Euro am Sonntag

Donald Trump: "Ich bin reich und sehr schlau"

21.12.15 03:00 Uhr

Donald Trump: "Ich bin reich und sehr schlau" | finanzen.net

Mit demagogischen Forderungen sichert sich der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump wachsende Popularität unter den republikanischen Wählern. Doch damit könnte Trump am Ende den Demokraten den Wahlsieg bescheren

von Nele Husmann, Euro am Sonntag

Vielleicht passt niemand anders so gut wie Donald Trump unter den künstlichen blauen Himmel, der inklusive einiger Schäfchenwolken auf die Decke des Venetian-Kasinos in Las Vegas gemalt wurde. Ein nachgebildeter Canal Grande fließt durch die gemalten Fassaden, in denen Amerikaner mit Einkaufstüten und Kasinochips hasten. Die Gondolieri, die Besuchern bei der Bootsfahrt vorsingen, klingen besser als ihre Vorbilder in der italienischen Hafenstadt. Echt oder nicht echt ist hier gar nicht die Frage.



Die Haartolle des 69-Jährigen schillert rötlich-grau, bekannterweise kein Toupet - aber es sieht sehr danach aus. Nicht nur beim Haar gibt es Zweifel. Niemand weiß, ob er so reich ist, wie er ­behauptet. Kasinos und Wolkenkratzer sind sein Metier - doch längst nicht ­alles, was seinen Namen in goldenen Lettern trägt, gehört ihm.

Ähnlich zwielichtig waren Trumps Äußerungen in der Fernsehdebatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten, die am vergangenen Dienstagabend live aus dem Venetian übertragen wurde. Er will die Familien von Terroristen bestrafen, ganze Teile des Internets schließen und bekannterweise Muslimen die Einreise in die USA verbieten. Die Pläne mögen alle erdenklichen juristischen und technischen Probleme mit sich bringen und längst nicht so ­detailliert formuliert sein wie in herkömmlichen Wahlkämpfen - die republikanischen Wähler stört es wenig. Sie wollen den starken Mann, der in Amerika das Steuer herumzureißen verspricht: "Werde ich gewählt, gewinnt Amerika wieder."


In nur sechs Wochen beginnen die Vorwahlen mit den Iowa Caucusses. Trump führt die Umfragen unter republikanischen Wählern mit einigem Abstand an - in manchen davon erhält er sogar 30 Prozent der Stimmen. Schon vor sechs Monaten, als er aus dem Aufzug seines Trump Towers an der New Yorker Fifth Avenue stieg, um seine Kandidatur anzukündigen, ließ er seine vorgeschriebene Rede außer Acht - und gab einen Vorgeschmack auf seine schmissige, gegen Minderheiten und Schwache gemünzte Rhetorik, mit der er auf Stimmenfang geht. Immer wieder schütteln moderate Amerikaner den Kopf und trösten sich damit, dass Trump bald aus dem Rennen ausscheiden wird. Doch das passiert nicht.

Im Herbst wurde sogar über ein "Abschusskommando" reicher Republikaner spekuliert, das Trump öffentlich ­demontieren sollte. Nichts geschah, weil keiner sich traut, ihn zum Feind zu haben. Trump drohte, zur Not als Unabhängiger in die Wahl zu gehen und den Republikanern die Stimmen abzuziehen. Reiche Spender der Republikaner wie die Koch-Brüder haben die Kassen voller Wahlkampfgelder - doch keine Strategie, um Trump abzuschalten. Das kann sie die Chance auf das Weiße Haus kosten. Denn Trump als Kandidat treibt alle gemäßigten Wähler in die Arme der Demokraten.


Trump ist ein klassischer Demagoge - er erkennt beliebte Vorurteile und nutzt sie hemmungslos zu seinem Vorteil aus. Den Geschmack der Masse zu treffen lernte er mit seiner Reality- TV-Sendung "The Apprentice", wo er wöchentlich Jobkandidaten mit würzigen Tiraden feuerte. Heute ist niemand vor ihm sicher: Seine GOP-Konkurrenten nennt er "Verlierer" und "Clowns", er beleidigt den republikanischen Senator John McCain dafür, in Vietnam in Kriegsgefangenschaft geraten zu sein, und schreckt selbst nicht davor zurück, die Behinderung eines Journalisten nachzuäffen.

Mit Wolkenkratzern ganz nach oben

Trump spricht das Unsagbare aus - und reißt die öffentliche Debatte weit nach rechts. Sei es, dass er eine "schöne, hohe Mauer" bauen will, um die Migration aus Mexiko zu verhindern, sei es, dass er keine Muslime mehr ins Land lassen will. Politisch unkorrekter geht es nicht. Aber die Amerikaner sind nach den Anschlägen in Paris und kurz danach im heimischen San Bernardino stark verunsichert. Die große Rezession hat viele in der amerikanischen Mittel- und Unterschicht ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft zurückgelassen - sie sind anfällig für die Versprechungen des starken Mannes von rechts.

"Ich bin wirklich reich - und sehr schlau", wiederholt Trump wie ein Mantra. Trump - das ist nicht nur ein Mann, das ist eine eigene Marke, die für dekadenten Lebensstil und Reichtum steht. Denn längst schon baut Trump nicht mehr selbst Häuser, sondern verkauft nur seinen Namen als Gütesiegel an Luxusprojekte in aller Herren Länder, etwa für einen Golfplatz in Dubai, ein schickes Resort auf Hawaii oder teuer ausgestattete Luxuswohntürme in Istanbul oder Panama. In diesen Lizenzdeals geht er kein finanzielles Risiko ein.

Entsprechend pflegt er seinen Namen als Aushängeschild für den höchsten Luxuslifestyle. So residiert er in den obersten drei Stockwerken seines 68-stöckigen Trump-Tower - ein privater Aufzug fährt direkt in sein Apartment, das mit marmornen Säulen, vergoldeten Louis-XVI-Möbeln und einem funktionierenden Springbrunnen ausgestattet ist. In seiner Boeing 757 gibt es nicht nur ein richtiges Schlafzimmer, sondern sogar vergoldete Anschnall­gurte. Dazu umfasst seine Autoflotte unter anderem einen Rolls-Royce, einen metallic-blauen Lamborghini Diablo und einen Mercedes SLR McLaren.

Der Immobilien-Doyen hält neben Gebäuden, Kasinos und Golfplätzen auch obskure Beteiligungen an Winzereien, israelischem Wodka und Energydrinks, die Mineralwassermarke Trump Ice, eine Matratzenmarke, die Schönheitswettbewerbe Miss USA und Miss Universe, und ein Herrenmodelabel. Dank seiner Zeit als Star der Reality-Fernsehshow "The Apprentice" bezieht er sogar eine jährliche Rente der Schauspielergewerkschaft von 110.000 Dollar.

Dass ein polarisierender Demagoge wie Trump in den USA derartige Erfolge feiert, ist noch nie dagewesen: "Es gibt wenige historische Beispiele, wo ein Politiker eine gesamte religiöse Klasse von Menschen als unwillkommen bezeichnet", sagt der Historiker David Kennedy von der Stanford Universität. Sieben Jahre nach der Finanzkrise haben sich viele Familien finanziell noch nicht wieder erholt, zugleich profitiert die reiche Elite von der Niedrigzinspolitik und wird stetig reicher. Die wachsende Ungleichheit in Amerika nährt den Boden für Trumps Tiraden. "Dies ist eine neue Kampagne in einem neuen Jahrhundert, in der viraler Populismus der Motor der republikanischen Politik ist", so Ross Baker von der Rutgers Universität.

Trump ist ein begnadeter Selbstpromoter. Den Sohn eines reichen Bau­unternehmers zieht es ins glamouröse Manhattan. Mitte der 70er-Jahre ergattert er eine Kaufoption auf das Commodore Hotel in der Nähe vom Grand Central. Er holt Hyatt Hotels mit ins Boot und erwirkt von der Stadt einen 40-jährigen Steuererlass. Das Hotel öffnet 1980. Mitte der 90er-Jahre ist es erfolgreich genug, sodass Trump seinen Anteil für 140 Millionen Dollar verkauft.

Seither zementierte Trump seinen Platz in der New Yorker Immobilienwelt mit protzigen Wolkenkratzern, die innen dekadent und altmodisch mit Marmor und Messing glänzen. Sein Trump World Tower war kurzzeitig sogar das höchste Wohnhochhaus der Stadt. Auch das Haus 40 Wall Street und der Trump Tower auf der Fifth Avenue sind in seinem Besitz. Damit zählt Trump zu den wenigen amerikanischen Reichen, die ihr Vermögen fernab vom Aktienmarkt erarbeiteten. Die luxuriöse Mansion Mar-A-Lago in Palm Beach hat er zu einem exklusiven Privatklub mit Hotel und Golfplatz ausgebaut, zu dem nur Mitglieder Zugang erhalten.

Allerdings musste Trump immer wieder schwere geschäftliche Rückschläge hinnehmen. Fünf Mal schon sind Unternehmen von ihm pleitegegangen und haben bei Re­struk­turierungen ihre Schuldner im Regen stehen lassen. Einzig beim ersten Bankrott, als sein Taj-Mahal-Kasino 1991 zum ersten Mal in Konkurs ging, stand auch Trump persönlich in der Kreide und wäre an seinem Schuldenberg in der Höhe von Hunderten von Millionen Dollar fast erstickt. Seitdem schirmt er sein privates Vermögen von seinen Unternehmen ab - und die voneinander. Trump gilt als extrem angriffslustig und prozessierfreudig.

Streit um die Milliarden

Dabei übertrifft er sich selbst mit immer höheren Angaben über sein Vermögen: Im Juli zog er seine persönliche Schätzung auf mehr als zehn Milliarden Dollar an - beim Start in den Wahlkampf einen Monat zuvor hatte er vor der Wahlkommission sein Vermögen noch mit 8,7 Milliarden beziffert. Doch die Experten des US-Magazins "Forbes", die jedes Jahr die Rangliste der 400 reichsten Menschen recherchieren, bemessen Trumps Vermögen mit vier Milliarden Dollar nicht einmal auf die Hälfte. "Bloomberg Business Week" kommt auf 2,9 Milliarden, das "Wall Street Journal" auf nur 1,5 Milliarden Dollar.

Trump sieht seinen Reichtum als Maßstab für seine Intelligenz und seinen Lebenserfolg. Dieses Image stärkt die Marke, von der er lebt - deshalb nimmt er Anzweiflungen höchst persönlich. Den "New York Times"-Reporter Timothy O’Brien verklagte Trump 2006 auf fünf Milliarden Dollar Schadenersatz, weil der in seinem Buch "TrumpNation" aus drei anonymen Quellen zitierte, dass Trump damals nur um die 150 Millionen Dollar besaß.

"Trump verhält sich nicht wie ein normaler Milliardär - nicht einmal wie ein exzentrischer", sagt der Hedgefondsanwalt und Fernsehkommentator Douglas Litowitz, "Er verhält sich so, als sei er pleite." Litowitz, der viele reiche Hedgefondsmanager berät, weiß aus Erfahrung, wie sehr sie Wert auf Understate­ment und Diskretion legen: "Reiche suchen nach Anerkennung in ihrem elitären Zirkel, nicht nach der des ­gemeinen Volkes. Und sie gründen keine Mineralwassermarken, die sie mit ihrem Antlitz darauf vermarkten wollen."

Noch hat Trump seine persön­liche Einkommensteuererklärung nicht veröffentlicht - ein Schritt, den Amerikaner von allen Präsidentschaftskandidaten erwarten. Bislang hat er nur ein Foto von sich neben einem meterhohen Dokumentenstapel getwittert: "Unterschreibe gerade meine Steuererklärung." Inzwischen treffen Trumps Diskriminierungen auch seine Geschäfte: Schon im Sommer hatte das Kaufhaus Macy’s die Trump-Schlipse aus dem Sortiment genommen, um seinen Mitarbeitern mit lateinamerikanischen Wurzeln zu zeigen, dass man hinter ihnen steht. Nach den anti­muslimischen Bemerkungen stornierte die Landmark Group, eine Kaufhauskette aus Dubai mit Geschäften im Nahen Osten, Indien und Afrika, Aufträge für Inneneinrichtungsgegenstände der Marke Trump. "Das. Schert. Mich. Nicht.", twitterte Trump zu Einwänden gegen seine Position.

"Love Trumps Hate", twitterte die demokratische Favoritin Hillary Clinton als Antwort auf Trumps Hassbotschaft. Sie kann sich die Hände reiben. Die Mehrheit der Amerikaner ist in der politischen Mitte angesiedelt - und würde eher Hillary wählen als Trump.

Das bemerkt jetzt auch die republikanische Elite. Der republikanische Präsidentenmacher Karl Rove, der George W. Bushs Wiederwahl 2004 orchestrierte, kürt Trump zum Traumkandidaten - allerdings für die Demokraten: "Trump mag die Vorwahlen gewinnen können, aber bei der Präsidentschaftswahl wird er eingeseift", warnt Rove in ­einem Gastkommentar im "Wall Street Journal".

Es wäre eine Ironie der Geschichte: Ein radikaler Republikaner würde einer gemäßigten Demokratin wie Hillary Clinton zum Wahl­erfolg verhelfen. Trump wäre das wohl egal - ihm geht es um Selbstvermarktung. Je länger er im Rennen ist, desto mehr Geld macht Trump mit seinem Markenzeichen.

zur Person:

Immobilien
und Politik

Donald Trump wurde am 14. Juni 1946 als Sohn des Bauunternehmers Fred Trump geboren und wuchs in Brooklyn auf. Mitte der 70er-Jahre startete Trump sein Immo­biliengeschäft in New York. Im Sommer dieses Jahres kündigte er an, sich für die US-Präsidentschaftswahl 2016 in der Vorwahl der Republikaner zu bewerben.

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