es stimmt, der Wettbewerb hier ist hart. Wir möchten grundsätzlich etwas anderes einbringen. Oddo BHF ist zum Beispiel keine Massenbank. Im Corporate Banking wollen wir keine hunderttausend Kunden, sondern hundert. Denen wollen wir dafür von der Nachfolgeregelung über Exportfinanzierung bis zur Eigen- oder Fremdkapitalbeschaffung alles bieten können. Stimmt unser Angebot, werden wir Erfolg haben. Problematischer als den Wettbewerb finde ich, wie der Bankensektor in Verruf geraten ist. Das schadet allen.
Mit der BHF-Bank haben Sie selbst ein Unternehmen in Schwierigkeiten übernommen. 2016 haben Sie durch den Zukauf zwar die Erträge steigern können, aber etwa im Private Wealth Management flossen Kundengelder ab. Wie sieht es heute aus?
Die unklare Eigentümersituation vor unserer Übernahme hat viele verunsichert. Einige Mitarbeiter aus dem Vertrieb sind gegangen und mit ihnen auch Kunden. Das hat sich aber gründlich geändert. Mit Joachim Häger (Anm. d. Red.: Ex-Deutschland-Chef der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank) als Vorstand für das Private Wealth Management konnten wir im vergangenen Jahr mehr Kundengelder einsammeln, als unser ambitionierter Plan selbst vorsah.
Neben dem Private Wealth Management hat Oddo BHF noch eine Fondssparte und eine Unternehmens- und Kapitalmarktbank. Wie stehen die anderen Segmente da?
Insgesamt sind wir zufrieden mit der Entwicklung der Gruppe. Wir sehen Wachstum im Geschäft mit Unternehmenskunden, das mit Markus Beumer ebenfalls ein Deutscher verantwortet. Im Asset Management stehen wir ebenfalls gut da, aber haben noch einige strukturelle Aufgaben.
Was planen Sie?
Zunächst integrieren wir im Mai unser Fondshaus Frankfurt-Trust in Oddo BHF Asset Management. Außerdem investieren wir und haben gerade die Private-Equity-Gesellschaft ACG Capital übernommen. Mit dem Kauf von ACG ermöglichen wir unseren Kunden den Zugang zu Private Equity. Hier sehen wir eine stark steigende Nachfrage gerade auch bei vermögenden Privatkunden. Zusätzlich haben wir einen neuen Hedgefonds aufgebaut, die Rohstoffexpertise erweitert und einen in künstliche Intelligenz investierenden Fonds aufgelegt. Damit runden wir nun auch unsere Expertise im Bereich alternative Investments ab. Außerdem wollen wir auf der Investorenseite in Richtung Schwellenländer vorstoßen. So wollen wir nach Banken und Vermögensverwaltern nun auch institutionelle Investoren wie Versicherer oder Pensionskassen ansprechen.
Gerade erst haben Sie in Frankreich den Vertrieb und die Aktienanalyse von Natixis, der Investmentbank der französischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken, gekauft. Andere Häuser streichen ihr Research zusammen, weil sie nach den neuesten Vorschriften die Kosten dafür gesondert ausweisen müssen. Was ist die Idee dahinter?
In Frankreich sind wir Marktführer, was die Analyse von Aktien angeht. In Deutschland sind wir noch auf Platz 10, aber binnen eines Jahres wollen wir auf Platz 3 und schließlich kontinentaleuropäischer Marktführer werden. Insgesamt werden unsere Analysten nach der Zusammenführung 600 Unternehmen aus beiden Ländern beobachten. Und damit wollen wir im Brokerage unseren Umsatz steigern.
2016 hat die BHF-Bank noch einen Verlust gemacht. Hat sich die Situation 2017 verbessert?
Im vergangenen Jahr haben wir eine rote Null geschrieben, das heißt, die Verluste waren um rund 90 Prozent geringer als im Vorjahr. Aber das operative Ergebnis war im Plus, genauso wie die ersten drei Monate des Jahres. Dass wir als deutsch-französische Bank besser gesehen werden, zeigt unser Rating: Fitch hat beide Teile von "BBB-" auf "BBB" hochgestuft. Und wir haben noch nicht alle Möglichkeiten der Effizienzsteigerung ausgeschöpft.
Planen Sie dazu weitere Akquisitionen?
Nach ACG Capital haben wir aktuell keine weiteren Projekte auf dem Tisch.
Im Zuge der Zusammenführung haben Sie in der Vergangenheit Stellen gestrichen. Sind Sie damit fertig?
Ja, in Bezug darauf haben wir alle Entscheidungen getroffen und kommuniziert. Wir suchen langfristig neue Mitarbeiter, die sich auch über eine Beteiligung an Oddo BHF binden. Dabei gilt: Qualität geht über Quantität. Die meisten Einsparungen werden wir über unser neues Kernbankensystem erreichen. Alle Geschäftsbereiche werden daran angeschlossen sein. Im August 2019 soll es fertig werden, dann reduzieren wir unseren Aufwand um 25 Millionen Euro im Jahr.
Als Spezialist für familiengeführte Unternehmen bringen Sie diese auch an die Börse. Wäre das für Oddo BHF auch eine Option?
Das passt nicht zu uns. Wir wollen eine Gemeinschaft und eine Familie mit einer langfristigen Strategie sein. Wir suchen Partner, die unsere Werte teilen oder neue einbringen. Aber wir brauchen kein Geld. Unsere Eigenkapitalquote liegt bei mindestens 15 Prozent. Und unser externes Wachstum haben wir bis auf eine kleine Kapitalerhöhung 2016 vor der Übernahme von BHF immer selbst finanziert.
Wird also eines Ihrer vier Kinder die Bank einmal übernehmen?
Mir reicht es, wenn ein, zwei oder drei Kinder die Bank gut genug kennen, um Mehrheitsaktionäre zu werden. Sie müssen nicht selbst Vorstände werden.
Kurzvita
Franzose in Deutschland
Dreimal war der am 26. September 1959 in Paris geborene Philippe Oddo während seiner Ausbildung in Deutschland: zu Schulzeiten in Kleve, zum Studium in Köln und für ein Praktikum bei der Deutschen Bank. 1984 stieg er in die familiengeführte Privatbank Oddo ein, ab 1987 leitete er die Bank mit seinem Bruder, ab 1995 allein. Oddo ist verheiratet und hat vier Kinder.
Der Konzern
Deutsch-französische Bank
Oddo BHF hat 2300 Mitarbeiter, davon 1300 in Deutschland und 1000 in Frankreich. Insgesamt betreut die Bank 100 Milliarden Euro Kundenvermögen und zählt 515 institutionelle Kunden. 2016 lagen die Erträge bei 577 Millionen Euro, der Nachsteuergewinn bei 136 Millionen Euro und das konsolidierte Eigenkapital bei rund 814 Millionen Euro. Der deutsche Teil schrieb rote Zahlen.
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