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Nintendos virtuelle Monster: Der Pokémon Go-Hype

19.07.16 22:10 Uhr

Nintendos virtuelle Monster: Der Pokémon Go-Hype | finanzen.net

Das Handyspiel Pokémon Go begeistert Millionen, an der Börse entbrennt eine Euphorie um die Aktie. Doch wie viel Nintendo damit tatsächlich verdient, ist die Frage.

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von Stephan Bauer, Euro am Sonntag

Das gab’s noch nie: Pokémon Go, ein Smartphonespiel, schafft es in Windeseile auf Platz 1 der beliebtesten Apps. Binnen 48 Stunden laden fünf Prozent aller Nutzer der Handybetriebssoftware Android in den USA die Software herunter. Nach dem Marktstart in den Vereinigten Staaten, Neuseeland und Australien waren Server tagelang überlastet. Der japanische Spielekonzern Nintendo verschob wegen des unglaublichen Ansturms sogar die Premieren in anderen Ländern.



Die putzigen Pokémon-Monster begeistern vor allem die Jüngeren bereits seit Jahrzehnten. Nintendo hatte sie schon in den 90er-Jahren auf PC und später auf der Spielekonsole Wii zum Leben erweckt. Es sind jedoch nicht nur die ­beliebten Figuren, deretwegen Millionen Handynutzer inzwischen pro Tag mehr Zeit mit der App verbringen als mit dem bisherigen Rekordhalter, dem Chatprogramm Whatsapp.

Pokémon Go verknüpft auf verblüffende Weise die reale Welt mit der virtuellen. Die Figuren setzt das Programm in die per Kamera aufgenommene Umgebung ein und versteckt sie etwa neben dem heimischen Sofa. Anhand animierter digitaler Karten können die Spieler bei Bedarf auch eine Reise durch ihre Nachbarschaft starten und Pokemons hinter Sträuchern oder der nächsten Straßenecke aufstöbern.

Revolution möglich

Die Verknüpfung von Spielcharakteren und Kamerabild ist der Clou. Das Spiel selbst ist kostenlos - beides erklärt den immensen Erfolg. Nintendo und sein Partner Niantic, eine Abspaltung von Google, der diese, Augmented ­Reality (AR) genannte, Technik entwickelt hat, verdienen an sogenannten In-App-Käufen. Die Spieler können Fertigkeiten, etwa "Pokéballs", erwerben, mit denen sie ihren Erfolg steigern können.


Gut möglich, dass Pokémon Go die mobile Spieleindustrie mit ihren derzeit etwa 20 Milliarden Dollar Jahresumsatz grundlegend verändert. Denn viele Entwickler dürften künftig AR-Elemente in ihre Spiele einbauen. Wie groß das Umsatz- und Gewinnpotenzial für Nintendo ist, steht auf einem anderen Blatt. Fakt ist: Die Japaner sind am Spieleentwickler und -vertreiber Niantic in unbekannter Höhe beteiligt und verdienen auch über ihren 32-Prozent-Anteil an Pokemon Go mit, die Firma hält ebenfalls ­Niantic-Anteile.

Bagatelle oder Bares

Auch wegen der intransparenten Struktur weichen Schätzungen stark voneinander ab. Die Deutsche Bank traut Nintendo im Geschäftsjahr bis Ende März 2017 insgesamt gut 80 Millionen Euro Umsatz mit Handyspielen zu - eine Bagatelle angesichts zuletzt rund 3,8 Milliarden Euro Jahresumsatz. Das US-Analysehaus Jefferies spricht hingegen von rund zwei Milliarden ­Dollar Umsatzpotenzial pro Jahr allein mit Pokémon Go. Und die US-Bank JP Morgan von bis zu 85 Millionen Euro Gewinn nur mit dem Spiel - was angesichts des Jahresgewinns von zuletzt rund 125 Millionen Euro ein Riesensprung wäre.

Dass die Aktie binnen weniger Tage um beinahe 100 Prozent stieg, hat einen weiteren Grund: Der Coup beflügelt Hoffnungen, dass den Japanern ein Comeback gelingt. Nintendo, das vor etwa zehn Jahren mit der Konsole Wii und bewegungsgesteuerten Controllern ganze Familien zum Zocken vor den Fernseher lockte, hatte den Smartphone-Trend verschlafen. Strategisch gehen die Japaner jetzt einen ähnlichen Weg wie einst mit der Wii: Auf den Massentitel Wii Sports folgten Titel für typischere Zielgruppen. Dem Breitenerfolg Pokémon Go will Nintendo im Herbst weitere Handyspiele wie Animal Crossing für Kinder und das für Zocker konzipierte Fire Emblem hinterherschicken.


Es scheint indes zweifelhaft, dass die Begeisterung der Börse anhält. 2009 kam Nintendo bei 13 Milliarden Euro Umsatz auf knapp zwei Milliarden Gewinn - damals befeuerte vor allem das Konsolengeschäft den Umsatz. Gelegenheitsspieler aber nutzen heute ihre Handys. Entscheidend wird sein, ob die Einführung der neuen Konsole NX im Frühjahr 2017 einschlägt. Das Gerät soll auch mobil einsetzbar sein. An den nächsten Coup glauben selbst Optimisten nicht wirklich: Die Wahrscheinlichkeit hierfür, so die Experten von Jefferies, liege "zwischen zehn und 20 Prozent".

Investor-Info

Nintendo
Einträgliches Spiel

Das Geschäft belebt sich, Nintendo hat nach dem Erfolg mit der Wii und anschließendem Dauerschlaf ein starkes Lebenszeichen gesendet. Der Gewinn soll laut Schätzungen im laufenden Jahr kräftig zulegen, Analysten gehen im Schnitt von einem Anstieg um über 50 Prozent aus. Gleichwohl ist das Papier nach der jüngsten Rally sehr teuer. Leser, die unserer Empfehlung in der Ausgabe 28/16 gefolgt sind, könnten einen Teil ihrer ansehnlichen Gewinne mitnehmen. Nicht mehr einsteigen.

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Bildquellen: TK Kurikawa / Shutterstock.com, Nicescene / Shutterstock.com

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